"Die Not wird größer"
Der Schirmherr der Münchner Tafel, Claus Hipp, hat die steigende soziale Not in Deutschland beklagt. Anlässlich des Bundestafeltreffens sagte er, in München würden inzwischen pro Woche rund 18.000 Menschen mit Lebensmitteln versorgt. Positiv sei, dass die Spendenbereitschaft aber auch steige.
André Hatting: Es ist eine Erfolgsgeschichte. Seit 1993 gibt es die Berliner Tafel, sie sammelt gespendete Lebensmittel vor allem aus Supermärkten und verteilt sie an Bedürftige. Mittlerweile engagieren sich gut 40.000 Ehrenamtliche zwischen Aachen und Zwickau, 900 Tafeln sind es bundesweit, und die treffen sich heute in Kassel zum Bundestafeltreffen 2011. Hilfe für Bedürftige, das klingt unverdächtig gut, aber es gibt auch Kritik, und darüber will ich jetzt mit Claus Hipp sprechen. Der Unternehmer ist Schirmherr der Münchner Tafel. Guten Morgen, Herr Hipp!
Claus Hipp: Guten Morgen.
Hatting: Herr Hipp, Hartz-IV-Empfänger bekommen auf dem Amt gerne mal den Satz zu hören, wenn das Geld nicht reicht, dann geh doch zur Tafel. Ärgert Sie das?
Hipp: Es gibt sicher sehr viele Bedürftige und jeder, der Hunger hat und Hilfe braucht, der soll versorgt werden, und wir können nicht die Leute einteilen in solche, die da und dort was kriegen. Also es mag sein, dass manchmal auch einer Hilfe bei der Tafel sucht, der es vielleicht nicht so nötig hat, aber es ist nötig zu helfen, und lieber erreichen wir alle, die Hunger haben, und es ist auch mal einer darunter, der es vielleicht nicht bräuchte, als wir erreichen nicht alle.
Hatting: Macht es sich der Staat zu einfach, wenn er sagt, na ja, wenn die Hartz-IV-Sätze zu niedrig sind für die Lebensmittel, dann gibt es eben auch die Tafeln, Gott sei Dank?
Hipp: Nein, der Staat macht es sich da nicht zu einfach. Die Tafeln sind eigentlich da, um Lücken zu schließen, wo eben Not ist, die jetzt durchs Raster der staatlichen Fürsorge fällt.
Hatting: Und dann greifen die Tafeln ein und unterstützen das. Aber dass jemand durchfallen kann durch das staatliche Raster, und es sind immer mehr, ist das nicht ein Grundproblem, das die Tafeln nicht lösen können?
Hipp: Die Grundprobleme können wir nicht lösen. Wir können nur helfen, dort wo Not ist, und es ist in einer Gemeinschaft immer so, dass staatlicherseits vieles geregelt werden kann, aber nicht alles, und das ist eben dann die freiwillige Hilfe, das freiwillige Engagement, das ehrenamtliche Engagement, was da einspringt. Eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn es dieses freiwillige Engagement gibt.
Hatting: Es gibt Kritiker, die legen sogar noch einen drauf. Die sagen, die Tafeln würden den Armen schaden, weil sie die Wirklichkeit verfälschen. So werde zum Beispiel jetzt die acht Euro Hartz-IV-Erhöhung nicht ganz so fatale Auswirkungen haben, dank der Tafeln.
Hipp: Also die Kritiker lade ich gerne ein, mal mitzukommen, einmal zu schauen, wie mühsam es ist, Lebensmittel zusammenzubetteln, und dann bei der Verteilung zu schauen, was da für Not herrscht. Es sind Akademiker darunter genauso wie solche, die überhaupt keine Ausbildung haben, aber es gibt einfach Mitmenschen, die durch alle Raster fallen, und denen müssen wir helfen.
Hatting: Herr Hipp, Sie sind selber ein Nahrungsmittelproduzent. Sind die Tafeln bei den Supermärkten auch deshalb beliebt, zugegeben eine häretische Frage, weil sie damit die Entsorgung von Lebensmitteln sparen, die sie nicht verkaufen?
Hipp: In der Tafel gelten die ganz strengen Richtlinien fürs in Verkehr bringen von Lebensmitteln und es gäbe vieles, was noch verzehrsfähig ist, aber nicht verkehrsfähig ist, das dürfen wir auch nicht nehmen. Also es ist gar nicht so leicht. Und wir erleben immer wieder, dass wir sehr gute Lebensmittel bekommen, viele auch in der Großmarkthalle zum Beispiel von Ausländern, die die Not selbst mal erlebt haben.
Hatting: Auch viele Politiker engagieren sich bei den Tafeln nach dem Motto "tu Gutes und sprich darüber". Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zum Beispiel. Finden Sie diese Form der Inszenierung richtig, oder würden Sie sich da mehr Zurückhaltung von der Politik wünschen?
Hipp: Also ich habe von meinen Eltern mitbekommen, dass wir immer helfen müssen, aber nie darüber reden, denn die rechte Hand braucht nicht wissen, was die linke tut. Und wer es hier werbemäßig ausschlachtet, der hat seinen Lohn hier schon.
Hatting: Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie für die Tafeln? Ich meine, die Anzahl der Tafeln wächst beständig, die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder wächst beständig. Kann man überhaupt den Bedarf decken, auch in Zukunft?
Hipp: Den Bedarf müssen wir immer besser decken und die Not wird größer. Wir haben in München 18.000 Menschen, die wir pro Woche versorgen, und es sind ungefähr über 100 Tonnen Lebensmittel. Wenn Sie einen Kilopreis von einem Euro rechnen, sind es schon 100.000, die ehrenamtlich da an Rohstoffen da sind. Die Not steigt und die Spendenbereitschaft steigt aber auch, und das ist eigentlich sehr positiv zu sehen, dass die Bevölkerung in Deutschland durchaus bereit ist zu helfen, soweit eben Hilfe gebracht werden kann.
Hatting: Das war ein Gespräch mit Claus Hipp. Der Unternehmer ist Schirmherr der Münchner Tafel. Herr Hipp, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.
Hipp: Ja gerne.
Claus Hipp: Guten Morgen.
Hatting: Herr Hipp, Hartz-IV-Empfänger bekommen auf dem Amt gerne mal den Satz zu hören, wenn das Geld nicht reicht, dann geh doch zur Tafel. Ärgert Sie das?
Hipp: Es gibt sicher sehr viele Bedürftige und jeder, der Hunger hat und Hilfe braucht, der soll versorgt werden, und wir können nicht die Leute einteilen in solche, die da und dort was kriegen. Also es mag sein, dass manchmal auch einer Hilfe bei der Tafel sucht, der es vielleicht nicht so nötig hat, aber es ist nötig zu helfen, und lieber erreichen wir alle, die Hunger haben, und es ist auch mal einer darunter, der es vielleicht nicht bräuchte, als wir erreichen nicht alle.
Hatting: Macht es sich der Staat zu einfach, wenn er sagt, na ja, wenn die Hartz-IV-Sätze zu niedrig sind für die Lebensmittel, dann gibt es eben auch die Tafeln, Gott sei Dank?
Hipp: Nein, der Staat macht es sich da nicht zu einfach. Die Tafeln sind eigentlich da, um Lücken zu schließen, wo eben Not ist, die jetzt durchs Raster der staatlichen Fürsorge fällt.
Hatting: Und dann greifen die Tafeln ein und unterstützen das. Aber dass jemand durchfallen kann durch das staatliche Raster, und es sind immer mehr, ist das nicht ein Grundproblem, das die Tafeln nicht lösen können?
Hipp: Die Grundprobleme können wir nicht lösen. Wir können nur helfen, dort wo Not ist, und es ist in einer Gemeinschaft immer so, dass staatlicherseits vieles geregelt werden kann, aber nicht alles, und das ist eben dann die freiwillige Hilfe, das freiwillige Engagement, das ehrenamtliche Engagement, was da einspringt. Eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn es dieses freiwillige Engagement gibt.
Hatting: Es gibt Kritiker, die legen sogar noch einen drauf. Die sagen, die Tafeln würden den Armen schaden, weil sie die Wirklichkeit verfälschen. So werde zum Beispiel jetzt die acht Euro Hartz-IV-Erhöhung nicht ganz so fatale Auswirkungen haben, dank der Tafeln.
Hipp: Also die Kritiker lade ich gerne ein, mal mitzukommen, einmal zu schauen, wie mühsam es ist, Lebensmittel zusammenzubetteln, und dann bei der Verteilung zu schauen, was da für Not herrscht. Es sind Akademiker darunter genauso wie solche, die überhaupt keine Ausbildung haben, aber es gibt einfach Mitmenschen, die durch alle Raster fallen, und denen müssen wir helfen.
Hatting: Herr Hipp, Sie sind selber ein Nahrungsmittelproduzent. Sind die Tafeln bei den Supermärkten auch deshalb beliebt, zugegeben eine häretische Frage, weil sie damit die Entsorgung von Lebensmitteln sparen, die sie nicht verkaufen?
Hipp: In der Tafel gelten die ganz strengen Richtlinien fürs in Verkehr bringen von Lebensmitteln und es gäbe vieles, was noch verzehrsfähig ist, aber nicht verkehrsfähig ist, das dürfen wir auch nicht nehmen. Also es ist gar nicht so leicht. Und wir erleben immer wieder, dass wir sehr gute Lebensmittel bekommen, viele auch in der Großmarkthalle zum Beispiel von Ausländern, die die Not selbst mal erlebt haben.
Hatting: Auch viele Politiker engagieren sich bei den Tafeln nach dem Motto "tu Gutes und sprich darüber". Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zum Beispiel. Finden Sie diese Form der Inszenierung richtig, oder würden Sie sich da mehr Zurückhaltung von der Politik wünschen?
Hipp: Also ich habe von meinen Eltern mitbekommen, dass wir immer helfen müssen, aber nie darüber reden, denn die rechte Hand braucht nicht wissen, was die linke tut. Und wer es hier werbemäßig ausschlachtet, der hat seinen Lohn hier schon.
Hatting: Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie für die Tafeln? Ich meine, die Anzahl der Tafeln wächst beständig, die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder wächst beständig. Kann man überhaupt den Bedarf decken, auch in Zukunft?
Hipp: Den Bedarf müssen wir immer besser decken und die Not wird größer. Wir haben in München 18.000 Menschen, die wir pro Woche versorgen, und es sind ungefähr über 100 Tonnen Lebensmittel. Wenn Sie einen Kilopreis von einem Euro rechnen, sind es schon 100.000, die ehrenamtlich da an Rohstoffen da sind. Die Not steigt und die Spendenbereitschaft steigt aber auch, und das ist eigentlich sehr positiv zu sehen, dass die Bevölkerung in Deutschland durchaus bereit ist zu helfen, soweit eben Hilfe gebracht werden kann.
Hatting: Das war ein Gespräch mit Claus Hipp. Der Unternehmer ist Schirmherr der Münchner Tafel. Herr Hipp, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.
Hipp: Ja gerne.