Die Natur und ihre Kreisläufe
Der Brite Richard Long zählt zu den bedeutendsten Vertretern der "Land Art". Im Hamburger Bahnhof, Berlins Museum für Gegenwartskunst, ist dem Künstler jetzt eine Einzelausstellung gewidmet. Sie gruppiert sich um seine Arbeit "The Berlin Circle".
Die Rentiere aus Carsten Höllers wundersamer Installation "Soma" sind gerade ausgezogen, da geht das Museum Hamburger Bahnhof erneut auf Stimmungsfang: Beim Blick in die große historische Halle hinein hat man das Gefühl, dass ganz hinten am anderen Ende die Sonne aufgeht. Allerdings nicht leuchtend gelb, sondern eher matt, sandfarben.
Auf einer rückwärtigen Wand ist ein Kreis von zwölf Metern Durchmesser aufgebracht. Ein Rund, das trotz des matten Tons eine enorme Ausstrahlung und Anziehungskraft hat. So macht man sich auf den Weg dorthin. Vorbei an der titelgebenden Arbeit "Berlin Circle" – ein dem Museum auf Dauer geliehenes Werk aus der Sammlung Marx, das längere Zeit im Depot lag und jetzt neu installiert wurde.
Vorbei auch an Torfstegen und an weiteren Zirkeln aus Steinen entlang, die ehern von der langen Zeit zeugen, über die hinweg sie entstanden. Und wenn man schließlich die "Sonne" erreicht hat, dann gerät dieses Rund vor den Augen in Bewegung, die Strukturen wogen hin und her: wie ein Kornfeld im Wind.
Richard Long: "Das ist Schlamm aus dem Fluß Avon aus meiner Heimatstadt Bristol. Ich habe ihn mit nach Berlin gebracht. Es ist keine Malerei in dem Sinne, denn ich hab den Schlamm nicht mit dem Pinsel aufgetragen, sondern mit meinen Händen auf der Wand verteilt"
Diese handgemachte Arbeit wird im Hamburger Bahnhof jetzt neben sechs anderen Werken Longs gezeigt. Damit ist das Ganze sicher alles andere als eine große Übersichtsschau – eher eine Impression.
Kurator Eugen Blume: "Sie sehen ja die Ausstellung ist nicht eine Ausstellung, die kunsthistorisch alle Bezüge ausbreitet. Sondern wir haben eigentlich eine Gesamtinstallation in der großen Halle. Die neue Arbeit korrespondiert mit den anderen Arbeiten, die gelegt sind als Feld in die Halle hinein. Es ist fast so ein Zen-buddhistischer Meditationsraum entstanden."
Und so bekommt der Besucher angesichts der wenigen, aber umfangreichen Werke doch ein gutes Gefühl für das, um was es sich bei der Arbeit von Richard Long im wahrsten Sinne des Wortes dreht: um die Natur und ihre Kreisläufe. Denn nicht nur das Wandbild aus britischem Matsch, sondern auch alles andere, was hier akribisch auf dem Boden angeordnet ist, ist aus der Natur – die Zirkel und die sie verbindenden Geraden, aus Torf, Schiefer, Basalt, Kohle, Marmor.
Richard Long: "Ja, die Natur liegt doch in allen Dingen. Sie bestimmt unser Leben. Und ich will meine Arbeiten auch ins Museum bringen, wo viele Menschen sie betrachten können. Aber der größte Teil meiner Kunst entsteht in der Natur. Und es ist gut möglich, dass manche Werke von niemand außer von mir gesehen werden."
Richard Long ist vor allem ein Outdoor Künstler, bei dem der Weg über die Jahre immer mehr zum Ziel wurde. Und die Spuren, die er hinterlässt, zu Kunst. Ein Schlüsselerlebnis dabei war sicher ein Ausflug ins Londoner Umland 1967, bei dem er durch eine Wiese voller Gänseblümchen trampelte. Immer hin und her, bis eine Linie erkennbar war, die er dann als "Line made by Walking" mit dem Fotoapparat dokumentierte.
Seitdem hat sich der Brite immer wieder auf Wanderschaft begeben. Lief durchs schottische Hochland, durch die Anden, die Mongolei. Die Kuratoren haben sich dafür entschieden, die Werke im Hamburger Bahnhof ganz für sich wirken zu lassen. Werke von Zeitgenossen, die ebenfalls mit Naturformen und Materialien arbeiten, zeigt man nur in einer leider etwas alibihaft daherkommenden kleinen Schau im ersten Stock. Und die Fotos, die Richard Long auf seinen Kunst-Reisen machte, ließ man ganz außen vor.
Zu sehen ist allerdings ein Dokumentarfilm über Longs Exkursion in die Sahara 1988. Hier kann man ihn bei der Arbeit beobachten, die Linien und Kreise, betrachten, die er dezent inmitten der kargen Landschaft formiert – als kleine Interventionen, als archaische, der Natur verbundene Bilder:
"Wenn ich auf meinen Wanderungen anhalte, an einem Platz, der mir irgendwie besonders vorkommt und dort ein Kunstwerk schaffe, dann ist das, als ob ich diesen Ort feiern würde. Ich hinterlasse eine Spur, an einem Platz, zu einer bestimmten Zeit. Aber es geht mir nicht darum, dass die Kunst alle Zeiten überdauert."
Man könnte auch sagen, der 1945 in Bristol geborene Long setzt seine Ausrufezeichen hinter die Natur. Durchaus mit dem Wissen, dass seine Kunst vergänglich ist. Das trifft auf die Wind und Wetter ausgesetzten Außenarbeiten zu. Aber auch auf die musealen Werke. Das Wandbild wird nach dem Ende der Ausstellung übermalt.
Dennoch hinterlässt die Schau mehr als nur einen flüchtigen Eindruck. Und es geht auch in Ordnung, dass man nur einen Einblick, aber keinen größeren Überblick bekommt. Weil dieser Einblick so tief blicken lässt – in Richard Longs Werk hinein.
Service:
"Berlin Circle" von Richard Long ist bis zum 31. Juli im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart in Berlin zu sehen.
Auf einer rückwärtigen Wand ist ein Kreis von zwölf Metern Durchmesser aufgebracht. Ein Rund, das trotz des matten Tons eine enorme Ausstrahlung und Anziehungskraft hat. So macht man sich auf den Weg dorthin. Vorbei an der titelgebenden Arbeit "Berlin Circle" – ein dem Museum auf Dauer geliehenes Werk aus der Sammlung Marx, das längere Zeit im Depot lag und jetzt neu installiert wurde.
Vorbei auch an Torfstegen und an weiteren Zirkeln aus Steinen entlang, die ehern von der langen Zeit zeugen, über die hinweg sie entstanden. Und wenn man schließlich die "Sonne" erreicht hat, dann gerät dieses Rund vor den Augen in Bewegung, die Strukturen wogen hin und her: wie ein Kornfeld im Wind.
Richard Long: "Das ist Schlamm aus dem Fluß Avon aus meiner Heimatstadt Bristol. Ich habe ihn mit nach Berlin gebracht. Es ist keine Malerei in dem Sinne, denn ich hab den Schlamm nicht mit dem Pinsel aufgetragen, sondern mit meinen Händen auf der Wand verteilt"
Diese handgemachte Arbeit wird im Hamburger Bahnhof jetzt neben sechs anderen Werken Longs gezeigt. Damit ist das Ganze sicher alles andere als eine große Übersichtsschau – eher eine Impression.
Kurator Eugen Blume: "Sie sehen ja die Ausstellung ist nicht eine Ausstellung, die kunsthistorisch alle Bezüge ausbreitet. Sondern wir haben eigentlich eine Gesamtinstallation in der großen Halle. Die neue Arbeit korrespondiert mit den anderen Arbeiten, die gelegt sind als Feld in die Halle hinein. Es ist fast so ein Zen-buddhistischer Meditationsraum entstanden."
Und so bekommt der Besucher angesichts der wenigen, aber umfangreichen Werke doch ein gutes Gefühl für das, um was es sich bei der Arbeit von Richard Long im wahrsten Sinne des Wortes dreht: um die Natur und ihre Kreisläufe. Denn nicht nur das Wandbild aus britischem Matsch, sondern auch alles andere, was hier akribisch auf dem Boden angeordnet ist, ist aus der Natur – die Zirkel und die sie verbindenden Geraden, aus Torf, Schiefer, Basalt, Kohle, Marmor.
Richard Long: "Ja, die Natur liegt doch in allen Dingen. Sie bestimmt unser Leben. Und ich will meine Arbeiten auch ins Museum bringen, wo viele Menschen sie betrachten können. Aber der größte Teil meiner Kunst entsteht in der Natur. Und es ist gut möglich, dass manche Werke von niemand außer von mir gesehen werden."
Richard Long ist vor allem ein Outdoor Künstler, bei dem der Weg über die Jahre immer mehr zum Ziel wurde. Und die Spuren, die er hinterlässt, zu Kunst. Ein Schlüsselerlebnis dabei war sicher ein Ausflug ins Londoner Umland 1967, bei dem er durch eine Wiese voller Gänseblümchen trampelte. Immer hin und her, bis eine Linie erkennbar war, die er dann als "Line made by Walking" mit dem Fotoapparat dokumentierte.
Seitdem hat sich der Brite immer wieder auf Wanderschaft begeben. Lief durchs schottische Hochland, durch die Anden, die Mongolei. Die Kuratoren haben sich dafür entschieden, die Werke im Hamburger Bahnhof ganz für sich wirken zu lassen. Werke von Zeitgenossen, die ebenfalls mit Naturformen und Materialien arbeiten, zeigt man nur in einer leider etwas alibihaft daherkommenden kleinen Schau im ersten Stock. Und die Fotos, die Richard Long auf seinen Kunst-Reisen machte, ließ man ganz außen vor.
Zu sehen ist allerdings ein Dokumentarfilm über Longs Exkursion in die Sahara 1988. Hier kann man ihn bei der Arbeit beobachten, die Linien und Kreise, betrachten, die er dezent inmitten der kargen Landschaft formiert – als kleine Interventionen, als archaische, der Natur verbundene Bilder:
"Wenn ich auf meinen Wanderungen anhalte, an einem Platz, der mir irgendwie besonders vorkommt und dort ein Kunstwerk schaffe, dann ist das, als ob ich diesen Ort feiern würde. Ich hinterlasse eine Spur, an einem Platz, zu einer bestimmten Zeit. Aber es geht mir nicht darum, dass die Kunst alle Zeiten überdauert."
Man könnte auch sagen, der 1945 in Bristol geborene Long setzt seine Ausrufezeichen hinter die Natur. Durchaus mit dem Wissen, dass seine Kunst vergänglich ist. Das trifft auf die Wind und Wetter ausgesetzten Außenarbeiten zu. Aber auch auf die musealen Werke. Das Wandbild wird nach dem Ende der Ausstellung übermalt.
Dennoch hinterlässt die Schau mehr als nur einen flüchtigen Eindruck. Und es geht auch in Ordnung, dass man nur einen Einblick, aber keinen größeren Überblick bekommt. Weil dieser Einblick so tief blicken lässt – in Richard Longs Werk hinein.
Service:
"Berlin Circle" von Richard Long ist bis zum 31. Juli im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart in Berlin zu sehen.