Die neue TV Serie "Eichwald MdB"

Stories über die Fehlerhaften

Werbeplakat des ZDF-Serienhelden Eichwald, MdB
Werbeplakat des ZDF-Serienhelden Eichwald, MdB © dpa / picture alliance /Stephanie Pilick
Drehbuchautor Stuckmann & Regisseur Möhrke im im Gespräch mit Susanne Burg |
Das ZDF will das Feld der Fernsehserien nicht ganz den Amerikanern überlassen und setzt verstärkt auf eigene Produktionen, so wie mit "Eichwald MdB". Drehbuchautor Stefan Stuckmann erzählt, dass die deutsche Politik für die Serie dabei nicht ganz so leicht abzubilden war.
Susanne Burg: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland ist aufgewacht. Das ZDF will das Feld der Fernsehserien offensichtlich nicht ganz den Amerikanern, Briten und Skandinaviern überlassen und setzt auch verstärkt auf eigene Produktionen. Produktionen wie "Eichwald MdB", eine vierteilige Politsatire, die ab Donnerstag in ZDF Neo zu sehen sein wird und ab Ende Mai dann auch im ZDF. Im Zentrum steht der Bundestagsabgeordnete Hajo Eichwald, der zusammen mit seinen Büromitarbeitern ums Überleben im Haifischbecken Politik kämpft. Im Studio nun zwei Verantwortliche der Serie: der Drehbuchautor Stefan Stuckmann und der Regisseur Stefan Fabian Möhrke. Guten Tag!
Stefan Stuckmann: Guten Tag!
Fabian Möhrke: Guten Tag!
Burg: Hajo Eichwald ist ein Bundestagsabgeordneter mit vielen Jahren Erfahrung, eigentlich aber ohne Vision. Die Ideen der Mitarbeiter gehen auch häufig nach hinten los. Man könnte auch sagen, Hajo Eichwald ist cholerisch, humorfrei, berechnend, mittelmäßig und abgegessen. Würde ich so interpretieren. Ist er ein typischer Politiker?
Stuckmann: Ich hoffe nicht, nein. Einmal ist es genrebedingt natürlich so, dass man Geschichten immer über Leute erzählt, die irgendwie fehlerhaft sind und die Schwächen haben, weil sonst ist es tatsächlich langweilig. Insofern ist das schon mal die Grundbedingung, und ich glaube, man darf Hajo Eichwald eher als jemanden sehen, als einen Politiker, den es tatsächlich gibt in diesem Haus von 600 Leuten, die alle Abgeordnete sind. Aber ich glaube, es darf niemand sein, oder man darf ihn nicht als jemanden sehen, der tatsächlich stellvertretend für andere Politiker steht.
Burg: Und trotzdem hat man so ein bisschen den Eindruck, er ist ein Auslaufmodell. Er kommt mit der Zeit nicht mehr so richtig mit, mit irgendwelchen Facebook- oder anderen Social-Media-Kampagnen. Ist es da nicht doch ein bisschen so aus dem realen Leben, Politikleben gegriffen?
Stuckmann: Definitiv. Aber ich glaube, das ist nicht polittypisch, sondern das ist etwas, was viele Leute in der Gesellschaft heutzutage umtreibt oder jetzt generell ein großes Thema ist in einer Welt, die immer schneller wird, in der man immer öfter erreichbar wird, also diese ganze Debatte um Smartphones, um Facebook und Twitter, muss man da mitmachen, in welchem Maße muss man da mitmachen? Und dann spiegelt sich also wider diese auch schon ältere Frage, was verlangen wir eigentlich von unseren Politikern? Und ist es nicht zu viel, was wir verlangen? Und dafür steht natürlich Eichwald dann auch irgendwie exemplarisch.
Klamauk ist auch dabei
Burg: Wir verlangen zu viel von den Politikern. Fabian Möhrke, verlangen wir auch Idealismus in der Politik? Weil den scheint auch Hajo Eichwald nicht wirklich zu haben.
Möhrke: Ich glaube, dass er den tatsächlich auch eigentlich gar nicht braucht. Also, er soll ja Bedürfnisse der Bürger organisieren. Ich glaube, jetzt gerade bei Bernhard Schütz, der den Hajo Eichwald gespielt hat, der das, wie ich finde, sehr treffend formuliert hat. Er hat sich mit handfesten Dingen auseinanderzusetzen. Unser Eichwald ist eben immer am Rand der Überforderung. Er ist humorfrei, absolut nicht idealistisch, aber er ist trotzdem lustig. Und ich finde ihn sehr sympathisch, trotzdem.
Stuckmann: Ich glaube, das ist vielleicht auch eine falsche Erwartung, die man an Politiker setzt. Also wir haben uns im Vorfeld, als wir die Serie gemacht haben, haben wir uns irgendwie viel mit Politik beschäftigt, waren auch im Bundestag, haben uns das alles angeguckt. Ich bin auch mal eine Woche mitgelaufen bei einer Politikerin. Und was uns danach gefragt wurde, ist dieser Satz so: Wie ist das im Bundestag, trifft man da noch Leute, die wirklich idealistisch sind, die wirklich für ihre Themen brennen? Und wir haben alle während der Arbeit dann gemerkt, so, das ist eigentlich die falsche Frage, und das ist auch, glaube ich, die falsche Voraussetzung für diesen Politikerberuf, weil die Aufgabe des Politikers ist es ja quasi, Meinungen zu organisieren und Kompromisse zu finden, mit denen die Mehrheit leben kann. Und ich glaube, in dem Moment, wo man extrem idealistisch ist, dann darf man eben nicht Politiker sein, sondern dann muss man tatsächlich irgendwie in seinem eigenen Umfeld versuchen, sich politisch zu organisieren, aber nicht in politischen Strukturen, oder im besten Falle im weiteren Sinne politischen Strukturen. Also, dann muss man vielleicht einen Verein gründen oder eine Interessensgruppe und wirklich auf sein Umfeld einwirken. Und in dem Moment, wo man im Bundestag sitzt, ist es ja gerade nicht mehr die Aufgabe, andere Leute zu überreden, irgendwas zu machen, sondern zu gucken, was will das Volk, und zu versuchen, da irgendwie einen Standpunkt zu finden, mit dem alle irgendwie leben können.
Burg: Das ist ja alles sehr überzeichnet, das ist ja eben auch Satire, klar. Bei einer Folge, am Ende, zerschreddert ein Büromitarbeiter aus Wut Krawatten und Eichwald greift ein. Das ist schon sehr, fast klamaukig, sehr lustig. Ist auch ein sehr böses Bild von der Politik. Wo waren für Sie auch Grenzen? Also wie viel Böses, wie viel Klamauk durfte sein?
Möhrke: Also die Maßgabe war eigentlich immer, dass man es im Zweifelsfall tatsächlich noch glauben kann. Überzeichent okay, aber unter so hohem Druck und unter dem Einfluss von so vielen verschiedenen Interessen, sind die Entscheidungswege, also die Entscheidungsfindungsprozesse manchmal so absurd, dass die an sich schon komisch sind. Und ab und zu geht irgendwo mal ein Ventil auf, und dann wird ein bisschen Dampf abgelassen. Und in dem Fall – also, Eichwald greift in dieser Szene ein, weil es ja seine Krawatten sind, die da geschreddert werden.
Burg: Und wie wichtig war in dem Zusammenhang auch die Sprache? Diese Szene, die wir eingangs gehört haben, wo dann auch diese ganze Fußball-Metaphorik mit rein kommt, die kann man ja auch wirklich glauben, weil in der Politik ja gerne mal solche Bilder benutzt werden.
Stuckmann: Das ist natürlich auch für jeden irgendwie ein spannendes Feld. Also in der Inszenierung wie fürs Schauspiel genau wie beim Schreiben. Dieser Politiker-Sprech oder generell diese Art zu sprechen, die sich sehr an der Straße orientiert, an so einer gefühlten Mehrheit in der Bevölkerung, was sich auch oft bei Fußballern findet, deswegen ist das da eine interessante Brücke, die man schlagen kann. Also Worte zu finden, von denen Politiker denken oder von denen Menschen denken, okay, der Mann auf der Straße sagt so, hey, hier fühle ich mich angesprochen.
Burg: Es gibt ja auch amerikanische, britische Serien, die sich in diesem Bereich tummeln, Polit-Comedies, oder "The Thick of It" werden auch vom ZDF sogar genannt. Wie sehr haben Sie sich denn daran orientiert, und wie haben Sie dann letztendlich daraus eine deutsche Serie gemacht?
Politik ist in Deutschland sehr pragmatisch und nüchtern
Stuckmann: Es gibt so, glaube ich, fünf, sechs politische Serien, die wir, also die so in den letzten 30 Jahren stattgefunden haben, die uns alle irgendwie beeinflusst haben. Wenn man jetzt drauf schaut, ist "The Thick of It" das, was am Nächsten an uns dran ist. Dann gibt es aber auch so Sachen wie "Yes, Minister", das teilweise aus den 80ern ist, was wiederum eine indirekte Vorlage war für "The Thick of It", wo es tatsächlich mehr um quasi den bürokratischen Apparat geht, der irgendwie der Politik das Leben schwer macht. In "The Thick of It" und "Veep", die ja beide von derselben Autorengruppe gemacht wurden, geht es tatsächlich mehr um den Widerstand, der so aus der Presse kommt. Also die Erschwernisse, die sich aus diesem 24/7-News-Cycle für die Politik ergeben. Dann gibt es Sachen wie "The West Wing", die einfach sehr schnell erzählt sind, was für uns eine tolle Vorlage war. Und jetzt, zuletzt so was wie "House of Cards" einfach eine Umgebung, die sehr naturalistisch erzählt wird und in der wirklich konstant Druck ist für die Figuren.
Burg:!! Ist aber interessant, dass letztendlich dann in Deutschland die Politsatire gezeigt wird. Kann man in Deutschland dann letztendlich leichter, ich sag mal überspitzt, Karikaturen von Politikern verkaufen, durchsetzen?
Stuckmann: Ja. Wir haben in Deutschland tatsächlich den Vorteil und den Nachteil, dass Politik sehr viel pragmatischer und nüchterner ist. Ich glaube, das ist politisch ein Vorteil, weil – also das war zum Beispiel vor inzwischen drei Jahren, als ich im Bundestag mitgelaufen bin, um zu recherchieren, war es wieder so, dass in den USA sich die verschiedenen Fraktionen im Abgeordnetenhaus die Köpfe eingeschlagen haben, weil es ums Budget ging und um alles Mögliche andere, und man wirklich, sich beide Seiten überhaupt nicht einig werden konnten. Und währenddessen war ich im Bundestag, und es war das komplette Gegenteil, und man hatte den Eindruck, letztendlich kann jeder mit jedem irgendwie reden und arbeiten, selbst wenn man sich vor der Kamera nicht mag, ist es hinter der Kamera ganz anders. Und es ist einfach ein extrem konstruktives, aber auch extrem nüchternes und dadurch auch irgendwie ein bisschen langweiliges Miteinanderauskommen und -arbeiten. Und ich glaube, das ist, um Politik zu organisieren oder um Demokratie zu organisieren, sehr viel angenehmer, das so zu machen. Auf der anderen Seite taugt es natürlich viel weniger zum dramatischen Geschichtenerzählen.
Möhrke: Bei uns ging es eher darum, dass der Zuschauer überfordert wird hier und da. Man kennt es: Man wird rein geführt in eine Geschichte, man hat Zeit nachzudenken, man kriegt auch gerade im deutschen fiktionalen Fernsehen sehr oft, wie ich finde, Informationen, die man, wenn man ein bisschen hin guckt – die sich aus dem Kontext erschließen. Solche Sachen hat Stefan in den Büchern einfach komplett weggelassen. Wir werden reingeschmissen und los geht es. Und man kann eben nicht zwischendurch Pinkeln gehen oder Bügeln, man muss eben zugucken.
Burg:!! "Eichwald MdB" – das ist die neue vierteilige Politserie, die ab Donnerstag vier Wochen lang bei ZDF Neo zu sehen sein wird, ab 22:45 Uhr, und ab Ende Mai dann auch im ZDF. Darüber gesprochen habe ich mit dem Drehbuchautor Stefan Stuckmann und dem Regisseur Fabian Möhrke. Vielen Dank für Ihren Besuch!
Möhrke: Danke schön!
Stuckmann: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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