Die Oggersheimer Orestie - eine Glosse

Taugt der Kohl-Clan für eine griechische Tragödie?

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Wie der Geist der verstorbenen Hannelore Kohl scheint dieses Bild über Helmut Kohl zu schweben. Die Geschichte der Familie Kohl taugt zur Tragödie, findet unser Autor. © picture alliance/dpa/Steffen Kugler
Von Arno Orzessek · 30.06.2017
An Familienzwistigkeiten, verstoßenen Kindern und anderem Ungemach mangelt es nicht in der Geschichte der Familie Kohl. Aber hat das bereits das Format einer griechischen Tragödie à la "Orestie" des Aischylos? Unser Autor mutmaßt: An den Filmrechten wäre RTL2 interessiert.
Mancher wird’s vergessen haben – aber Helmut Kohl konnte herrlich ironisch sein.
Das zeigte sich zum Beispiel, als er Kanzler wurde. Kohl versprach den Deutschen mit Inbrunst eine geistig-moralische Wende und führte prompt das Privatfernsehen ein.
Seitdem sind zwei eminente Entwicklungen parallel verlaufen: Es gab immer mehr Trash in der Glotze und immer mehr Trash in Kohls Leben, vor allem in seinem Familienleben. Was beweist: Auch der Alt-Kanzler ging mit der Zeit. Hochkulturelle Distinktionsgeilheit à la Richard von Weizsäcker jedenfalls fand der trashige Kohl, für den auch Weltpolitik durch den Saumagen ging, immer zum Kotzen.

In Oggersheim gab es kein Riesenblutbad

Was aber am Tag vor der Beisetzung auch schon egal ist, wenn man Kohls Familiengeschichte literaturwissenschaftlicherweise mit Aischylos' ehrwürdiger Orestie vergleichen will... Sie wissen schon! Die Story vom Haus Atreus, auf dem wegen 'ner blöden Sache von früher ein Fluch liegt. Die Folge: Hass, Mord und Rache im Maßstab Horrorschocker-Riesenblutbad.
Auch auf der Familie Kohl lag stets ein Fluch – der Fluch der Politik, Helmuts einzigem Lebenssinn, seit er anno '46 begonnen hatte, die CDU in Person zu werden. Deshalb wucherte der familiäre Hass, wie die Friede-Freude-Eierkuchen-Urlaubsfotos vom Wolfgangsee Jahr für Jahr in amüsanter Verdrehung gezeigt haben.
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Der Tod ihrer Mutter traf die Kohl-Söhne Walter und Peter hart.© picture alliance/dpa/Uwe Anspach
Aber die Wahrheit ist auch: In Oggersheim floss kein Blut. Hier war die lange, fiese Sadomaso-Strecke angesagt, die jeden Familientherapeuten entzücken muss. Klytaimnestra, ja, die murkst Agamemnon ab, weil er die gemeinsame Tochter Iphigenie geopfert hat. Weshalb sie selbst plus Liebhaber, schwupps, von ihrem Sohn Orestes kalt gemacht wird.
Dagegen die schnuckelige Hannelore! Vergreift sich nicht an Helmut, obwohl der das Seelenheil der Söhne Walter und Peter seiner CDU-Werdung opfert. Nein, Hannelore, trotz Verschattung durch Helmuts Riesenexistenz ausgerechnet an Lichtallergie leidend, greift zu Schlaftabletten...

Kohl und seine Mädchen

Während Walter die peinlichste Form der Unterwerfung zelebriert. Er wirft sich als Helmuts Opfer in die Brust, wird als Autor Heulsuse und als Talkshow-Gast einer, dem du mit der Rohrzange in die Wampe kneifen willst, damit er endlich mal einen draufmacht. Helmut aber, der das Wesen der Mädchen seit einem namens Merkel eigentlich kennen müsste, lässt sich von einer gewissen Maike R. abschleppen, die noch ehrpusseliger ist als er selbst – ein Fabel-Weltrekord! - und ihn zu ihrem Privateigentum erklärt.
Kurz: Die Oggersheimer Orestie verhält sich zur antiken Orestie wie eine Frikadelle zum Steak. Der Kohl-Clan und das Haus Atreus sind zwar psychomäßig vergleichbar derangiert, verwirklichen ihre Kaputtheit aber komplett anders.
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Idyll am Wolfgangsee: Familie Kohl 1974 im Sommerurlaub. Heile Welt für die Kameras.© picture alliance/dpa/Heinz Wieseler
Noch ist indessen nicht aller Tage Abend. Die Pointe der alten Orestie ist ja atemberaubend versöhnlich, sie geht so:
Orestes und die Erinyen, die übellaunigen Rachegöttinen, erscheinen vor Athene; Blutgeschmack liegt in der Luft. Doch die coole Athene meint: Ey, ist doch echt zu kompliziert, nach der ganzen Mörderei Schuld und Unschuld auseinanderzuklammüsern.
Orestes darf nach kurzem Prozess abziehen. Die Erinyen verwandeln sich zu superbraven Wohlgesinnten, die jetzt Eumeniden heißen. Wer weiß, vielleicht bekommt die Oggersheimer Orestie einen ähnlichen Drive, etwa so:
Kai Dieckmann, Kohls Stellvertreter auf Erden, heiratet nach dem Trauerjahr Maike Richter, um mit ihr Walter und Peter in die Arme zu schließen und nie mehr mit Streicheleinheiten zu geizen.

Helmut schickt einen Engel zur Erde

Darüber wird Helmut, sitzend zur Rechten Gottes, im Gemüt so weich wie sonst am Tag der deutschen Einheit. Er schickt einen Engel mit den Namen der illegalen Spendern von damals zur CDU-Parteizentrale...
Und lässt Angela Merkel grüßen wie Gottvater seinen Sohn. Du bist meine liebe Tochter, an welcher ich Wohlgefallen habe.
Und die Filmrechte? Sichert sich RTL2.
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