Die Neuerfindung von Worpswede
"Künstler-Träumer-Vionär" - unter diesem Motto zeigen die vier großen Museen im Künstlerdorf Worpswede eine große Gemeinschaftsausstellung über den Künstler und Mitbegründer der Künstlerkolonie, Heinrich Vogeler. Die große Werkschau leitet eine neue Form der Zusammenarbeit als Museumsverbund ein.
Solch ein lauer Sommerabend könnte einem schon gefallen! Mit guten Freunden auf der Terrasse eines noblen Landhauses sitzen, an deren Brüstung zart duftende Heckenrosen ranken. So hat Heinrich Vogeler 1905 einen "Sommerabend" auf seinem "Barkenhoff" in Worpswede gemalt. Doch halt: Da stimmt was nicht.
Beate Arnold: "Dieses Bild zeigt nämlich sowohl eine Idylle, aber auch schon einen Bruch, der sich in den Gesichtern der Protagonisten, die sich auf der Terrasse des Barkenhoffs eingefunden haben, abzeichnet. Es ist keine fröhliche Runde, wie man sie um 1900 auf dem 'Barkenhoff' in den legendären Festen im 'Weißen Saal' feierte. Sondern es ist wirklich schon die Erstarrung, und es ist dokumentarisch, dass eben dort die Krise beginnt."
Beate Arnold hat im "Barkenhoff" einen Teil der opulenten Ausstellung "Künstler - Träumer - Visionär" kuratiert. 300 Exponate, darunter 130 Gemälde, verteilt auf vier Häuser, die nun einen Museumsverbund bilden. Soviel Vogeler war noch nie, und möglich geworden ist das nur, weil sich das Künstlerdorf mit Hilfe eines neun Millionen Euro schweren "Masterplan Worpswede" neu präsentiert. Planung, Didaktik und Design der Ausstellungen will das Quartett nun gemeinsam konzipieren.
Auch wenn nicht alle Häuser dabei sind, sollen Eigenbröteleien und Rivalitäten nun der Vergangenheit angehören, hofft Verbund-Geschäftsführer Andreas Jäger.
"Alles ist erneuert worden, modernisiert, erweitert. Wir können mehr Museum zeigen, wir können mehr Kunst zeigen, und auch das wird die Menschen anlocken."
Das vielschichtige Werk von Heinrich Vogeler ist dazu gewiss geeignet. 1905, als der rätselhafte "Sommerabend" entsteht, droht Vogelers Ehe mit Martha, die er wieder und wieder als ätherische Göttin in fließenden Gewändern porträtiert hat, zu scheitern. Der stimulierende Rausch der innig gepflegten Künstlerfreundschaften auf dem "Barkenhoff" ist ebenfalls verflogen. Und Vogelers Stil steht auf dem Prüfstand.
Beate Arnold: "Er findet seinen malerischen Stil nicht, und diese Art der angewandten Kunst und eben der Architektur hilft ihm im Grunde weiter, um das zu tun, was er immer versucht hat zu machen, nämlich mit seiner Kunst das Leben zu verschönern."
Aufgebrochen war Vogeler als Künstler des Jugendstils, mit feiner Feder hatte er mittelalterliche Minneszenen und sublime Buchillustrationen für Dornröschen und Co. geschaffen. Nun wendet er sich Architektur und Design zu.
Für die Kleinbahn zwischen Osterholz und Worpswede entwirft er 1909 die Bahnhöfe - reich gegliederte, mit Sprossenfenstern geschmückte Zweckbauten. Das Stationsgebäude von Worpswede ist bis heute erhalten. Dann reißt ihn der Erste Weltkrieg fort aus dem Moor. Unteroffizier Vogeler mutiert zum Ankläger, schickt dem Kaiser sogar ein pazifistisches "Märchen vom lieben Gott". Der Autor wird für verrückt erklärt und eine Zeit lang unter Hausarrest gestellt.
Sein "Barkenhoff" wird Treffpunkt für allerhand Revolutionäre und Weltverbesserer. Der Künstler entwirft Terrassen für den Tomatenanbau, hält seine Mitstreiter in Gemälden und Zeichnungen fest.
1923 schließlich reist Vogeler mit seiner zweiten Frau Sonja Marchlewska in die Sowjetunion. Er besucht entfernte Sowjetrepubliken und hält seine Eindrücke in Reisebildern fest. Vogeler erfindet das "Komplexbild" - farbintensive Ölgemälde, gedacht als Entwürfe für Wandbilder. Fünfzackige Sowjetsterne zerlegen wie leuchtende Prismen die Komposition, der Künstler scheint von der Wucht revolutionärer Umwälzungen geradezu überwältigt.
"Eine große Rolle spielt in den Komplexbildern der Aufbau der Sowjetunion vom Agrarstaat zum Industriestaat, von dem ländlichen Leben zur Industrie."
Hunger, Armut und Gewalt kommen in Vogelers Sowjetimpressionen nicht vor. Einflüsse der russischen Avantgarde, der Konstruktivisten oder Futuristen, etwa Spuren von Kasimir Malewitsch, David Burliuk oder Natalja Gontscharowa sind in Vogelers "Komplexbildern" nicht zu entdecken. Mit wachem Auge saugt er Eindrücke des Alltags auf - und bleibt doch Zaungast einer ihm fremden Welt.
Beate Arnold: "Er hat diese Bilder dann auch noch abfotografiert und hat sie als handkolorierte Diapositive für Vorträge genutzt, die er, zurückkehrend nach Deutschland, in unterschiedlichen Städten gehalten hat unter dem Motto: 'Die Wahrheit über Sowjetrussland', und daran kann man also ganz schön sehen, was das mit den Komplexbildern auf sich hat."
Heinrich Vogeler - "Künstler, Träumer und Visionär". Das ist eine gelungene Generalprobe für 2014, wenn das Künstlerdorf seinen 125. Geburtstag feiert.
Beate Arnold: "Dieses Bild zeigt nämlich sowohl eine Idylle, aber auch schon einen Bruch, der sich in den Gesichtern der Protagonisten, die sich auf der Terrasse des Barkenhoffs eingefunden haben, abzeichnet. Es ist keine fröhliche Runde, wie man sie um 1900 auf dem 'Barkenhoff' in den legendären Festen im 'Weißen Saal' feierte. Sondern es ist wirklich schon die Erstarrung, und es ist dokumentarisch, dass eben dort die Krise beginnt."
Beate Arnold hat im "Barkenhoff" einen Teil der opulenten Ausstellung "Künstler - Träumer - Visionär" kuratiert. 300 Exponate, darunter 130 Gemälde, verteilt auf vier Häuser, die nun einen Museumsverbund bilden. Soviel Vogeler war noch nie, und möglich geworden ist das nur, weil sich das Künstlerdorf mit Hilfe eines neun Millionen Euro schweren "Masterplan Worpswede" neu präsentiert. Planung, Didaktik und Design der Ausstellungen will das Quartett nun gemeinsam konzipieren.
Auch wenn nicht alle Häuser dabei sind, sollen Eigenbröteleien und Rivalitäten nun der Vergangenheit angehören, hofft Verbund-Geschäftsführer Andreas Jäger.
"Alles ist erneuert worden, modernisiert, erweitert. Wir können mehr Museum zeigen, wir können mehr Kunst zeigen, und auch das wird die Menschen anlocken."
Das vielschichtige Werk von Heinrich Vogeler ist dazu gewiss geeignet. 1905, als der rätselhafte "Sommerabend" entsteht, droht Vogelers Ehe mit Martha, die er wieder und wieder als ätherische Göttin in fließenden Gewändern porträtiert hat, zu scheitern. Der stimulierende Rausch der innig gepflegten Künstlerfreundschaften auf dem "Barkenhoff" ist ebenfalls verflogen. Und Vogelers Stil steht auf dem Prüfstand.
Beate Arnold: "Er findet seinen malerischen Stil nicht, und diese Art der angewandten Kunst und eben der Architektur hilft ihm im Grunde weiter, um das zu tun, was er immer versucht hat zu machen, nämlich mit seiner Kunst das Leben zu verschönern."
Aufgebrochen war Vogeler als Künstler des Jugendstils, mit feiner Feder hatte er mittelalterliche Minneszenen und sublime Buchillustrationen für Dornröschen und Co. geschaffen. Nun wendet er sich Architektur und Design zu.
Für die Kleinbahn zwischen Osterholz und Worpswede entwirft er 1909 die Bahnhöfe - reich gegliederte, mit Sprossenfenstern geschmückte Zweckbauten. Das Stationsgebäude von Worpswede ist bis heute erhalten. Dann reißt ihn der Erste Weltkrieg fort aus dem Moor. Unteroffizier Vogeler mutiert zum Ankläger, schickt dem Kaiser sogar ein pazifistisches "Märchen vom lieben Gott". Der Autor wird für verrückt erklärt und eine Zeit lang unter Hausarrest gestellt.
Sein "Barkenhoff" wird Treffpunkt für allerhand Revolutionäre und Weltverbesserer. Der Künstler entwirft Terrassen für den Tomatenanbau, hält seine Mitstreiter in Gemälden und Zeichnungen fest.
1923 schließlich reist Vogeler mit seiner zweiten Frau Sonja Marchlewska in die Sowjetunion. Er besucht entfernte Sowjetrepubliken und hält seine Eindrücke in Reisebildern fest. Vogeler erfindet das "Komplexbild" - farbintensive Ölgemälde, gedacht als Entwürfe für Wandbilder. Fünfzackige Sowjetsterne zerlegen wie leuchtende Prismen die Komposition, der Künstler scheint von der Wucht revolutionärer Umwälzungen geradezu überwältigt.
"Eine große Rolle spielt in den Komplexbildern der Aufbau der Sowjetunion vom Agrarstaat zum Industriestaat, von dem ländlichen Leben zur Industrie."
Hunger, Armut und Gewalt kommen in Vogelers Sowjetimpressionen nicht vor. Einflüsse der russischen Avantgarde, der Konstruktivisten oder Futuristen, etwa Spuren von Kasimir Malewitsch, David Burliuk oder Natalja Gontscharowa sind in Vogelers "Komplexbildern" nicht zu entdecken. Mit wachem Auge saugt er Eindrücke des Alltags auf - und bleibt doch Zaungast einer ihm fremden Welt.
Beate Arnold: "Er hat diese Bilder dann auch noch abfotografiert und hat sie als handkolorierte Diapositive für Vorträge genutzt, die er, zurückkehrend nach Deutschland, in unterschiedlichen Städten gehalten hat unter dem Motto: 'Die Wahrheit über Sowjetrussland', und daran kann man also ganz schön sehen, was das mit den Komplexbildern auf sich hat."
Heinrich Vogeler - "Künstler, Träumer und Visionär". Das ist eine gelungene Generalprobe für 2014, wenn das Künstlerdorf seinen 125. Geburtstag feiert.