"Die Pflichten über das private Glück zu setzen"
Eine Kindheit unter feldwebelhaften Kindermädchen und eine Königsfamilie ohne emotionale Intelligenz: Mit Elizabeth II. möchte man eher nicht tauschen, nach der Lektüre dieses Buches. In lässigem Plauderton geschrieben, ist es pures Lesevergnügen mit intellektuellem Tiefgang.
Thomas Kielinger war gerade mal 22 Jahre alt und Lektor an der Universität Cardiff, als er Zeuge eines britisch würdevollen Ereignisses wurde: Der Kanzler der Universität besuchte sein Germanistisches Department. 1962 war das. "Schön aufgereiht" standen die Mitarbeiter, um dem Kanzler die Hand zu schütteln. Der begrüßte zuerst den Leiter des Departments, ging dann die Reihe durch - "und hielt plötzlich inne, wie von einem Geistesblitz getroffen". Ging zum Leiter zurück, lupfte dessen zerschlissenen Talar und sagte: "Sie haben hier wohl schon sehr lange unterrichtet, nicht wahr?" British humor - royal humor. Denn der Kanzler hieß Prinz Philip Andrew, Duke of Edinburgh, Prinzgemahl der britischen Königin Elizabeth II.
Fünfzig Jahre später schüttelt der Prinzgemahl, mittlerweile 90, immer noch unermüdlich Hände - und die königliche Gattin sowieso. Und Thomas Kielinger berichtet seit 1998 für Die Welt aus London, aus der Metropole der "gekrönten Republik", wie George Orwell Britanniens konstitutionelle Monarchie genannt hat. Thomas Kielinger ist diesem Staatswesen auf allersympathischste Weise verfallen - und seiner derzeitigen Repräsentantin sowieso, die am 6. Februar 2012 Teil eins ihres diamantenen Thronjubiläums feiern kann. Am 6. Februar 1952 wurde sie zur Königin proklamiert.
Teil zwei: Die Krönung gab es erst 16 Monate später, am 2. Juni 1953. Aber es sollte vielleicht besser von einem Eisernen Jubiläum gesprochen werden. Diese Frau, die ihren mittlerweile 13. Premierminister sowohl ( als Staatsoberhaupt) unter sich als auch (dem wahren Souverän, dem Parlament verpflichtet) über sich hat, ist von einer Disziplin, dass die Eiserne Lady Maggie Thatcher fast schon als Weichei erscheint. "Warum sitzt sie immer auf dem Rand ihres Sessels?", zitiert Thomas Kielinger eine Frage der Queen an einen konservativen Lord, der das indiskreterweise in die Öffentlichkeit trug. Auf dem Rand des Sessels saß die Premierministerin bei den traditionellen Dienstagsaudienzen im Buckingham Palast, die "steif und eher betreten" ausfielen.
Kielinger verortet die Königin politisch "eher mitte-links": Er beschreibt sie als eine Monarchin, die dem klassenkämpferischen Krawallkurs ihrer konservativen Premierministerin eher reserviert gegenüber stand, Hände schüttelnd und Orden verteilend, und vor allem auch im unermüdlichen Einsatz der königlichen Familie für wohltätige Einrichtungen, was eine Königin in einer "gekrönten Republik" eben so machen kann. Und während Maggie Thatcher die weißen Rassistenregimes in Afrika als vermeintliche Bollwerke gegen den Kommunismus unterstützte, war Elizabeth eine Gegnerin der südafrikanischen Apartheid. "In Rassenfragen ist sie absolut farbenblind", hatte sie der frühere Labour-Außenminister David Owen überschwänglich gelobt. Das prädestinierte sie zur "Psychotherapeutin des Commonwealth" (Prinz Philip) - die in 16 weiteren Commonwealth-Staaten Staatsoberhaupt ist. Sie ist eine Weltmeisterin in Staatsbesuchen. Mit 85 Jahren besuchte sie im vorigen Oktober etwa Australien zum 16. Mal. Maggie Thatcher schrieb in ihren Memoiren, dass der weltweite Staatenbund "ohne die Queen seine Einheit nicht behalten hätte".
Und gleichzeitig gibt es als Grundtemperatur innerhalb der königlichen Familie eine menschliche Kälte und seelische Distanz - zu der der ruppige und oft verletzende Humor des Prinzgemahls (mit einer hoch-problematischen Kindheit) genauso gehört wie das Desaster um Lady Di, der ersten Frau des ewigen Thronfolgers Charles: "Er wird der bei Dienstantritt älteste Monarch in der Geschichte des Vereinigten Königreichs sein. So Gott will."
In der königlichen Familie wird nicht offen miteinander gesprochen. Stattdessen herrscht "Das Schweigen der Windsors" und dominiert, so Kielinger, das "fast gänzliche Fehlen jeglicher emotionaler Intelligenz". Und es herrscht über dem Thron von Elizabeth II. das Trauma ihres Onkels Edward VIII., der 1936 als König zurücktrat - der Liebe zur zweimal geschiedenen US-Amerikanerin Wallis Simpson wegen. Dieses Trauma prägt die Queen - und formte ihre Lebensmaxime: "die Pflichten über das private Glück zu setzen", wie Thomas Kielinger ebenso mitfühlend wie nüchtern schreibt. Genauso wie Elizabeths Kindheit unter feldwebelhaften Kindermädchen und der später so glorifizierten Mutter, der Queen Mum: "Dieser Frau, die ihre erzreaktionären Vorurteile hinter vielschichtigen Schleiern und ihrem ununterbrochenen Lächeln zu verbergen verstand".
Nein, mit Elizabeth II. möchte man eher nicht tauschen, nach der Lektüre dieses Buches - das in lässigem Plauderton mit intellektuellem Tiefgang pures Lesevergnügen ist. Nicht nur für Monarchisten. Die aber wünschen Elizabeth unbedingt, dass sie die legendäre Queen Victoria an Regierungszeit noch überrundet. Das wäre, mit 89, am 10. September 2015, "nach 63 Jahren, 7 Monaten und 4 Tagen auf dem Thron". So Gott will.
Besprochen von Klaus Pokatzky
Thomas Kielinger: Elizabeth II.
Das Leben der Queen
288 Seiten mit 27 Abbildungen und einem Stammbaum
Gebunden, Verlag C.H. Beck
Auch als E-Book lieferbar
19,95 Euro
Fünfzig Jahre später schüttelt der Prinzgemahl, mittlerweile 90, immer noch unermüdlich Hände - und die königliche Gattin sowieso. Und Thomas Kielinger berichtet seit 1998 für Die Welt aus London, aus der Metropole der "gekrönten Republik", wie George Orwell Britanniens konstitutionelle Monarchie genannt hat. Thomas Kielinger ist diesem Staatswesen auf allersympathischste Weise verfallen - und seiner derzeitigen Repräsentantin sowieso, die am 6. Februar 2012 Teil eins ihres diamantenen Thronjubiläums feiern kann. Am 6. Februar 1952 wurde sie zur Königin proklamiert.
Teil zwei: Die Krönung gab es erst 16 Monate später, am 2. Juni 1953. Aber es sollte vielleicht besser von einem Eisernen Jubiläum gesprochen werden. Diese Frau, die ihren mittlerweile 13. Premierminister sowohl ( als Staatsoberhaupt) unter sich als auch (dem wahren Souverän, dem Parlament verpflichtet) über sich hat, ist von einer Disziplin, dass die Eiserne Lady Maggie Thatcher fast schon als Weichei erscheint. "Warum sitzt sie immer auf dem Rand ihres Sessels?", zitiert Thomas Kielinger eine Frage der Queen an einen konservativen Lord, der das indiskreterweise in die Öffentlichkeit trug. Auf dem Rand des Sessels saß die Premierministerin bei den traditionellen Dienstagsaudienzen im Buckingham Palast, die "steif und eher betreten" ausfielen.
Kielinger verortet die Königin politisch "eher mitte-links": Er beschreibt sie als eine Monarchin, die dem klassenkämpferischen Krawallkurs ihrer konservativen Premierministerin eher reserviert gegenüber stand, Hände schüttelnd und Orden verteilend, und vor allem auch im unermüdlichen Einsatz der königlichen Familie für wohltätige Einrichtungen, was eine Königin in einer "gekrönten Republik" eben so machen kann. Und während Maggie Thatcher die weißen Rassistenregimes in Afrika als vermeintliche Bollwerke gegen den Kommunismus unterstützte, war Elizabeth eine Gegnerin der südafrikanischen Apartheid. "In Rassenfragen ist sie absolut farbenblind", hatte sie der frühere Labour-Außenminister David Owen überschwänglich gelobt. Das prädestinierte sie zur "Psychotherapeutin des Commonwealth" (Prinz Philip) - die in 16 weiteren Commonwealth-Staaten Staatsoberhaupt ist. Sie ist eine Weltmeisterin in Staatsbesuchen. Mit 85 Jahren besuchte sie im vorigen Oktober etwa Australien zum 16. Mal. Maggie Thatcher schrieb in ihren Memoiren, dass der weltweite Staatenbund "ohne die Queen seine Einheit nicht behalten hätte".
Und gleichzeitig gibt es als Grundtemperatur innerhalb der königlichen Familie eine menschliche Kälte und seelische Distanz - zu der der ruppige und oft verletzende Humor des Prinzgemahls (mit einer hoch-problematischen Kindheit) genauso gehört wie das Desaster um Lady Di, der ersten Frau des ewigen Thronfolgers Charles: "Er wird der bei Dienstantritt älteste Monarch in der Geschichte des Vereinigten Königreichs sein. So Gott will."
In der königlichen Familie wird nicht offen miteinander gesprochen. Stattdessen herrscht "Das Schweigen der Windsors" und dominiert, so Kielinger, das "fast gänzliche Fehlen jeglicher emotionaler Intelligenz". Und es herrscht über dem Thron von Elizabeth II. das Trauma ihres Onkels Edward VIII., der 1936 als König zurücktrat - der Liebe zur zweimal geschiedenen US-Amerikanerin Wallis Simpson wegen. Dieses Trauma prägt die Queen - und formte ihre Lebensmaxime: "die Pflichten über das private Glück zu setzen", wie Thomas Kielinger ebenso mitfühlend wie nüchtern schreibt. Genauso wie Elizabeths Kindheit unter feldwebelhaften Kindermädchen und der später so glorifizierten Mutter, der Queen Mum: "Dieser Frau, die ihre erzreaktionären Vorurteile hinter vielschichtigen Schleiern und ihrem ununterbrochenen Lächeln zu verbergen verstand".
Nein, mit Elizabeth II. möchte man eher nicht tauschen, nach der Lektüre dieses Buches - das in lässigem Plauderton mit intellektuellem Tiefgang pures Lesevergnügen ist. Nicht nur für Monarchisten. Die aber wünschen Elizabeth unbedingt, dass sie die legendäre Queen Victoria an Regierungszeit noch überrundet. Das wäre, mit 89, am 10. September 2015, "nach 63 Jahren, 7 Monaten und 4 Tagen auf dem Thron". So Gott will.
Besprochen von Klaus Pokatzky
Thomas Kielinger: Elizabeth II.
Das Leben der Queen
288 Seiten mit 27 Abbildungen und einem Stammbaum
Gebunden, Verlag C.H. Beck
Auch als E-Book lieferbar
19,95 Euro