"Die Passion" ist noch eine Woche lang über die Mediathek von RTL kostenlos abrufbar.
"Die Passion" als RTL-Live-Musical
Jesus (Alexander Klaws) vor Pontius Pilatus (Henning Baum) auf dem Essener Burgplatz. Die poppige Interpretation der Passionsgeschichte, die RTL am 13. April als Live-Show zeigte, sorgte für hämische Tweets. © RTL / Frank W. Hempel
Schnell noch ein Werbeblock vor der Kreuzigung
08:30 Minuten
Der TV-Sender RTL hat sich an die Passionsgeschichte gewagt. Doch die Liveshow "Die Passion" mit Popsongs und Neonkreuz wirkte oft unfreiwillig komisch, erntete bei Twitter Häme. Auch die Journalistin und Theologin Friederike Sittler ist befremdet.
Vermutlich wollte der Privatsender RTL den Passionsspielen in Oberammergau mit „Die Passion“ keine Konkurrenz machen. Immerhin hat der Kölner Sender mit seiner prominent besetzten Live-Musicalversion der Leidensgeschichte Jesu – vom letzten Abendmahl mit den Jüngern im Restaurant bis zur Kreuzigung und Auferstehung - am gestrigen Mittwochabend gut 2,9 Millionen Zuschauer erreicht.
Das entspricht einer Quote von rund elf Prozent. Bei den jungen Zuschauenden ab 14 lag RTL damit sogar vorne.
Erzählt von Thomas Gottschalk
In den Hauptrollen der modernen Adaption der ältesten Geschichte der Welt, deren Höhepunkt sich auf dem Burgplatz in Essen vollzieht: Alexander Klaws (Sänger und Ex-Gewinner von „Deutschland sucht den Superstar“) als Jesus, Mark Keller als Judas, Laith Al-Deen als Petrus, Martin Semmelrogge als Barrabas und Thomas Gottschalk als Erzähler der Passionsgeschichte. Unter die Jünger haben sich unter anderem Samuel Koch (Ex-Kandidat bei „Wetten, dass…?“) und Gil Ofarim gemischt.
Die Jünger singen mit Jesus fröhlich „Auf uns“ von Andreas Bourani, später muss Jesus noch „Durch den Monsun“ von Tokio Hotel. Das Liedgut ist also modern und poppig, wie auch die Kleidung der Protagonisten, die in öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt fahren. Stars wie Ingolf Lück und Ex-„Lindenstraßen“-Darstellerin Rebecca Simoneit-Barum haben Kurzauftritte.
Bei Twitter erntete „Die Passion“ indes unter dem Hashtag #DiePassion viel Häme: Die Show sei unfreiwillig komisch, sogar lächerlich, so der überwiegende Tenor. Eine Userin schreibt: „Hab das Gefühl alleine fürs anschauen dieser Show könnte man in die Hölle kommen #DiePassion."
Andere wiederum loben den Mut des Privatsenders, seine Version der Geschichte ironiefrei durchzuziehen.
Die ARD wollte das Konzept nicht
Auch Friederike Sittler, studierte Theologin und Abteilungsleiterin beim Deutschlandfunk Kultur, hat sich „Die Passion“ angesehen. Sie zollt RTL Respekt für den Quotenerfolg, gesteht jedoch, auch sie sei zwischendurch sehr befremdet gewesen, etwa wenn kurz vor der Kreuzigung als Cliffhanger noch schnell ein Werbeblock dazwischengeschoben würde.
Das Konzept für „Die Passion“ ist schon ein paar Jahre alt. Ursprünglich sei es der ARD angeboten worden, , sagt Sittler. Die Kulturjournalistin arbeitete damals als Leiterin der Abteilung „Gesellschaft und Religion“ beim ARD-Sender RBB. Das Exposé sei damals auch auf ihrem Schreibtisch gelandet. Es habe sie schon damals irritiert – „ich war vehement dagegen“.
Schon deshalb sei sie gespannt gewesen, was der Privatsender aus der Idee nun gemacht habe.
Die Promis lenken von der Geschichte ab
Zwar folge die RTL-Show inhaltlich der Passionsgeschichte, wie man sie kenne. Doch Sittler findet es problematisch, wie die spielenden und singenden Promis vom eigentlichen Thema ablenken - etwa in einer Szene mit Ingolf Lück als Getränkefahrer, in der Petrus Jesus verleugnet: “Aber man schaut natürlich eher darauf: ‚Ach, guck, das ist doch Ingolf Lück – und vorher, das war doch die aus der ‚Lindenstraße‘. Und was war das jetzt für ein Song?‘ Dadurch verdirbt man natürlich viel von dem, was man eigentlich vielleicht erzählen wollte.“
„Die Passion“ habe ein niederländisches Vorbild, erläutert Sittler. In den Niederlanden werde die biblische Geschichte schon seit längerem auf ähnliche Art und Weise dargestellt – offenbar mit der Absicht, die Passionsgeschichte vor allem bei einem jüngeren Publikum bekannter zu machen. Und offenbar mit Erfolg.
Dominantes Lästern
Theologinnen und Theologen hätten sich ihrer Beobachtung nach in den sozialen Medien eher wenig zu dem RTL-Spektakel geäußert, aber dieser Eindruck rühre vielleicht daher, „dass so dominant war, was überhaupt insgesamt gelästert wurde“.
Vermutlich würden sich all die Menschen, denen die Kar- und Ostertage auch aus religiösen Gründen wichtig seien, ganz einfach mit Kommentaren zurückhalten.
(mkn)