Die Neuordnung der franzöischen Kolonialpolitik

Von Ruth Jung |
Die 1627 gegründete französische Handelsgesellschaft "Compagnie de la Nouvelle France" wollte Siedler für Nordamerika anwerben und erhielt dafür ein Handelsmonopol. Unzufrieden mit den Fortschritten in der neuen Welt löste König Louis XIV. die inzwischen bankrotte Compagnie 1663 auf und unterstellte die Kolonie damit direkt der Krone.
Der franko-kanadische Chansonnier Félix Leclerc besingt die "Colons", die ersten französischen Siedler in Québec. Selbstbewusst verteidigen Franko-Kanadier heute ihre Sprache und Kultur, viele fordern gar einen eigenen Staat. Dabei waren die Anfänge der französischen Besiedlung im 16. Jahrhundert nicht eben vielversprechend. Für die Berichte des Seefahrers Jacques Cartier, der 1535 als erster Franzose das Gebiet um den Sankt-Lorenz-Strom bereist hatte, interessierte man sich in Frankreich zunächst nicht sonderlich. In einem Brief an den Hof schrieb Cartier:

"Nach allem, was wir sehen konnten, habe ich den Eindruck, dass dieses Volk leicht zu unterwerfen wäre."

Indianer vom Stamm der Huronen hatten Cartier gastfreundlich aufgenommen.

Dass in der "neuen Welt" begehrte Rohstoffe zu holen wären, erkannte man in Frankreich erst durch die Reiseberichte von Samuel de Champlain Anfang des 17. Jahrhunderts. Ein Wettlauf unter den europäischen Mächten um die amerikanischen Territorien setzte ein, wobei deren Bewohner als Wilde galten, die man zivilisieren musste. 1625 kamen die ersten Jesuiten in das Nouvelle France getaufte Territorium. 1627 wurde, angeregt von Kardinal Richelieu, die Compagnie de la Nouvelle France gegründet, auch Compagnie des Cent Associés, der hundert Assoziierten, genannt. Eine Kapitalgesellschaft vermögender Kaufleute, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Siedler anzuwerben und den transatlantischen Pelz- und Fellhandel zu organisieren, wobei ihnen das von König Louis XIII. verliehene Privileg ein Monopol sicherte.

"Der Pelzhandel ließ ein Regime der Monopole entstehen, das die Finanzierung weiterer Expeditionen und Kolonisierung möglich machte."

schreibt der Historiker Philippe Jacquin in einer Geschichte der nordamerikanischen Ureinwohner. Während Franzosen Huronen und Algonquins auf ihre Seite brachten, verbündeten sich englische Siedler mit den als besonders kriegerisch geltenden Irokesen. Schon vor der Ankunft der Europäer hatte es unter den verschiedenen Stämmen Konflikte gegeben, doch nun nutzten die Neuankömmlinge diese Gegnerschaften für ihre Zwecke, verwickelten die Indianer in die Siedlerkriege und zwangen sie zu sklavenähnlichen Arbeiten.

"Ein für den Indianer brutaler Zustand trat ein: er, der nur gejagt hatte, um das Lebensnotwendige zu beschaffen, fand sich nun plötzlich inmitten einer Gesellschaft wieder, in der das Konkurrenz-Prinzip herrschte."

1629 waren die wenigen Siedler Québecs nach einem englischen Überfall verjagt worden. Erst drei Jahre später kehrten Franzosen dorthin zurück. Zahlenmäßig aber blieben die Engländer den Franzosen immer überlegen. Denn der Compagnie de la Nouvelle France gelang es nicht, wie in ihren Statuten festgehalten, jährlich mindestens 4000 Neusiedler zu gewinnen und Ende 1662 war sie schließlich hoch verschuldet.

In Frankreich herrschte Louis XIV. als absolutistischer König, ihm war die zunehmende Selbstständigkeit der Siedler suspekt: Am 24. Februar 1663 entzog er der Compagnie das von seinem Vorgänger verliehene Privileg und verfügte die Neuordnung der Kolonialpolitik. Französisch-Kanada wurde eine Kronkolonie. Privatunternehmer und Abenteurer, die bis dahin die Kolonisierung Kanadas dominiert hatten, wurden zurückgedrängt. Finanzminister Jean-Baptiste Colbert baute eine leistungsfähige Administration auf; an die Stelle des Conseil de Québec, eine Form der Selbstverwaltung der Siedler, trat nun der Conseil Souverain, der direkt dem König unterstand.
Hundert Jahre später, am Ende des Siebenjährigen Krieges um die Vorherrschaft in Nordamerika, musste Frankreich im Frieden von Paris am 10. Februar 1763 Kanada an England abtreten. In einem kritischen Reisebericht lässt der Philosoph und Aufklärer Baron de La Hontan einen Indianer zu Wort kommen, der den gescheiterten französischen Siedlern den Spiegel vorhält:

"Ich bin mein eigener Herr, verfüge über mich selbst, tue, was ich will ; ich bin der erste und letzte meiner Nation, fürchte nichts und niemanden, gehorche einzig und allein dem Großen Geist, während Ihr doch Sklaven seid, abhängig und untertan einem König, der über Euren Geist und Euren Körper verfügt ( ... )"