Songs voller Alkohol
05:35 Minuten
Vor 100 Jahren trat das Prohibitionsgesetz in den USA in Kraft. Es verbot Produktion, Transport und Verkauf von Alkohol. Bars und Restaurants schlossen. Wie sehr Alkohol trotzdem in der Gesellschaft verankert war, zeigen die Songtitel der Zeit.
Die Prohibition trat am 16. Januar 1920 in den USA in Kraft: das landesweite Verbot der Herstellung und des Verkaufs von Alkohol, das dreizehn Jahre währte – und krachend scheiterte. Gleichzeitig waren die Zwanziger des letzten Jahrhunderts die kulturell wohl innovativste und freieste Dekade des 20. Jahrhunderts, nicht zuletzt wegen einer neuen Musik – Jazz –, die in jener Ära ihre erste Blütezeit erlebte.
Immerhin hatte Louis Armstrong seinen Humor behalten, und die in den Aufnahmeraum geschmuggelte Drei-Liter-Flasche Whiskey hatte ihr Übriges getan. Bei jener denkwürdigen Jam Session in New York am 5. März 1929 war Gitarrist Eddie Condon so besoffen, dass der italienische Saitenvirtuose Eddie Lang für ihn einspringen musste. Und als Armstrong gefragt wurde, wie das Stück überhaupt heißen sollte, deutete er feuchtfröhlich auf die leere Flasche und sagte: "'Knockin’ A Jug' – Hau weg, den Stoff. Das Zeug haben wir ja wohl wirklich im Eiltempo weggehauen."
Immerhin hatte Louis Armstrong seinen Humor behalten, und die in den Aufnahmeraum geschmuggelte Drei-Liter-Flasche Whiskey hatte ihr Übriges getan. Bei jener denkwürdigen Jam Session in New York am 5. März 1929 war Gitarrist Eddie Condon so besoffen, dass der italienische Saitenvirtuose Eddie Lang für ihn einspringen musste. Und als Armstrong gefragt wurde, wie das Stück überhaupt heißen sollte, deutete er feuchtfröhlich auf die leere Flasche und sagte: "'Knockin’ A Jug' – Hau weg, den Stoff. Das Zeug haben wir ja wohl wirklich im Eiltempo weggehauen."
Trickreiche Händler und Gangster hebelten das Verbot aus
Zu jenem Zeitpunkt war Amerika bereits acht lange Jahre trocken. Zumindest auf dem Papier, denn die körperliche und moralische Gesundung der Nation war schwer nach hinten losgegangen. De facto hatte das seit Januar 1920 geltende Alkoholverbot, die sogenannte Prohibition, die Vereinigten Staaten in eine gigantische Destille verwandelt, und die Mobster, die die Bevölkerung mit Sprit versorgten, waren für viele zu Volkshelden geworden. Das meistverkaufte Utensil der Zwanziger war der Flachmann. Der Drehbuchautor Mark Hellinger 1939, sechs Jahre nach Ende der Prohibition:
"Die Schlagzeilen von heute erzählen die Geschichte einer verrückt gewordenen Welt. Da fragt man sich manchmal, ob sich überhaupt noch jemand an eine andere, komplett irre Zeit erinnert, die erst wenige Jahre zurückliegt: eine wilde, gesetzlose Hochspannungs-Ära, so unglaublich, dass die Leute eines Tages sagen werden: ‚Das muss jemand erfunden haben.’"
Der Modeschriftsteller des Jahrzehnts, Francis Scott Fitzgerald, der sich lieber drüben in Paris legal die Kante gab, hatte die Zwanziger mit einem treffenden Taufnamen bedacht: "The Jazz Age". Tatsächlich fungierten Crimelords wie Al Capone oder der Unterwelt-Boss Owney Madden als Impresarios jenes Sounds, der den Dancefloor zum Kochen brachte und eben deshalb auch als "hot" bezeichnet wurde.
"Die Schlagzeilen von heute erzählen die Geschichte einer verrückt gewordenen Welt. Da fragt man sich manchmal, ob sich überhaupt noch jemand an eine andere, komplett irre Zeit erinnert, die erst wenige Jahre zurückliegt: eine wilde, gesetzlose Hochspannungs-Ära, so unglaublich, dass die Leute eines Tages sagen werden: ‚Das muss jemand erfunden haben.’"
Der Modeschriftsteller des Jahrzehnts, Francis Scott Fitzgerald, der sich lieber drüben in Paris legal die Kante gab, hatte die Zwanziger mit einem treffenden Taufnamen bedacht: "The Jazz Age". Tatsächlich fungierten Crimelords wie Al Capone oder der Unterwelt-Boss Owney Madden als Impresarios jenes Sounds, der den Dancefloor zum Kochen brachte und eben deshalb auch als "hot" bezeichnet wurde.
Und den berühmten "Cotton Club", in dem die Bands von angesagten Größen wie Chick Webb, Fletcher Henderson oder Fats Waller auftraten, gab es gleich zweimal: in New York und in Chicago, dort betrieben von Al Capones Bruder Ralph. Das Plantagen-Interieur war zeitgemäß rassistisch.
Und so wurde der Superstar seiner Zeit angesagt: "Hallo zusammen und herzlich willkommen im berühmten Cotton Club. Wie ich sehe, amüsieren Sie sich prächtig trotz unserer gesalzenen Eintrittspreise, und ich habe die Ehre, den Großmeister der Dschungelmusik anzusagen, den unvergleichlichen Duke Ellington."
Der sich zum Urwald und den sogenannten "Neger-Rhythmen" mit schulterzuckender Coolness so äußerte: "Ich hatte schon immer eine Schwäche für den Dschungel. Dabei weiß niemand, wie es eigentlich im Dschungel zugeht."
Der sich zum Urwald und den sogenannten "Neger-Rhythmen" mit schulterzuckender Coolness so äußerte: "Ich hatte schon immer eine Schwäche für den Dschungel. Dabei weiß niemand, wie es eigentlich im Dschungel zugeht."
Der verbotene Alkohol ist auch Thema der Songs
Der Pianist Earl Hines erinnerte sich später: "Al Capone kam mit Musikern fabelhaft aus. Er kam mit seinen Handlangern in die Clubs, ließ die Bands seine Lieblingssongs spielen und drückte anschließend jedem 100 Dollar in die Hand." Ob der illegale Alk auch den Sound der Zukunft beflügelte, lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten.
Aber so mancher Songtitel der Zwanziger spricht ohnehin für sich: "Just a Little Drink" vom Paul Whiteman Orchestra, "Yes, I’m in the Barrel" (Ja, ich sumpf im Fässchen), die erste Aufnahme Louis Armstrongs mit den Hot Five, oder "Me and My Gin" von Bessie Smith, die allein im ersten Prohibitionsjahr, 1920, mehr als eine Million Tonträger verkaufte.
Wie groß die Musik der Prohibition war, lässt sich allein am Titel des ersten Tonfilms ermessen, der 1927 in die Kinos kam und alle Kassenrekorde sprengte: "The Jazz Singer" heißt er. Und vielleicht wäre der Sound der Pop-Moderne nie so schnell ins Rollen gekommen ohne das große Suff-Verbot der Zwanzigerjahre, auch wenn der Alkohol Musiker wie den Kornettisten Bix Beiderbecke oder den genialen Trompeter Bunny Berigan allzu früh dahingerafft hatte.
1933, nach zwölf langen trockenen Jahren, wurde die Prohibition unter dem neuen Präsidenten Franklin D. Roosevelt abgeschafft. Sein Wahlkampfschlager war definitiv kein Jazz gewesen, aber irgendwo musste ja auch ein demokratischer Kandidat anfangen. Der Song hieß: "Happy Days Are Here Again".