Die Musikszene von New Orleans

Zehn Jahre nach Katrina

Eine Jazzkapelle zieht abends durch die Strassen im historischen Viertel French Quarter von New Orleans
"New Orleans – The Sound of a City" © picture alliance / dpa / Reinhard Kaufhold
Von Marlene Küster |
An den Folgen des Hurrikans Katrina vor zehn Jahren hatte vor allem auch das kulturelle Leben und die so lebhafte Musikszene der Stadt New Orleans zu leiden. Wie steht es um Rhythm and Blues, Gospel und den Jazz der Stadt heute? Ein Besuch.
"Hier in New Orleans ist überall Musik. Du atmest diese Klänge buchstäblich ein: Straßenmusik, Brass Bands, modernen oder traditionellen Jazz, Funk, Rhythm and Blues oder Soul. Hier krieg ich jeden Tag meine üppige Ration guter Musik." Pianist Jon Cleary ist von New Orleans Musik fasziniert. Nur hier konnte entstehen, was sich seit nunmehr hundert Jahren behauptet und wesentlicher Kulturbeitrag Amerikas ist. Deshalb ist er aus England vor 30 Jahren hierher gekommen und geblieben – auch nach dem verheerenden Wirbelsturm Katrina. Die Musikszene ist heute wieder sehr lebendig. Ja, New Orleans feiert geradezu eine musikalische Wiedergeburt.
"Regelmäßig habe ich drei Auftritte pro Woche und oft kommen noch ein bis zwei weitere hinzu. Ich spiele den traditionellen New-Orleans-Piano-Stil und singe. Eine Mischung aus Jazz, Blues und etwas R'n'B. Ich will diese Tradition aufrechterhalten aber gleichzeitig mit neuen Kreationen beleben und offen bleiben ...", sagt Jon Cleary. "In den vergangenen Jahren haben ungefähr 100.000 Menschen New Orleans für immer verlassen. Dafür sind 50.000 hierher gekommen – darunter viele Musiker auf der Suche nach dieser einzigartigen musikalischen Vielfalt. Hier sind so viele neue Bands mit ausgezeichneter Musik."
Alles war kaputt...
Nicht nur der hochgeschätzte Funk-Pianist Jon Cleary, auch zahlreiche andere Künstler sahen und sehen – so merkwürdig es klingen mag – Katrina als wichtigen Neuanfang ihrer Karriere. So auch der Pianist und Komponist Allen Toussaint – eine Musiklegende in der Jazz und R&B-Szene, der seit Jahrzehnten den Sound von New-Orleans entscheidend prägt: "Für mich war Katrina eine Wiedergeburt, obwohl Wassermassen mein Haus überflutet hatten und alles nur noch eine einzige graue Masse war – von meinem Klavier waren die schwarzen Tasten von den weißen nicht mehr zu unterscheiden. Ich habe diese Situation als Chance gesehen. Ich war wohlbehalten."
Alles war kaputt: Haus, Studio, Kompositionen und Masterbänder. Doch ihm sind seine schöpferischen Fähigkeiten geblieben. Allen Toussaint hat längst eine neue Bleibe in einem Bungalow gefunden – außen mit Notenschlüsseln verziert, in einer gepflegten Wohngegend. Nach der Katastrophe musste er drei Monate nach New York ausweichen, wo sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten ergaben.
"... so viele wunderbare Erlebnisse ... auf einmal hatte ich die Chance, mit anderen Musikern zusammen zu arbeiten und konnte selbst eine neue Karriere starten", sagt Toussaint.
Früher habe er immer aufs rote Licht für die Aufnahme im Studio gewartet, sagt er. In New York aber habe er dann mit 67 die Livemusik und die Bühne entdeckt. Und so ist auch das Album Songbook entstanden: Allen Toussaint erzählt darauf die Geschichte der Musik von New Orleans.
Eine Brass Band für die Wiederauferstehung der Musik
Auch für die Rebirth Brass Band, die jahrelang auf den Bürgersteigen des French Quarters gespielt hatte, hat Katrina ein neues Kapitel in ihrer Karriere eingeleitet, wieBandgründer und Tubaspieler Phil Frazier bestätigt: "Plötzlich sind wir viel rumgekommen. Katrina hat uns schließlich einen Grammy gebracht. Wir waren mit die ersten, die nach der Katastrophe zurückgekommen sind und in New Orleans Musik gemacht haben. So sind wir zu Botschaftern der Stadt geworden."
Schon während der nächtlichen Ausgangssperre hatte die Rebirth Brass Band wöchentliche Konzerte im Katastrophengebiet gegeben. So hat sie mit der Energie des Hip-Hop, dem losen Spiel des Jazz und Funk den Menschen Mut gemacht und wichtige Impulse zum Wiederaufbau der Stadt gegeben.
Jazz-Trompeter Irvin Mayfield hat ebenfalls eine herausragende Rolle beim Wiederaufbau gespielt. Sein Beitrag: Als offizieller Kulturbotschafter von New Orleans und Sprecher der örtlichen Musikerhat er die größte natürliche Ressource nach New Orleans zurückgebracht: den Jazz. Er hat alles getan, um die Musiker zur Rückkehr zu bewegen. Dabei musste er selbst am eigenen Leib einen sehr schmerzlichen Verlust erfahren: "Katrina war eine Massentragödie. Und jeder war irgendwie davon betroffen. Es ist schwierig dieses Gefühl in Worte zu fassen ... mein Vater war ein Opfer."
Der Glaube an die Musik hat dem 38-jährigen Trompeter bei der Trauer geholfen. Mittlerweile hat Irvin Mayfield einen der vielen neuen Jazzclubs in New Orleans eröffnet. Heute gibt es hier mehr Live-Bühnen und Clubs als je zuvor. Musik ist überall. Sein aktuelles Album hat Irvin Mayfield dann auch seiner Heimatstadt gewidmet: Es steht für die musikalische Wiedergeburt von New Orleans nach der verheerenden Katastrophe: "Großartige Musik spendet dir Trost. Und vor allen Dingen der New-Orleans-Jazz: Er gibt dir einfach ein unbeschreibliches Gefühl ..."
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