"Die Öffentlichkeit wird nicht offiziell informiert"
Einem Staat wie Syrien, der dem Chemiewaffen-Übereinkommen nicht beigetreten ist, hätten keine Chemiekomponenten geliefert werden dürfen, macht SPD-Politiker Klaus Barthel deutlich. Bei Entscheidungen über Rüstungsexporte müsse der Bundestag stärker einbezogen werden.
Jörg Degenhardt: Deutschland hat chemiewaffentaugliche Substanzen nach Syrien geliefert, aber ob sie wirklich zur Herstellung des Nervengiftes Sarin verwendet wurden - wer kann das mit Sicherheit sagen? Die Lieferungen fielen jedenfalls in die Regierungszeit der rot-grünen und der schwarz-roten Koalition, das ist klar, seinerzeit sollen auch alle Risiken und Missbrauchsgefahren geprüft worden sein. Oder hat das deutsche Rüstungsexportkontrollsystem versagt? Jedenfalls haben wir jetzt eine neue Debatte über Rüstungsexporte und Verantwortlichkeiten, über Geheimhaltung und Offenlegung, über Waffengeschäfte und menschenrechtliche Bedenken.
Klaus Barthel saß die letzten vier Jahre für die SPD im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen, Herr Barthel!
Klaus Barthel: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Was hatte Ihr Ausschuss bei Genehmigungen für Rüstungsexporte mitzureden?
Barthel: Überhaupt nichts. Die Entscheidungen über Rüstungsexporte generell trifft ja der Bundessicherheitsrat, also in Vertretung sozusagen der Bundesregierung. Die Regierung trägt die alleinige Verantwortung. Und das Parlament wird über all diese Entscheidungen erst im Nachhinein informiert, es sei denn, dass irgendwas vorher über die Medien nach außen dringt.
Degenhardt: Berlin hat im vergangenen Jahr die Lieferung von Kriegsgerät im Wert von 1,4 Milliarden Euro an die Golfstaaten Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. Diese Geschäfte sind demnach dann nicht durch Ihren Ausschuss gegangen, Sie haben davon auch erst aus der Zeitung erfahren?
Klaus Barthel saß die letzten vier Jahre für die SPD im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen, Herr Barthel!
Klaus Barthel: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Was hatte Ihr Ausschuss bei Genehmigungen für Rüstungsexporte mitzureden?
Barthel: Überhaupt nichts. Die Entscheidungen über Rüstungsexporte generell trifft ja der Bundessicherheitsrat, also in Vertretung sozusagen der Bundesregierung. Die Regierung trägt die alleinige Verantwortung. Und das Parlament wird über all diese Entscheidungen erst im Nachhinein informiert, es sei denn, dass irgendwas vorher über die Medien nach außen dringt.
Degenhardt: Berlin hat im vergangenen Jahr die Lieferung von Kriegsgerät im Wert von 1,4 Milliarden Euro an die Golfstaaten Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. Diese Geschäfte sind demnach dann nicht durch Ihren Ausschuss gegangen, Sie haben davon auch erst aus der Zeitung erfahren?
"Parlament vom Entscheidungsprozess abgekoppelt"
Barthel: Ja, also wir erfahren es aus den Medien, wenn es aktuell praktisch aus der Geheimhaltung heraus durchsickert, aber ansonsten auf offiziellem Wege erfahren wir das erst durch den Rüstungskontroll-, den Rüstungsexportbericht, und der erscheint erst mehr als ein Jahr nach dem Berichtszeitraum.
Das heißt also, wir haben jetzt gerade vor ein paar Monaten über den Rüstungsexportbericht des Jahres 2012 diskutiert, das heißt also, über Entscheidungen, die bis zu zwei Jahre zurückliegen, und das Parlament ist damit im Grunde aus dem ganzen Entscheidungsprozess abgekoppelt, und genau das wollen wir ändern.
Degenhardt: Aber die Rüstungsgeschäfte, die laufen doch derzeit noch über das Wirtschaftsministerium?
Barthel: Das ist richtig, das Wirtschaftsministerium ist das federführende Ministerium, das im Grunde die Entscheidungen vorbereitet und das auch zum Beispiel die vorgesetzte Stelle ist für die Behörden, die jetzt zum Beispiel auch über die Chemiekomponenten-Lieferungen entschieden haben - das ist in dem Fall das BAFA, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Und insgesamt also entscheidet aber die Bundesregierung dann gemeinsam über zum Beispiel die Waffenlieferungen, von denen Sie gerade gesprochen haben, also die Panzer nach Saudi-Arabien und so weiter, und das verantwortet die Regierung. Das ist im Moment die herrschende Verfassungslage. Und das Parlament muss sich erst sein Informationsrecht zumindest mal erkämpfen.
Degenhardt: Ist das in Ordnung so oder braucht es da eine Korrektur, brauchen wir zum Beispiel ein Extra-Kontrollgremium für Rüstungsexporte?
Das heißt also, wir haben jetzt gerade vor ein paar Monaten über den Rüstungsexportbericht des Jahres 2012 diskutiert, das heißt also, über Entscheidungen, die bis zu zwei Jahre zurückliegen, und das Parlament ist damit im Grunde aus dem ganzen Entscheidungsprozess abgekoppelt, und genau das wollen wir ändern.
Degenhardt: Aber die Rüstungsgeschäfte, die laufen doch derzeit noch über das Wirtschaftsministerium?
Barthel: Das ist richtig, das Wirtschaftsministerium ist das federführende Ministerium, das im Grunde die Entscheidungen vorbereitet und das auch zum Beispiel die vorgesetzte Stelle ist für die Behörden, die jetzt zum Beispiel auch über die Chemiekomponenten-Lieferungen entschieden haben - das ist in dem Fall das BAFA, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Und insgesamt also entscheidet aber die Bundesregierung dann gemeinsam über zum Beispiel die Waffenlieferungen, von denen Sie gerade gesprochen haben, also die Panzer nach Saudi-Arabien und so weiter, und das verantwortet die Regierung. Das ist im Moment die herrschende Verfassungslage. Und das Parlament muss sich erst sein Informationsrecht zumindest mal erkämpfen.
Degenhardt: Ist das in Ordnung so oder braucht es da eine Korrektur, brauchen wir zum Beispiel ein Extra-Kontrollgremium für Rüstungsexporte?
"Die Rechte des Parlaments müssen gestärkt werden"
Barthel: Also wir haben aus diesen ganzen Vorgängen die Konsequenzen gezogen und wir haben vor zwei Jahren ungefähr einen Antrag eingebracht - ähnlich haben sich auch die Grünen geäußert -, wo wir sagen: Die Rechte des Parlaments müssen gestärkt werden. Das heißt, wir brauchen ein Gremium, das zunächst mal vertraulich informiert werden muss vor wichtigen anstehenden Entscheidungen, und das dann die Möglichkeit haben muss, auch über solche Entscheidungen zu beraten und auch die Bundesregierung zu zwingen, dann im Nachhinein ihre Entscheidungen dem Parlament und dann auch der Öffentlichkeit gegenüber zu begründen.
Also wir wollen einfach einen Kontrollmechanismus einführen, der es der Regierung schwerer macht, so leicht Rüstungsexporten zuzustimmen, wie das jetzt in den letzten Jahren der Fall war.
Degenhardt: Kann man denn Rüstungsexporte wirklich öffentlich machen oder muss das nicht eher im Geheimen geregelt werden?
Barthel: Ja, bis zu einer Entscheidung muss es wohl geheim sein, da sind sich die meisten Verfassungsrechtler einig. Das Grundgesetz sagt ja auch, die Regierung ist verantwortlich und dann geht es immer um den berühmten Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
In dem Moment endet das, wo eine Entscheidung getroffen worden ist, weil es ist ja dann oft sogar so, dass die betroffenen Firmen dann sogar Werbung damit machen, dass die Regierung gerade wieder ihre Produkte zur Ausfuhr genehmigt hat, bloß die Öffentlichkeit wird nicht offiziell informiert. Also nach einer getroffenen Entscheidung, unmittelbar danach endet unserer Meinung nach auch die Geheimhaltungspflicht.
Bisher endet sie de facto nicht, bis der Rüstungsexportbericht dann anderthalb Jahre später erscheint. Und das ist natürlich dann so: Damit übt man überhaupt ... kann das Parlament und auch die Öffentlichkeit im Grunde keinen Druck, keine Kontrolle ausüben über solche Entscheidungen, weil wenn dann in der Öffentlichkeit wirklich mal drüber diskutiert werden kann, dann ist die Sache oft weit, weit zurück und es interessiert gar keinen mehr. Und wenn mal was ...
Degenhardt: Von wegen weit, weit zurück, Herr Barthel. Wenn Sie sagen, die Regierungen sind verantwortlich, dann trifft das ja auch zu für die Zeit, in der die Chemikalien nach Syrien geliefert worden sind, denn da war Rot-Grün in Regierungsverantwortung.
Barthel: Ja.
Degenhardt: Also muss doch da auch die SPD, Ihre Partei, sich zu Ihrer Verantwortung bekennen.
Barthel: Das ist richtig, wir wollen uns da auch gar nicht rausreden. Wir haben auch bei den Debatten der letzten Monate deutlich gemacht, dass wir aus den Entwicklungen was lernen müssen.
Man muss einerseits sagen: Also dieser explosionsartiger Zuwachs von Rüstungslieferungen jetzt gerade in den Nahen Osten ist wirklich erst eine Entwicklung der letzten Jahre, also die sogenannten Drittstaaten werden in den letzten Jahren besonders stark berücksichtigt bei Rüstungsexporten.
Aber trotzdem hat es auch schon früher problematische Entwicklungen und Entscheidungen gegeben. Deswegen sind wir froh eigentlich, dass jetzt diese Debatte auch eine größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit findet, weil wir seit zwei Jahren schon versuchen, im Deutschen Bundestag über Anträge deutlich zu machen, dass sich bei der Kontrolle über Rüstungsexporte unbedingt was ändern muss.
Und das betrifft ja gerade auch die Fragen, mit denen wir es jetzt zu tun haben, die komplizierten Fragen zum Beispiel von "Dual-Use-Gütern", die bis jetzt kaum im Rüstungsexportbericht auftauchen, es betrifft die Frage auch der Maßstäbe, wie wir liefern, zum Beispiel an Länder wie Syrien, die bestimmten internationalen Abkommen gar nicht beigetreten sind, also wie zum Beispiel dem Chemiewaffenübereinkommen.
Also da müssen wir einfach sagen: Staaten, die solchen Abkommen nicht beitreten, können wir auch keine chemischen Komponenten liefern, und es betrifft vor allen Dingen auch die Frage des Endverbleibs.
Degenhardt: Also ein ganzer Strauß von Fragen, der jetzt da auf den Tisch gekommen ist, und der dann in der nächsten Legislaturperiode abzuarbeiten sein wird, die Frage der Rüstungsexporte und die Rolle, die Deutschland dabei spielt, immerhin als drittgrößter Rüstungsexporteur in der Welt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das war Klaus Barthel von der SPD, er saß die letzten vier Jahre im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Ihnen einen guten Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Also wir wollen einfach einen Kontrollmechanismus einführen, der es der Regierung schwerer macht, so leicht Rüstungsexporten zuzustimmen, wie das jetzt in den letzten Jahren der Fall war.
Degenhardt: Kann man denn Rüstungsexporte wirklich öffentlich machen oder muss das nicht eher im Geheimen geregelt werden?
Barthel: Ja, bis zu einer Entscheidung muss es wohl geheim sein, da sind sich die meisten Verfassungsrechtler einig. Das Grundgesetz sagt ja auch, die Regierung ist verantwortlich und dann geht es immer um den berühmten Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
In dem Moment endet das, wo eine Entscheidung getroffen worden ist, weil es ist ja dann oft sogar so, dass die betroffenen Firmen dann sogar Werbung damit machen, dass die Regierung gerade wieder ihre Produkte zur Ausfuhr genehmigt hat, bloß die Öffentlichkeit wird nicht offiziell informiert. Also nach einer getroffenen Entscheidung, unmittelbar danach endet unserer Meinung nach auch die Geheimhaltungspflicht.
Bisher endet sie de facto nicht, bis der Rüstungsexportbericht dann anderthalb Jahre später erscheint. Und das ist natürlich dann so: Damit übt man überhaupt ... kann das Parlament und auch die Öffentlichkeit im Grunde keinen Druck, keine Kontrolle ausüben über solche Entscheidungen, weil wenn dann in der Öffentlichkeit wirklich mal drüber diskutiert werden kann, dann ist die Sache oft weit, weit zurück und es interessiert gar keinen mehr. Und wenn mal was ...
Degenhardt: Von wegen weit, weit zurück, Herr Barthel. Wenn Sie sagen, die Regierungen sind verantwortlich, dann trifft das ja auch zu für die Zeit, in der die Chemikalien nach Syrien geliefert worden sind, denn da war Rot-Grün in Regierungsverantwortung.
Barthel: Ja.
Degenhardt: Also muss doch da auch die SPD, Ihre Partei, sich zu Ihrer Verantwortung bekennen.
Barthel: Das ist richtig, wir wollen uns da auch gar nicht rausreden. Wir haben auch bei den Debatten der letzten Monate deutlich gemacht, dass wir aus den Entwicklungen was lernen müssen.
Man muss einerseits sagen: Also dieser explosionsartiger Zuwachs von Rüstungslieferungen jetzt gerade in den Nahen Osten ist wirklich erst eine Entwicklung der letzten Jahre, also die sogenannten Drittstaaten werden in den letzten Jahren besonders stark berücksichtigt bei Rüstungsexporten.
Aber trotzdem hat es auch schon früher problematische Entwicklungen und Entscheidungen gegeben. Deswegen sind wir froh eigentlich, dass jetzt diese Debatte auch eine größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit findet, weil wir seit zwei Jahren schon versuchen, im Deutschen Bundestag über Anträge deutlich zu machen, dass sich bei der Kontrolle über Rüstungsexporte unbedingt was ändern muss.
Und das betrifft ja gerade auch die Fragen, mit denen wir es jetzt zu tun haben, die komplizierten Fragen zum Beispiel von "Dual-Use-Gütern", die bis jetzt kaum im Rüstungsexportbericht auftauchen, es betrifft die Frage auch der Maßstäbe, wie wir liefern, zum Beispiel an Länder wie Syrien, die bestimmten internationalen Abkommen gar nicht beigetreten sind, also wie zum Beispiel dem Chemiewaffenübereinkommen.
Also da müssen wir einfach sagen: Staaten, die solchen Abkommen nicht beitreten, können wir auch keine chemischen Komponenten liefern, und es betrifft vor allen Dingen auch die Frage des Endverbleibs.
Degenhardt: Also ein ganzer Strauß von Fragen, der jetzt da auf den Tisch gekommen ist, und der dann in der nächsten Legislaturperiode abzuarbeiten sein wird, die Frage der Rüstungsexporte und die Rolle, die Deutschland dabei spielt, immerhin als drittgrößter Rüstungsexporteur in der Welt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das war Klaus Barthel von der SPD, er saß die letzten vier Jahre im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Ihnen einen guten Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.