Die perfekte Maschinen-Gefährtin
Schon Pygmalion träumte diesen Traum: Sich selbst eine Frau aus Elfenbein zu schnitzen. Im Science-Fiction-Roman "Abenteuer einer künstlichen Frau" des amerikanischen Altmeisters Thomas Berger ist es ein Techniker, der sich die perfekte Frauenmaschine namens Phyllis erschafft. Sie beginnt als Stripperin und soll später die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden.
"Da er keine echte Frau fand, mit der ihn mehr als nur eine flüchtige Beziehung verband, beschloss Ellery Pierce, Techniker einer Firma zur Herstellung animatronischer Geschöpfe für Filmstudios und Vergnügungsparks, sich selbst eine zu bauen."
So flott und klar und geradezu beginnt der Roman "Abenteuer einer künstlichen Frau" von Thomas Berger, und genauso geht es weiter. Der heute 82-jährige amerikanische Altmeister Berger verschwendet keine Zeit für technische Details seiner Romananordnung, andere Autoren würden sich das bei solch einem Science-Fiction-Setting auf keinen Fall entgehen lassen.
Bei Thomas Berger erfährt man gerade mal, dass die Haut seiner künstlichen Frau durch einen Kreislauf aus erhitztem Öl auf menschlicher Körpertemperatur gehalten wird und dass sie - falls die gesellschaftliche Umgebung das mal erforderlich macht - Nahrung aufnehmen und in einem Sammelbehälter speichern kann.
Die 15 Jahre dauernde Tüftelei von Ellery Pierce an seiner perfekten Kunstfrau handelt Berger also schnellstmöglich ab, um zur eigentlichen Geschichte seines Romans zu kommen: der Emanzipation der Maschine von ihrem Schöpfer. Kaum hat der Techniker seine künstliche Phyllis einem kleinen Bekanntenkreis vorgestellt, verliert sie die Lust an seiner Gesellschaft.
Phyllis haut ab mit den Worten: "Ich denke, ich versuch es mal im Showbusiness". Dort landet sie auch, nach einigen weniger geglückten Zwischenstationen als Stripperin und Telefonsexarbeiterin. Phyllis reüssiert zuerst in erotisch aufgeladenen Actionfilmen, ihre Rollen erinnern an die Auftritte ihrer Kollegin Angelina Jolie als Computerspielfigur Lara Croft.
Phyllis’ nüchterne, von keinen Emotionen getrübte Analyse menschlicher Bedürfnisse verhilft ihr zu den richtigen Filmen, zu gigantischen Erfolgen und zu einem kometenhaften Aufstieg. Bis sie sich, auch dafür gibt es echte Beispiele, mit einem Ausflug ins anspruchsvolle Kunstfach ins Aus katapultiert. Ihre werkgetreue Filmadaption der "Kameliendame" von Alexandre Dumas will in Amerika keiner sehen, nicht einmal, wenn Phyllis die Hauptrolle spielt. Damit beginnt vorerst der Abstieg dieser künstlichen Frau.
An dieser Wendestelle seines Romans bringt Thomas Berger die Liebe ins Spiel, allerdings in einer sehr ironischen Variante. Phyllis’ Schöpfer Ellery Pierce hat seine Kunstfrau nicht vergessen können, im Gegenteil. Trotz seiner Einsicht in das Irrationale dieses Gefühls entbrennt er in immer stärkerer Liebe zu der Frauenmaschine.
Pierce findet die Entlaufene wieder, es gelingt ihm, sie von seiner Nützlichkeit zu überzeugen. Gemeinsam treiben sie das Projekt "Phyllis" auf die Schlusspointe des Romans zu: die animatronische Frau soll die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Keine Frage: in der sarkastisch verdrehten Welt dieses Romans hat die Maschinenfrau gute Chancen, zum mächtigsten "Menschen" der Welt zu werden.
Jonathan Lethem, ein viel gepriesener jüngerer Autorenkollege von Thomas Berger, hat ein Nachwort zu den "Abenteuern einer künstlichen Frau" beigesteuert. Lethem fragt in diesem Nachwort: "Gibt es einen schlagenderen Beweis für die mangelnde Sinnlichkeit unserer Lesekultur als das bisherige Fehlen von Thomas Bergers Romanen in den Flughafenbuchhandlungen?"
Die Flughafen- oder Bahnhofsbuchhandlung ist tatsächlich der passende Ort für diesen Roman von Thomas Berger. Das Buch ist fesselnd, schnell, zupackend und komisch. Eine Situation jagt die andere, mit dem Ausmalen von Seelenzuständen hält sich Berger nicht auf, wie auch: in Phyllis’ Innerem flackern nur die Schaltkreise. Thomas Berger lässt mit diesem Roman ein bösartiges Zerrbild des amerikanischen Unterhaltungs- und Politikbetriebs aufleuchten, eine satirische Zeichnung durchdringender Künstlichkeit, und das ohne einen mahnenden Ton.
Thomas Berger: "Abenteuer einer künstlichen Frau". Roman.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernhard Robben.
Tropen Verlag, 239 Seiten, 18,80 €
So flott und klar und geradezu beginnt der Roman "Abenteuer einer künstlichen Frau" von Thomas Berger, und genauso geht es weiter. Der heute 82-jährige amerikanische Altmeister Berger verschwendet keine Zeit für technische Details seiner Romananordnung, andere Autoren würden sich das bei solch einem Science-Fiction-Setting auf keinen Fall entgehen lassen.
Bei Thomas Berger erfährt man gerade mal, dass die Haut seiner künstlichen Frau durch einen Kreislauf aus erhitztem Öl auf menschlicher Körpertemperatur gehalten wird und dass sie - falls die gesellschaftliche Umgebung das mal erforderlich macht - Nahrung aufnehmen und in einem Sammelbehälter speichern kann.
Die 15 Jahre dauernde Tüftelei von Ellery Pierce an seiner perfekten Kunstfrau handelt Berger also schnellstmöglich ab, um zur eigentlichen Geschichte seines Romans zu kommen: der Emanzipation der Maschine von ihrem Schöpfer. Kaum hat der Techniker seine künstliche Phyllis einem kleinen Bekanntenkreis vorgestellt, verliert sie die Lust an seiner Gesellschaft.
Phyllis haut ab mit den Worten: "Ich denke, ich versuch es mal im Showbusiness". Dort landet sie auch, nach einigen weniger geglückten Zwischenstationen als Stripperin und Telefonsexarbeiterin. Phyllis reüssiert zuerst in erotisch aufgeladenen Actionfilmen, ihre Rollen erinnern an die Auftritte ihrer Kollegin Angelina Jolie als Computerspielfigur Lara Croft.
Phyllis’ nüchterne, von keinen Emotionen getrübte Analyse menschlicher Bedürfnisse verhilft ihr zu den richtigen Filmen, zu gigantischen Erfolgen und zu einem kometenhaften Aufstieg. Bis sie sich, auch dafür gibt es echte Beispiele, mit einem Ausflug ins anspruchsvolle Kunstfach ins Aus katapultiert. Ihre werkgetreue Filmadaption der "Kameliendame" von Alexandre Dumas will in Amerika keiner sehen, nicht einmal, wenn Phyllis die Hauptrolle spielt. Damit beginnt vorerst der Abstieg dieser künstlichen Frau.
An dieser Wendestelle seines Romans bringt Thomas Berger die Liebe ins Spiel, allerdings in einer sehr ironischen Variante. Phyllis’ Schöpfer Ellery Pierce hat seine Kunstfrau nicht vergessen können, im Gegenteil. Trotz seiner Einsicht in das Irrationale dieses Gefühls entbrennt er in immer stärkerer Liebe zu der Frauenmaschine.
Pierce findet die Entlaufene wieder, es gelingt ihm, sie von seiner Nützlichkeit zu überzeugen. Gemeinsam treiben sie das Projekt "Phyllis" auf die Schlusspointe des Romans zu: die animatronische Frau soll die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Keine Frage: in der sarkastisch verdrehten Welt dieses Romans hat die Maschinenfrau gute Chancen, zum mächtigsten "Menschen" der Welt zu werden.
Jonathan Lethem, ein viel gepriesener jüngerer Autorenkollege von Thomas Berger, hat ein Nachwort zu den "Abenteuern einer künstlichen Frau" beigesteuert. Lethem fragt in diesem Nachwort: "Gibt es einen schlagenderen Beweis für die mangelnde Sinnlichkeit unserer Lesekultur als das bisherige Fehlen von Thomas Bergers Romanen in den Flughafenbuchhandlungen?"
Die Flughafen- oder Bahnhofsbuchhandlung ist tatsächlich der passende Ort für diesen Roman von Thomas Berger. Das Buch ist fesselnd, schnell, zupackend und komisch. Eine Situation jagt die andere, mit dem Ausmalen von Seelenzuständen hält sich Berger nicht auf, wie auch: in Phyllis’ Innerem flackern nur die Schaltkreise. Thomas Berger lässt mit diesem Roman ein bösartiges Zerrbild des amerikanischen Unterhaltungs- und Politikbetriebs aufleuchten, eine satirische Zeichnung durchdringender Künstlichkeit, und das ohne einen mahnenden Ton.
Thomas Berger: "Abenteuer einer künstlichen Frau". Roman.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernhard Robben.
Tropen Verlag, 239 Seiten, 18,80 €