Die Nibelungen als Fantasy-Märchen
Der Chef der Festspiele in Worms, Dieter Wedel, bastelt sich seine Nibelungensage falsch herum und beginnt mit Siegfrieds Tod. Warum er so vorgeht, erschließt sich nicht. Überhaupt ist die gesamte Inszenierung dermaßen üppig geraten, dass sie das Stück zu erdrücken droht.
Immer nur aufs Neue die Nibelungen, das ist nicht einfach. Vor allem, wenn fast immer der Festivalchef Dieter Wedel persönlich inszeniert. So gab es in den letzten drei Jahren ein Stück über den Stauffer Friedrich II. als szenische Improvisation über die Zeit, in der das Nibelungenlied entstanden ist, und zwei Stücke von Wedel und Joshua Sobol über Joseph Süß Oppenheimer, genannt Jud Süß. Nun aber machte sich Wedel, der nur zweimal andere Regisseure an die Nibelungen heran ließ - wobei Karin Beier mit Hebbel imponierte und Gil Mehmert eine so unterhaltsame wie unerhebliche Nibelungenkomödie von John von Düffel ordentlich arrangierte.
Nun aber, wo mittlerweile über den roten Teppich vor dem Festivalgelände nicht mehr wie zu Beginn der Festspiele im Jahr 2002 wirkliche Prominenz, sondern nur allerlei Models und einstige Prominente paradierten, versuchte sich Dieter Wedel wieder an den Nibelungen - von Hebbel. Doch etwas Neues, den Text aufschließendes, die Figuren uns fern rückendes oder nah bringendes, also etwas Konzeptionelles, das die Dringlichkeit der Inszenierung begründete, fiel ihm nicht ein.
Nur eine neue Form wurde angekündigt: Die Nibelungen als Fantasy-Märchen, als großes Licht-, Ton-, Gesangs- und Qualmspektakel. Mit einem Nibelungen, der wie ein schmächtiger Blondie-Popstar auf der Bühne vor dem Westchor des Doms im bunten Gerangel fast unterging. Auch, weil er gleich zu Beginn ermordet wird. Denn alles beginnt in Dieter Wedels Nibelungenversion nach Hebbel am Ende: mit Siegfrieds Tod.
Durch den schweren Matsch auf der Bühne schreitet der schwarze Hagen zum Slogan "Kämpft bis zum letzten Mann" hin zum tödlichen Showdown für Siegfried. Ein Priester, schwarzumrändert die Augen, schleppt das christliche Kreuz voran, das Brunhilds den alten Göttern anhängende Amme Frigga, ganz im drohenden Rot und ebenfalls mit wirr heftigem Gebaren, ihm entreißt und ins Feuer wirft. Das brennt auf kleiner Flamme vor einem dreigeschossigen, offenen Holzturm, von dem herab Brunhild dem Geschehen folgt.
Warum Wedel sich seinen Hebbel so andersherum zusammenbastelt, warum er die ersten beiden Abteilungen von Hebbels Werk ("Der gehörnte Siegfried" und "Siegfrieds Tod") wie einen Werkkasten benutzt, wird nicht deutlich. Zwar betont er den bei Hebbel vorhandenen, in Inszenierungen aber meist nur angedeuteten Konflikt zwischen alter und neuer Religion als konstituierend für die Fremdheit Brunhildes, doch das wird arg klischeehaft und veräußerlichend dargestellt.
Das avisierte Fantasymärchen und große Spektakel bleiben im Schlamm stecken, der die Bühne bedeckt. Unentwegt müssen Bretter für Auftritte gelegt und Requisiten herbeigeschleppt werden, sodass oftmals der Spannungsatem oft schon verweht ist, bevor die Spielszenen und Dialoge überhaupt beginnen. Ein Spektakel ist das nicht.
Ob die mit ihren federbewehrten Helmen eher skurril wirkende Mannschaft Siegfrieds sich auf der Bühne aufreiht und dabei ganz kurz auch einmal vier Pferde zum Einsatz kommen, ob Lieder gesungen oder Filme eingespielt werden, ob der trommelnde Live-Musiker kräftige Musik beisteuert, - Tempo, verblüffende Effekte, wahre Spannung entwickelt diese Inszenierung nicht. Sie erzählt so vor sich hin, hat Einfälle. So zieht Brunhild Gunther bei ihrem Einzug am Wormser Hof an einer Eisenkette durch den Schlamm hinter sich her, - eine Szene, die psychologisch überhaupt nicht funktioniert. Und Wedel gibt Hagen einmal gleich zwei Trompeten zum tröten oder setzt ihm eine rote Nase auf, und er lässt Cosma Shiva Hagens Kriemhild nach Siegfrieds frühem Tod mit dem Song "You and I have born to die" über eine Showtreppe auf die Bühne und von ihr ab treten.
So buchstabiert Wedels Inszenierung die alte Geschichte nur effekthascherisch als eine nachgeholte Erzählung für Etzels Brautwerber dahin, der vom schlimmen Klima am Hof verblüfft ist und nun für uns die Geschichte bis zu Siegfrieds Tod vorgespielt bekommt.
Mit einer Endvariation, denn vorm zweiten Tod von Siegfried muss Brunhilde Kleist gelesen haben: Nun trauert sie um den zugleich gehassten wie ersehnten toten Siegfried, indem sie sich in dessen Körper und Blut hineinwühlt.
Es ist merkwürdig: Zwar wirkt die Inszenierung bieder plakativ mit ihren szenischen Behauptungsbildern, und doch gelingen einigen Schauspielern Momente von klarer bis eindringlicher Figurencharakterisierung. Cosma Shiva Hagen zeigt Kriemhild als jungmädchenhaft fröhliches Klischee, Kathrin von Steinburgs Brunhild verspinnt sich in energisch düster suchender Wut, und Susanne Uhlens Ute wirkt wie ein ruhender schauspielerischer Pol im aufgedrehten Geschehen. Bernd Michael Lade gibt Gunther vor allem als unsicher Zweifelnden, vermag der Figur aber nicht die von Wedel angekündigte entscheidende neue Nuance von Menschlichkeit zu geben, während Lars Rudolph seinen Hagen souverän und etwas eindimensional als ehernen Macher und Bösewicht spielt.
Aber dazwischen dann wieder so viel Gerenne, so viel Getue. Und Filmeinspielungen. Die vermochten in Wedels früheren Nibelungen-Inszenierungen das Geschehen voran zu treiben, diesmal wirken auch sie vor allem illustrativ. Kabarettistisch gelungen immerhin eine Kirchenszene, in der König Gunthers Kämpferschar sich aus dem Gottesdienst im Film hinaus auf die Bühne begibt, um hier Wein und Weib im Volkstheaterstil zu frönen.
So schlingert die Inszenierung bis nach Mitternacht auftrumpfend und zugleich unsicher dahin. Da machte es nicht viel, dass ich einmal vor Schluss kurz aus der live vom SWR-Fernsehen übertragenen Inszenierung aussteigen musste. Denn über drei Stunden leer auftrumpfendes Unterhaltungstheater, - das zog sich doch arg.
Nun aber, wo mittlerweile über den roten Teppich vor dem Festivalgelände nicht mehr wie zu Beginn der Festspiele im Jahr 2002 wirkliche Prominenz, sondern nur allerlei Models und einstige Prominente paradierten, versuchte sich Dieter Wedel wieder an den Nibelungen - von Hebbel. Doch etwas Neues, den Text aufschließendes, die Figuren uns fern rückendes oder nah bringendes, also etwas Konzeptionelles, das die Dringlichkeit der Inszenierung begründete, fiel ihm nicht ein.
Nur eine neue Form wurde angekündigt: Die Nibelungen als Fantasy-Märchen, als großes Licht-, Ton-, Gesangs- und Qualmspektakel. Mit einem Nibelungen, der wie ein schmächtiger Blondie-Popstar auf der Bühne vor dem Westchor des Doms im bunten Gerangel fast unterging. Auch, weil er gleich zu Beginn ermordet wird. Denn alles beginnt in Dieter Wedels Nibelungenversion nach Hebbel am Ende: mit Siegfrieds Tod.
Durch den schweren Matsch auf der Bühne schreitet der schwarze Hagen zum Slogan "Kämpft bis zum letzten Mann" hin zum tödlichen Showdown für Siegfried. Ein Priester, schwarzumrändert die Augen, schleppt das christliche Kreuz voran, das Brunhilds den alten Göttern anhängende Amme Frigga, ganz im drohenden Rot und ebenfalls mit wirr heftigem Gebaren, ihm entreißt und ins Feuer wirft. Das brennt auf kleiner Flamme vor einem dreigeschossigen, offenen Holzturm, von dem herab Brunhild dem Geschehen folgt.
Warum Wedel sich seinen Hebbel so andersherum zusammenbastelt, warum er die ersten beiden Abteilungen von Hebbels Werk ("Der gehörnte Siegfried" und "Siegfrieds Tod") wie einen Werkkasten benutzt, wird nicht deutlich. Zwar betont er den bei Hebbel vorhandenen, in Inszenierungen aber meist nur angedeuteten Konflikt zwischen alter und neuer Religion als konstituierend für die Fremdheit Brunhildes, doch das wird arg klischeehaft und veräußerlichend dargestellt.
Das avisierte Fantasymärchen und große Spektakel bleiben im Schlamm stecken, der die Bühne bedeckt. Unentwegt müssen Bretter für Auftritte gelegt und Requisiten herbeigeschleppt werden, sodass oftmals der Spannungsatem oft schon verweht ist, bevor die Spielszenen und Dialoge überhaupt beginnen. Ein Spektakel ist das nicht.
Ob die mit ihren federbewehrten Helmen eher skurril wirkende Mannschaft Siegfrieds sich auf der Bühne aufreiht und dabei ganz kurz auch einmal vier Pferde zum Einsatz kommen, ob Lieder gesungen oder Filme eingespielt werden, ob der trommelnde Live-Musiker kräftige Musik beisteuert, - Tempo, verblüffende Effekte, wahre Spannung entwickelt diese Inszenierung nicht. Sie erzählt so vor sich hin, hat Einfälle. So zieht Brunhild Gunther bei ihrem Einzug am Wormser Hof an einer Eisenkette durch den Schlamm hinter sich her, - eine Szene, die psychologisch überhaupt nicht funktioniert. Und Wedel gibt Hagen einmal gleich zwei Trompeten zum tröten oder setzt ihm eine rote Nase auf, und er lässt Cosma Shiva Hagens Kriemhild nach Siegfrieds frühem Tod mit dem Song "You and I have born to die" über eine Showtreppe auf die Bühne und von ihr ab treten.
So buchstabiert Wedels Inszenierung die alte Geschichte nur effekthascherisch als eine nachgeholte Erzählung für Etzels Brautwerber dahin, der vom schlimmen Klima am Hof verblüfft ist und nun für uns die Geschichte bis zu Siegfrieds Tod vorgespielt bekommt.
Mit einer Endvariation, denn vorm zweiten Tod von Siegfried muss Brunhilde Kleist gelesen haben: Nun trauert sie um den zugleich gehassten wie ersehnten toten Siegfried, indem sie sich in dessen Körper und Blut hineinwühlt.
Es ist merkwürdig: Zwar wirkt die Inszenierung bieder plakativ mit ihren szenischen Behauptungsbildern, und doch gelingen einigen Schauspielern Momente von klarer bis eindringlicher Figurencharakterisierung. Cosma Shiva Hagen zeigt Kriemhild als jungmädchenhaft fröhliches Klischee, Kathrin von Steinburgs Brunhild verspinnt sich in energisch düster suchender Wut, und Susanne Uhlens Ute wirkt wie ein ruhender schauspielerischer Pol im aufgedrehten Geschehen. Bernd Michael Lade gibt Gunther vor allem als unsicher Zweifelnden, vermag der Figur aber nicht die von Wedel angekündigte entscheidende neue Nuance von Menschlichkeit zu geben, während Lars Rudolph seinen Hagen souverän und etwas eindimensional als ehernen Macher und Bösewicht spielt.
Aber dazwischen dann wieder so viel Gerenne, so viel Getue. Und Filmeinspielungen. Die vermochten in Wedels früheren Nibelungen-Inszenierungen das Geschehen voran zu treiben, diesmal wirken auch sie vor allem illustrativ. Kabarettistisch gelungen immerhin eine Kirchenszene, in der König Gunthers Kämpferschar sich aus dem Gottesdienst im Film hinaus auf die Bühne begibt, um hier Wein und Weib im Volkstheaterstil zu frönen.
So schlingert die Inszenierung bis nach Mitternacht auftrumpfend und zugleich unsicher dahin. Da machte es nicht viel, dass ich einmal vor Schluss kurz aus der live vom SWR-Fernsehen übertragenen Inszenierung aussteigen musste. Denn über drei Stunden leer auftrumpfendes Unterhaltungstheater, - das zog sich doch arg.