Die "Neuen Wilden" im Städel Museum

Malerische Ekstase

Ein Mann blickt am 21.07.2015 in der Kunstausstellung "Die 80er. Figurative Malerei in der BRD" im Städel Museum in Frankfurt am Main auf die Kunstwerke "Babylon" (l) und "Sumokämpfer blau" von dem Berliner Maler Salomé.
Die Werke "Babylon" (l) und "Sumokämpfer blau" von dem Berliner Maler Salomé in der Kunstausstellung "Die 80er. Figurative Malerei in der BRD" im Städel Museum in Frankfurt am Main. © picture alliance / dpa / Christoph Schmidt
Von Rudolf Schmitz |
In den frühen achtziger Jahren verursachten die sogenannten Neuen Wilden eine regelrechte Explosion der Malerei. Die Städel-Ausstellung "Die 80er" beweist, wie nach Konzeptkunst und Minimal Art wieder in Farbe geschwelgt werden durfte.
"Die Musik war nur ein weiterer Motor fürs Malen. Das hat für die Geschwindigkeit gesorgt, für die Ekstase beim Malen. Da hat Punk sehr geholfen …"
Der Berliner Maler Salomé muss es wissen. Gemeinsam mit Luciano Castelli spielte er in einer eigenen Band, die sich "Geile Tiere" nannte. Der bewusste Dilettantismus vieler Punk-Musiker spiegelt sich auch in den auf die Leinwand gefetzten Bildern der Berliner Maler vom Moritzplatz. Helmut Middendorf malt den Sänger von Clash, der mit gespreizten Beinen grade den Mikrofonständer bearbeitet, Rainer Fetting lässt van Gogh wütend vor der Berliner Mauer gestikulieren. Bilder, die den Zeitgeist spiegeln: Hemmungslose Selbstdarstellung, nackte Körper, Homoerotik, Nächte voller Musik und Drogen, neue und alte Identitäten. Doch die Ausstellung im Frankfurter Städel-Museum versteht sich nicht als Nostalgie-Veranstaltung. Sie hat anderes im Sinn.
"Ich glaube uns ist aufgefallen, dass tatsächlich diese Malerei - das klingt jetzt negativ, ist aber positiv gemeint – museumsreif ist, dass wir jetzt genügend Abstand haben, um zu verstehen, was die Qualitäten sind."
Kurator Martin Engler will nicht nur zeigen, dass die "Jungen Wilden" von Berlin, von Köln und Hamburg die totgesagte Malerei wieder belebten und zu neuer Blüte brachten. Er will die Sache kunsthistorisch einordnen, will beweisen, dass die sogenannte Heftige Malerei sich mit der Kunst der 60er- und 70er-Jahre auseinandersetzte. Zum Beispiel mit der informellen Malerei, in den Bildern von Bernd Zimmer oder Gabriele Lina Gabriel, mit ihren Stadtansichten von Berlin.
Auch Frauen unter den "Neuen Wilden"
"Mein Atelier war damals am Karlsplatz, das ist 100 Meter vom Potsdamer Platz entfernt, wo man direkt auf die Mauer sieht und wo man einen Blick hat vom Potsdamer Platz bis zum Alexanderplatz, deshalb auch der Fernsehturm. Und dieses Bild wurde gemalt wo die Sonne grade aufgeht, um vier Uhr morgens, und da sieht man eben diese Brache des Kalten Krieges und diese Fläche, die da vor liegt – eine sehr spannende Situation."
Überhaupt macht diese Ausstellung klar, dass es bei den Neuen Wilden durchaus auch Frauen gab: Eine weitere Entdeckung ist Bettina Semmer, die eine Zeit lang mit Albert Oehlen zusammen gearbeitet hat. Und dann erleben musste, als vermeintliche Epigonin, dass sie zurück stehen sollte, wegen eines zu "ähnlichen" Stils.
"Wer ist jetzt das Original und wer die Fälschung, das war ja damals die falsche Wahrnehmung. Dass ich so male wie Albert und ich musste meinen Stil ändern. Das wurde mir gesagt, von Galeristen, sogar von einer Galeristin. Aber das zeigt ja die Kunstgeschichte immer wieder, man weiß nicht, wer es zuerst gemacht hat und manche Ideen hängen auch einfach in der Luft."
Die Ausstellung im Frankfurter Städel-Museum will Kunstgeschichte schreiben. Doch die Auswahl der Bilder ist zu halbherzig. Es gibt vieles, was heute eher wie Eintagsfliege wirkt: Ina Barfuss, Thomas Wachweger, Elvira Bach oder Gerhard Naschberger.
Auf der Suche nach Schutz vor politischer Naivität
Anders allerdings die Hamburger Maler Martin Kippenberger, Werner Büttner oder Albert Oehlen. Sie beschäftigen sich unaufhörlich, geradezu manisch mit der Frage: Was ist ein richtiges Bild, was ist ein falsches, wie können wir uns vor künstlerischer und politischer Naivität schützen? Und die stärksten Bilder dieser Ausstellung kommen von ihnen: "Führerhauptquartier" von Albert Oehlen oder "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken" von Martin Kippenberger. Da wird auf provokante Art mit politischen Inhalten jongliert, und die Malerei bewegt sich in einem gewagten Spagat zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Diese Maler malen die Skepsis am Bild gleich mit ins Bild hinein – heute noch Thema in der Malerei.
Der "Hunger nach Bildern", wie das damals genannt wurde, lässt sich im Frankfurter Städel-Museum noch einmal erleben. Aber eine deutlichere Unterscheidung zwischen Fast Food und Slow Food wäre wünschenswert. Salomé jedenfalls, eigens zur Ausstellung angereist, freut sich über die große Gruppenausstellung in Frankfurt. Und genießt das Wiedersehen mit den eigenen Bildern:
"Ein wunderbares Gefühl, weil ich ja manche Bilder seit über 30 Jahren nicht mehr live vor mir gesehen habe, und es ist dann wie wenn die Familie nach Hause kommt und man endlich wieder einmal genau hinschauen kann …"
Webseite zur Ausstellung "Die 80er. Figurative Malerei in der BRD" im Städel Museum Frankfurt (22.7.-18.10.2015)

In der Sendung "Im Gespräch" vom 22. Juli 2015 gibt die Malerin Elvira Bach Einblick in ihr Arbeiten und Leben.

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