Die Mutter aller Spekulationsblasen
Der Tulpenwahn, von dem das Holland des frühen 17. Jahrhunderts betroffen war, lässt sich als Muster für heutige Finanzspekulationen und die damit verbundene Blasenwirtschaft deuten. Die Hausse, um es in heutiger Börsensprache zu sagen, setzte 1634 ein, als für Tulpenzwiebeln immer höhere Preise geboten wurden, was auch einfache Niederländer in ein Spekulationsfieber versetzte. Der Crash folgte am 6. Februar 1639, als plötzlich alle ihre Zwiebeln verkaufen, aber niemand sie mehr haben wollte.
Der 5. Februar 1637 war für die Tulpenhändler im niederländischen Alkmaar ein schöner Tag. Bei einer Auktion wurden alle 99 angebotenen Tulpenzwiebeln versteigert und unglaubliche 90.000 Gulden in die Kassen der Verkäufer gespült. Das entspricht einem Gegenwert von 900.000 Euro. Auch die Käufer waren guter Dinge und davon überzeugt, dass sie die erworbenen Zwiebeln noch vor deren Lieferung mit Gewinn würden weiterverkaufen können. Wie an der gerade erst gegründeten Börse von Amsterdam waren auch in Alkmaar nicht real existierende Tulpenzwiebeln versteigert worden, sondern Obligationen auf Knollen, die noch in der Erde lagen. Die Pflanze, so der Kulturwissenschaftler Bernhard Siegert, war zum Spekulationsobjekt geworden.
"Es gibt die Spekulanten in den Tulpenbörsen, die ja nie eine Tulpenzwiebel zu Gesicht bekommen. Man kauft und verkauft und versteigert auch in diesen Börsen Tulpen, die überhaupt nicht existieren, die nur aufgrund eines Versprechens existieren, in der nächsten Lieferungsperiode geliefert zu werden. Nur bis dahin ist dieselbe Tulpe schon so und so oft wiederverkauft worden, sodass sie letztendlich eigentlich gar nicht mehr zu existieren braucht."
Von Alkmaar bis Haarlem braucht man heute mit dem Auto eine halbe Stunde. An jenen dramatischen Februartagen des Jahres 1637 lagen Welten zwischen den beiden Städten. Während in Alkmaar noch die Geneverflaschen kreisten, hatte man in Haarlem bereits einen schweren Kater. Bei einer der damals üblichen Wirtshausauktionen hatte nämlich nur zwei Tage zuvor dort niemand auch nur für eine der vom Auktionator angepriesenen Tulpenzwiebeln das Mindestgebot abgeben wollen.
Es dauerte bis zum 7. Februar, bis sich das Desaster überall in Holland herumgesprochen hatte. Die gescheiterte Auktion in Haarlem galt den Händlern als Omen, Alkmaar als Reminiszenz. Panik brach aus, und weil nun alle ihre Zwiebeln verkaufen wollten, platzte an diesem Tag die Spekulationsblase: Der Preis der Tulpen fiel um 95 Prozent und stürzte alle, die nicht rechtzeitig verkauft hatten, in den Ruin.
Begonnen hatte die Konjunktur des Liliengewächses in der Mitte des 16. Jahrhunderts, als der Wiener Gesandte in Konstantinopel sich in die farbenprächtigen Tulpenfelder des Sultans verliebte und Zwiebeln an den Kaiserhof schickte. Bald fand die Pflanze ihre Liebhaber in ganz Europa, vor allem aber in den Niederlanden, wo die Calvinisten ihren Mangel an Duft als Symbol der Enthaltsamkeit schätzten. Zunächst war es lediglich die oberste Oberschicht, die Tulpenbeete in ihren Gärten anlegte. Doch infolge des Ostindienhandels war in Holland eine reiche Kaufmannsschicht entstanden, die nach gesellschaftlicher Anerkennung gierte. Sie bemächtigte sich dieses Statussymbols und heizte die Nachfrage an. Das wiederum führte dazu, dass für seltene und besonders verwegene Züchtungen atemberaubende Preise gezahlt wurden. In seinem 1841 erschienen Buch "Außerordentliche Verwirrungen und der Wahn der Massen" berichtete der schottische Literat Charles MacKay:
"Alle Welt glaubte, die Gier nach Tulpen würde nie gestillt werden und die Begüterten der Welt würden jeden Preis zahlen, um Tulpen aus den Niederlanden in ihren Besitz zu bringen."
Diese Hoffnung auf ständig steigende Preise beflügelte die ökonomische Fantasie ungemein und löste jene Massenhysterie aus, die heute als "Tulpomanie" bezeichnet wird.
"Adlige, Bürger, Bauern, Handwerker, Seeleute, Lakaien, Dienstmädchen, selbst Schornsteinfeger und Flickschneiderinnen. Alle liquidierten ihr Vermögen, um Investitionskapital zu haben."
Das wurde nur zu einem geringeren Teil in Züchtung und Anbau von Tulpen gesteckt, der größere Teil, und das war neu in der Wirtschaftsgeschichte, floss in die Finanzökonomie. Warentermingeschäfte hatte es schon in der Antike gegeben, doch nun wurden sie zum Massenphänomen. Auch Leerverkäufe wurden üblich, bei denen die Verkäufer darauf spekulierten, die bereits verkauften Zwiebeln vor dem vereinbarten Liefertermin zu einem günstigeren Preis tatsächlich erwerben zu können. Sogar auf Anteile an Tulpenzwiebeln wurden Optionsscheine gehandelt. Das Spiel konnte nur gut gehen, solange alle darauf vertrauten, dass sich immer jemand finden würde, der einen noch höheren Preis zahlen würde. Bei den Tulpen war dieses Vertrauen am 6. Februar 1637 aufgebraucht, in der modernen Finanzökonomie ist diese Illusion bis heute Grundlage des Geschäfts.
"Es gibt die Spekulanten in den Tulpenbörsen, die ja nie eine Tulpenzwiebel zu Gesicht bekommen. Man kauft und verkauft und versteigert auch in diesen Börsen Tulpen, die überhaupt nicht existieren, die nur aufgrund eines Versprechens existieren, in der nächsten Lieferungsperiode geliefert zu werden. Nur bis dahin ist dieselbe Tulpe schon so und so oft wiederverkauft worden, sodass sie letztendlich eigentlich gar nicht mehr zu existieren braucht."
Von Alkmaar bis Haarlem braucht man heute mit dem Auto eine halbe Stunde. An jenen dramatischen Februartagen des Jahres 1637 lagen Welten zwischen den beiden Städten. Während in Alkmaar noch die Geneverflaschen kreisten, hatte man in Haarlem bereits einen schweren Kater. Bei einer der damals üblichen Wirtshausauktionen hatte nämlich nur zwei Tage zuvor dort niemand auch nur für eine der vom Auktionator angepriesenen Tulpenzwiebeln das Mindestgebot abgeben wollen.
Es dauerte bis zum 7. Februar, bis sich das Desaster überall in Holland herumgesprochen hatte. Die gescheiterte Auktion in Haarlem galt den Händlern als Omen, Alkmaar als Reminiszenz. Panik brach aus, und weil nun alle ihre Zwiebeln verkaufen wollten, platzte an diesem Tag die Spekulationsblase: Der Preis der Tulpen fiel um 95 Prozent und stürzte alle, die nicht rechtzeitig verkauft hatten, in den Ruin.
Begonnen hatte die Konjunktur des Liliengewächses in der Mitte des 16. Jahrhunderts, als der Wiener Gesandte in Konstantinopel sich in die farbenprächtigen Tulpenfelder des Sultans verliebte und Zwiebeln an den Kaiserhof schickte. Bald fand die Pflanze ihre Liebhaber in ganz Europa, vor allem aber in den Niederlanden, wo die Calvinisten ihren Mangel an Duft als Symbol der Enthaltsamkeit schätzten. Zunächst war es lediglich die oberste Oberschicht, die Tulpenbeete in ihren Gärten anlegte. Doch infolge des Ostindienhandels war in Holland eine reiche Kaufmannsschicht entstanden, die nach gesellschaftlicher Anerkennung gierte. Sie bemächtigte sich dieses Statussymbols und heizte die Nachfrage an. Das wiederum führte dazu, dass für seltene und besonders verwegene Züchtungen atemberaubende Preise gezahlt wurden. In seinem 1841 erschienen Buch "Außerordentliche Verwirrungen und der Wahn der Massen" berichtete der schottische Literat Charles MacKay:
"Alle Welt glaubte, die Gier nach Tulpen würde nie gestillt werden und die Begüterten der Welt würden jeden Preis zahlen, um Tulpen aus den Niederlanden in ihren Besitz zu bringen."
Diese Hoffnung auf ständig steigende Preise beflügelte die ökonomische Fantasie ungemein und löste jene Massenhysterie aus, die heute als "Tulpomanie" bezeichnet wird.
"Adlige, Bürger, Bauern, Handwerker, Seeleute, Lakaien, Dienstmädchen, selbst Schornsteinfeger und Flickschneiderinnen. Alle liquidierten ihr Vermögen, um Investitionskapital zu haben."
Das wurde nur zu einem geringeren Teil in Züchtung und Anbau von Tulpen gesteckt, der größere Teil, und das war neu in der Wirtschaftsgeschichte, floss in die Finanzökonomie. Warentermingeschäfte hatte es schon in der Antike gegeben, doch nun wurden sie zum Massenphänomen. Auch Leerverkäufe wurden üblich, bei denen die Verkäufer darauf spekulierten, die bereits verkauften Zwiebeln vor dem vereinbarten Liefertermin zu einem günstigeren Preis tatsächlich erwerben zu können. Sogar auf Anteile an Tulpenzwiebeln wurden Optionsscheine gehandelt. Das Spiel konnte nur gut gehen, solange alle darauf vertrauten, dass sich immer jemand finden würde, der einen noch höheren Preis zahlen würde. Bei den Tulpen war dieses Vertrauen am 6. Februar 1637 aufgebraucht, in der modernen Finanzökonomie ist diese Illusion bis heute Grundlage des Geschäfts.