Die Philosophie verteidigt ihr Hirn
In welcher Weise sprechen die derzeit so aktuellen Neurowissenschaften über das menschliche Gehirn? Und ist das theoretisch immer plausibel, oder kann der kritische Philosoph hier doch einige Missstände aufdecken? Letzteres hat sich nun Peter Janich, bis vor zwei Jahren Professor für Systematische Philosophie an der Universität Marburg, vorgenommen.
In einem schmalen Suhrkamp-Bändchen klopft er die Sprache der Hirnforschung äußerst gründlich auf ihre Probleme ab und unterzieht sie dabei einer kleinteiligen und peniblen Kritik. Wann kann man von einem Experiment sprechen? Was ist ein kausaler Zusammenhang? In welchem Sinn kann man von "Verschaltungen" im Gehirn sprechen?
Von wissenschaftlichen Basisproblemen bis hin zu speziellen Metaphern der Neurowissenschaft, überall sieht der Wissenschaftsphilosoph Begriffe, die geklärt und hinterfragt werden müssen. Der Text geht aus einer Debatte hervor, die im letzten Sommer recht eifrig in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geführt wurde.
Janich hatte dort ein Buch des streitbaren Hirnforschers Wolf Singer kritisch rezensiert, woraufhin dieser ihm in einem offenen Brief polemisch vorhielt, die Evidenz von Experimenten nicht anzuerkennen. In einer ebenfalls in der "Frankfurter Allgemeinen" veröffentlichten, nicht weniger polemischen Replik warf ihm Janich ein theoretisches Missverständnis der Naturwissenschaften vor.
Vorwürfe flogen hin und her, und dabei wurde auch der seit rund 100 Jahren beliebte Grabenkampf zwischen Geistes- und Naturwissenschaften aufgetan. Gegen den Anwurf, ein naturwissenschaftsferner Geisteswissenschaftler zu sein, verwehrte sich Janich schon damals vehement, und auch im vorliegenden Buch macht er klar, dass Philosophie durchaus keine Geisteswissenschaft ist.
Sie hat in Janichs Verständnis vielmehr die Aufgabe, als Wissenschaftskritik die theoretischen Grundlagen der Wissenschaften zu reflektieren und damit ihren Beitrag zum Erkenntnisfortschritt zu leisten. Genau das will offenbar auch Janich mit dem ambitionierten Versuch, von der Pike auf zu erklären, was eine gute Wissenschaftskritik im Hinblick auf die derzeitige Hirnforschung leisten kann.
Auch wenn der Titel des Buchs "Kein neues Menschenbild. Zur Sprache der Hirnforschung" direkt Bezug auf ein früheres Buch von Singer namens "Ein neues Menschenbild? Gespräche über Hirnforschung" nimmt, steht die Polemik nicht im Vordergrund, sondern die Argumentation. Janich beginnt mit grundsätzlichen Überlegungen zur Sprachphilosophie und unterscheidet drei Ebenen der neurowissenschaftlichen Sprache: zunächst die "Objektsprache", wo es um die Gegenstände der Forschung geht – das Gehirn, der Organismus. Dann die "Parasprache", diejenige Bildungssprache, in der die Wissenschaft der Öffentlichkeit über ihre Ziele und ihr Selbstverständnis Auskunft gibt.
Und schließlich die "Metasprache", die über die Gegenstände und über die Theorien über die Gegenstände redet. Auf allen Ebenen weist er kleinteilig und mit umfassender sprachphilosophischer Kompetenz Unschärfen nach, die nicht nur die Selbstdarstellung der Hirnforschung betreffen, sondern auch ihr Selbstverständnis. Die metaphorische Rede von "Verschaltungen", "Signalen" oder "Information" im Gehirn wird ebenso hinterfragt wie der reißerische Satz "Das Hirn erforscht das Hirn", mit dem suggeriert wird, der Mensch (oder der Forscher) sei nichts als sein Gehirn. Immer wieder nimmt Janich den schlichten Naturalismus gewisser Forscher aufs Korn, die so tun, als würden ihre enorm aufwändigen technischen Experimentiermethoden die Natur eins zu eins abbilden und sich dabei weigern, die technische Herstellung ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse mitzudenken.
Dagegen hält Janich - im Einklang mit weiten Teilen der modernen Wissenschaftstheorie - dass der Wissenschaftler eben nicht von "Nirgendwo" auf seine Ergebnisse schaut, sondern als aktiver Teilnehmer im Labor etwas tut, über das er auch Rechenschaft geben können muss. Im Resultat steht Janich deshalb mit seiner Kritik am Naturalismus keineswegs allein. Ob er aber mit seinem auf hohem Niveau argumentierenden Büchlein auch nur einen der kritisierten Neurowissenschaftler bekehren wird, ist höchst zweifelhaft.
Rezensiert von Catherine Newmark
Peter Janich: Kein neues Menschenbild
Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, 192 Seiten, 10 Euro
Von wissenschaftlichen Basisproblemen bis hin zu speziellen Metaphern der Neurowissenschaft, überall sieht der Wissenschaftsphilosoph Begriffe, die geklärt und hinterfragt werden müssen. Der Text geht aus einer Debatte hervor, die im letzten Sommer recht eifrig in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geführt wurde.
Janich hatte dort ein Buch des streitbaren Hirnforschers Wolf Singer kritisch rezensiert, woraufhin dieser ihm in einem offenen Brief polemisch vorhielt, die Evidenz von Experimenten nicht anzuerkennen. In einer ebenfalls in der "Frankfurter Allgemeinen" veröffentlichten, nicht weniger polemischen Replik warf ihm Janich ein theoretisches Missverständnis der Naturwissenschaften vor.
Vorwürfe flogen hin und her, und dabei wurde auch der seit rund 100 Jahren beliebte Grabenkampf zwischen Geistes- und Naturwissenschaften aufgetan. Gegen den Anwurf, ein naturwissenschaftsferner Geisteswissenschaftler zu sein, verwehrte sich Janich schon damals vehement, und auch im vorliegenden Buch macht er klar, dass Philosophie durchaus keine Geisteswissenschaft ist.
Sie hat in Janichs Verständnis vielmehr die Aufgabe, als Wissenschaftskritik die theoretischen Grundlagen der Wissenschaften zu reflektieren und damit ihren Beitrag zum Erkenntnisfortschritt zu leisten. Genau das will offenbar auch Janich mit dem ambitionierten Versuch, von der Pike auf zu erklären, was eine gute Wissenschaftskritik im Hinblick auf die derzeitige Hirnforschung leisten kann.
Auch wenn der Titel des Buchs "Kein neues Menschenbild. Zur Sprache der Hirnforschung" direkt Bezug auf ein früheres Buch von Singer namens "Ein neues Menschenbild? Gespräche über Hirnforschung" nimmt, steht die Polemik nicht im Vordergrund, sondern die Argumentation. Janich beginnt mit grundsätzlichen Überlegungen zur Sprachphilosophie und unterscheidet drei Ebenen der neurowissenschaftlichen Sprache: zunächst die "Objektsprache", wo es um die Gegenstände der Forschung geht – das Gehirn, der Organismus. Dann die "Parasprache", diejenige Bildungssprache, in der die Wissenschaft der Öffentlichkeit über ihre Ziele und ihr Selbstverständnis Auskunft gibt.
Und schließlich die "Metasprache", die über die Gegenstände und über die Theorien über die Gegenstände redet. Auf allen Ebenen weist er kleinteilig und mit umfassender sprachphilosophischer Kompetenz Unschärfen nach, die nicht nur die Selbstdarstellung der Hirnforschung betreffen, sondern auch ihr Selbstverständnis. Die metaphorische Rede von "Verschaltungen", "Signalen" oder "Information" im Gehirn wird ebenso hinterfragt wie der reißerische Satz "Das Hirn erforscht das Hirn", mit dem suggeriert wird, der Mensch (oder der Forscher) sei nichts als sein Gehirn. Immer wieder nimmt Janich den schlichten Naturalismus gewisser Forscher aufs Korn, die so tun, als würden ihre enorm aufwändigen technischen Experimentiermethoden die Natur eins zu eins abbilden und sich dabei weigern, die technische Herstellung ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse mitzudenken.
Dagegen hält Janich - im Einklang mit weiten Teilen der modernen Wissenschaftstheorie - dass der Wissenschaftler eben nicht von "Nirgendwo" auf seine Ergebnisse schaut, sondern als aktiver Teilnehmer im Labor etwas tut, über das er auch Rechenschaft geben können muss. Im Resultat steht Janich deshalb mit seiner Kritik am Naturalismus keineswegs allein. Ob er aber mit seinem auf hohem Niveau argumentierenden Büchlein auch nur einen der kritisierten Neurowissenschaftler bekehren wird, ist höchst zweifelhaft.
Rezensiert von Catherine Newmark
Peter Janich: Kein neues Menschenbild
Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, 192 Seiten, 10 Euro