Rosa Luxemburg und die Freiheit der Andersdenkenden
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"Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden" - ein beinahe geflügeltes Wort der Revolutionärin Rosa Luxemburg. Aber wie genau war es gemeint, und was sagt es uns heute? Die Philosophin Bini Adamczak liest es als Plädoyer für mehr Egalitarismus.
Das Zitat stamme ursprünglich aus einem im Gefängnis verfassten Text über die russische Revolution, so die Philosophin und Luxemburg-Kennerin Bini Adamczak. Darin formuliere Luxemburg eine doppelte Kritik:
"Erstens eine Kritik an der deutschen Sozialdemokratie, die den Anspruch auf eine Revolution, die eine soziale Demokratie herstellen würde, aufgegeben hat. Andererseits eine Kritik an den Sozialistinnen in Russland, die an diesem Anspruch festhalten, eine Welt ohne Ausbeutung herzustellen, die diesen Anspruch aber mit selbst herrschaftlichen Mitteln realisieren wollen."
Plädoyer für einen demokratischen Sozialismus
So erhebe Luxemburg entschieden Einspruch gegen Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit und demokratischer Verfahrensweisen im Kampf gegen die "Konterrevolution". Dagegen beharre sie darauf, dass Sozialismus nur auf einer demokratischen Grundlage, unter Mitwirkung aller, entwickelt werden könne. Andernfalls sei er zum Scheitern verurteilt.
"'Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden', meint nun genau das: dass sich keine Regierung der Welt, keine politische Bewegung hinstellen und von sich behaupten kann, ein fertiges Konzept bereits in der Tasche zu haben, das sie nun von oben dekretieren kann. Sondern die Entwicklung eines Gemeinwesens, das nicht herrschaftlich organisiert ist, muss immer mit allen gemeinsam geschehen - und das heißt eben auch, mit denen, die eine andere Meinung haben."
Politische Freiheit braucht ökonomische Gleichheit
Damit unterstreiche Luxemburg das "enge Wechselverhältnis" von Freiheit und Gleichheit. Der damit verbundene "umfassende Demokratiebegriff" sei von anhaltender Brisanz auch für aktuelle Debatten:
"Zur Verteidigung der Demokratie reicht es nicht, sich auf demokratische Werte zu berufen, sondern wir müssen auch überlegen, was die Bedingungen der Demokratie sind."
In diesem Sinne lasse sich mit Rosa Luxemburg etwa die Beschränkung des Wahlrechts auf Menschen mit deutschem Pass ebenso kritisieren wie die Profitausrichtung von Presse-Unternehmen. Ein anderes Beispiel sieht Adamczak in der Abhängigkeit politischer Mitbestimmung vom Einkommen.
Gerechtigkeit lässt sich nicht gewaltsam erzwingen
"Ist es wirklich eine Demokratie, wenn zwar jeder Mensch nur eine Stimme hat, aber manche Menschen für eine Arbeitsstunde zehn Euro bekommen und andere 1000, also einen viel größeren Einfluss auf das Gemeinwesen haben", fragt Adamczak. Für eine "wirkliche Demokratie" müssten diese Bedingungen verändert werden - aber:
"Wenn wir die Bedingungen der Demokratie verändern, dann muss diese Veränderung selbst demokratisch sein, sonst wird sie autoritär und konterkariert ihren eigenen Anspruch."