Die Oper "Les Troyens" von Hector Berlioz

Von Troja nach Karthago

Der Komponist Hector Berlioz (1803-1869)
Zwischen Vergil und Shakespeare: Der französische Komponist Hector Berlioz © Deutschlandradio / Archiv
Gast: Jens Malte Fischer, Publizist; Moderation: Olaf Wilhelmer |
Vom trojanischen Pferd bis zur Gründung Roms ist es ein weiter Weg. Hector Berlioz legte ihn in seiner Oper "Die Trojaner" zurück. Das monumentale Werk ist seit 150 Jahren eine der größten Herausforderungen des Musiktheaters.
Sie gehört zu den langen und schwierigen Opern des Repertoires: "Les Troyens" von Hector Berlioz. "Die Trojaner" kamen zu Lebzeiten des Komponisten nur in verstümmelter Form auf die Bühne und mussten ein gutes Jahrhundert auf ihre Rehabilitation warten.

Hier geht es zur Playlist der Sendung.

Die Wiederentdeckung begann vor genau 50 Jahren, 1969, als anlässlich des 100. Todestages von Berlioz die Kritische Gesamtausgabe seiner Kompositionen erste Früchte trug und eine tiefergehende Auseinandersetzung mit seinem Werk überhaupt erst möglich machte. Als erster Band dieser bahnbrechenden Edition erschien bezeichnenderweise "Les Troyens". Diese sind seitdem ein nicht häufiger, aber doch regelmäßig zurückkehrender Gast auf den Spielplänen der Opernhäuser. Und es gibt eine überschaubare, aber kontinuierlich anwachsende Zahl von Einspielungen.

Trojanische Träume

In den Jahren von 1856 bis 1858 erfüllte sich der französische Komponist Hector Berlioz einen Lebenstraum und komponierte diese Oper nach der lateinischen "Aeneis" des Vergil, einem seiner Lieblingsdichter seit Kindertagen. In den fünf Akten des selbstgeschriebenen Librettos durchmisst Berlioz einen beträchtlichen Teil der antiken Mythologie.
In den ersten beiden Akten wird die Zerstörung Trojas durch die Griechen geschildert; in den Akten drei bis fünf steht die unglückliche Liebe zwischen dem schiffbrüchigen Aeneas und der Königin Dido von Karthago im Mittelpunkt. Hier kommt ein zweites Idol von Berlioz ins Spiel: Shakespeare, nach dessen "Kaufmann von Venedig" Teile des Liebesduetts von Dido und Aeneas gestaltet sind.

Karthagische Klänge

Der trojanische und der karthagische Teil des Werkes unterscheiden sich sowohl inhaltlich als auch musikalisch deutlich voneinander: Während sich der erste Teil auf den Stil von Glucks Opern bezieht, die Berlioz zutiefst bewunderte, erinnert der zweite Teil mit seinen Massenszenen und ausführlichen Balletteinlagen an die Form der "Grand Opéra", wie sie vor allem Giacomo Meyerbeer zu Berlioz’ Zeiten in Paris etabliert hatte.
Der Theaterwissenschaftler und Publizist Jens Malte Fischer
Mit Vergil und Shakespeare für Berlioz gewappnet: Der Theaterwissenschaftler und Publizist Jens Malte Fischer© privat
Die Einheit des Werkes, die trotz allem zweifellos vorhanden ist, wurde von Berlioz selbst aufgegeben, um eine Aufführung wenigstens eines Teils zu ermöglichen, und sie wurde im Laufe der Aufführungsgeschichte immer wieder angezweifelt. Erst 1969 wurde das Werk an einem Abend vollständig auf einer Bühne aufgeführt – in Glasgow.

Eine Sache für den Sir

Tatsächlich waren und sind es vor allem britische Künstler, die sich für Berlioz stark machen. 1947 war Sir Thomas Beecham der erste Dirigent, der die "Trojaner" – mit einigen Strichen – einspielte. Aus dem Royal Opera House Covent Garden existiert ein Mitschnitt unter Rafael Kubelik von 1957 – aber der große Durchbruch kam erst um 1970 durch den unermüdlichen Sir Colin Davis, der sich die (Wieder-) Entdeckung der Berliozschen Musik zur Lebensaufgabe gemacht hatte.
Heute erweisen sich Sir John Eliot Gardiner und der Amerikaner John Nelson als Zentralfiguren der Berlioz-Interpretation; Nelson hat die "Trojaner" 2017 in Straßburg mit einer grandiosen Sängerbesetzung aufgenommen. Unser Studiogast Jens Malte Fischer ist emeritierter Professor für Theaterwissenschaft in München und leidenschaftlicher Anhänger der französischen Oper des 19. Jahrhunderts.
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