Die neue Museumslandschaft

Von Claus-Peter Haase · 14.01.2009
Man wohnte, dinierte und diskutierte in einem Hotel mit Villen im Stil arabischer Wohnqualität, venezianischen Kanälen und einer Schweinefleisch-Ecke im Restaurant. Zwar blieben die deutschen und arabischen Tische getrennt. Doch sagten sich die Deutschen ebenso wie die Araber untereinander und über einander manche Wahrheiten. So wurde betont, dass man sich in die Strategien der kulturellen Zukunftsplanung des anderen nicht einmische. Forderungen nach kritischer Selbstbetrachtung sowie genauerer Wahrnehmung des anderen wurden jedoch laut.
Es war der Herrscher des kleinen Emirats Sharjah, der die strengen Reglementierungen im Erziehungswesen seines Landes mit dem Ziel eines neuen Selbstbewusstseins für die Jugend begründete. Es soll helfen, sie gegen die Süchte der Gegenwart zu immunisieren. Das Bekenntnis zum Anderssein in Mode und Stil mag nur das Äußerliche betreffen, doch lässt sich darin die Chance zu weiteren Veränderungen, zum Widerstand gegen angeblich zwangsläufige Folgen der "Modernisierung" erproben.

Sharjah, Schauplatz der im März zum 9. Mal ausgerichteten modernen Kunst-Biennale, schaffte übrigens auch die erste neue Museumseröffnung am Golf im Jahre 2008. Nach fünfjähriger Planung wurde im Mai das kleine, vielseitig ausgelegte Museum Islamischer Kunst eingeweiht, mit Leihgaben seiner über 100 Jahre älteren Schwester im Berliner Pergamonmuseum.

Danach feierte Qatar die Fertigstellung des Museums für Islamische Kunst in der Hauptstadt Doha. Von zahlreichen geladenen Museumsdirektoren bewundert, überzeugte nicht nur der Bau des chinesisch-amerikanischen Architekten Ieoh- Ming Pei. Mancher sagte, dass man in diesem hochmodernen, vielseitigen Gehäuse gern die eigene Sammlung einmal sehen würde. Scheicha Moza, die Frau des Emirs, charakterisierte Peis Leistung mit den Worten, er habe eine aus historischen arabischen Bauprinzipien gewonnene moderne Stilform an die Araber zurückgegeben.

Begeisternd wirkt auch die in zwei Dekaden zusammengetragene Sammlung, die durch eine separate Leihgaben-Ausstellung der Schwestersammlungen in aller Welt begrüßt wurde. Sie umfasst Spitzenstücke aus fast allen islamischen Kernländern, zum Teil aus alten Privatsammlungen. Man mag es überraschend finden, dass sie als reine Kunstsammlung von Meisterwerken und nicht als "islamisches Diözesanmuseum" zur Belehrung und Erbauung über die religiösen Aspekte konzipiert wurde.

Aber dies entspricht einem Geschichtsbild von der islamischen Kultur, wie es sich als Möglichkeit, sicher nicht als ständig praktizierte Realität, bei genauerem Hinsehen abzeichnet Es bleibt zu hoffen, dass diese sich in selbstkritischer Erneuerung wieder definieren wird: als ein übergreifendes System, das zunehmend weitmaschig wird und in dem unterschiedliche Glaubensgemeinschaften und Lebensweisen lange nebeneinander bestehen bleiben und am gemeinsamen, vielseitigen Reichtum arbeiten. "Islamisch" wäre darin nicht die Religion, sondern die komplexe Gemeinschaft in gewissen gesellschaftlichen Organisationsformen und eben auch in Stilfragen .

Der Westen muss anerkennen, dass man die Welt - und die Kunst - mit anderen Augen betrachten kann als nur den eigenen. Es war als Grundtenor der Kulturplaner am Golf an die Adresse auch deutscher Museumsfachleute formuliert worden, dass man sich eine neue Kunstbetrachtung wünsche, mit arabischen Augen gesehen. Das hieße zum Beispiel eine andere Gewichtung und Kritik des Ornaments als Bedeutungsträger, nicht nur im Motiv, sondern als Ausdruck von Bewegung und Emotionen und damit als künstlerischer Auslöser von Gemütsveränderungen beim Betrachter. Auch eine andere Wahrnehmung der abendländischen Kunst als Kompositionsform eigener und fremder Motive und Ideen – etwa der Jugendstil als Öffnung des Abendlands für Konzepte orientalischer und japanischer Kunst – welche Parallelität des Übergreifens, der Flexibilität und der Aufnahmebereitschaft, jenseits vom Sarottimohren.

Claus-Peter Haase: Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Katalogisierung orientalischer Handschriften 1984 - 1998, Grabungsleiter in Syrien, Professor für islamische Kunst und Archäologie an der Uni Kopenhagen, seit 2001 Direktor des Museums für islamische Kunst – Staatliche Museen zu Berlin, seit 2004 Honorarprofessor FU Berlin.