Die Podcasts der sozialen Netzwerke

Phrasendrescherei und plumpe Eigenwerbung

04:57 Minuten
Auf einem Tisch liegt ein weißes Smartphone mit weißen Kopfhörern.
Beim Twitter-Podcast "Character Count" philosophieren die Gästen über die Marketingstrategien bei Twitter. Unsere Autorin ist dabei zweimal eingenickt. © Unsplash / freestocks
Von Carina Fron · 13.04.2019
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Inzwischen sind auch Facebook, Twitter & Co. auf den Podcast-Trend mit aufgesprungen. Was die sozialen Netzwerke an Podcasts fabriziert haben, findet vor den Ohren unserer Kritikerin Carina Fron allerdings keine Gnade – mit einer Ausnahme.

Facebook: "3.5 degrees. The Power of Connection"

"Just a few years ago, there was just a small number of ways to reach out to people. But today there is an explosion of ways to stay connected."
Die Phrasendrescherei aller "Wir wollen Menschen zusammenbringen". Könnte es passendere erste Worte für diesen Podcast geben?
Und mein Finger geht automatisch zur Stopptaste. "Three and a half degrees" ist der erste US-Podcast von Facebook. In jeder Episode erzählt Host David Fischer von einem jungen Unternehmen und dem erfolgreichen Pendant - zum Beispiel einen kleinen Burgerladen und McDonald's. Am Ende bringt er beide an einen Tisch.
"Now it's time for my favorite part of the podcast: Let's reduce this three and a half seperation down to one."

Geräusche aus der Klischeebox

Das Konzept erinnert mich an das Essen meiner polnischen Oma: Die Zutaten an sich stimmen schon, aber dank den Tonnen Butter drin ist es einfach zu viel. Zu viel Selbstbeweihräucherung der Unternehmen, zu aufgesetzt, zu viele Erzählweisen, die man so schon tausendmal gehört hat. Das Ganze immer noch garniert mit diesem einen pathetischen lebensverändernden Moment. So einen hat auch Brian Menning vom Klamottenlabel "Two blind brothers". Ein Verkehrsunfall hat dazu geführt, dass er seinen Gewinn heute an die Forschung gegen Erblindung stiftet.
"As we get about 20 feet away from the car, my mom slaps my arm and we swift into oncoming traffic…"
Und natürlich wird das mit Geräuschen aus der Klischee-Box illustriert. Doch wenigstens versucht Facebook hier ansatzweise zu erzählen.

Twitter: Character Count

Davon könnte sich Twitter für seinen ersten Podcast eine Scheibe abschneiden. Da heißt das Ding schon "Character Count" und trotzdem konnten die Macher keinen herausstechenden Charakter in ihrem eigenen Unternehmen finden, der den Podcast moderieren könnte. Sorry Joe Wadlington, morgen hab ich deinen Namen sicher wieder vergessen.
"I love hearing stories from People who connect on Twitter. Cause I’m constantly surprised by the types of relationships that can come throw by just tweeting at someone."
Die Eigenwerbung Twitters scheint bei den Gästen nicht immer so gut anzukommen. Das zeigt unter anderem die Folge mit Stephen Bedford von Simon and Schuster Books. Das Gespräch dauert gerade einmal 20 Minuten. Ich bin trotzdem zwei Mal eingenickt.

Marketing und plumpe Eigenwerbung

Das Problem von "Character Count" ist sicher zum einen das Thema. Über die Marketingstrategien bei Twitter mit den Gästen zu philosophieren, ist sehr speziell und spricht im Grunde nur Social- Media-Beauftragte in anderen Unternehmen an. Zum anderen fehlen spannende Fragen. Denn dass ein über 40-Minuten-Gespräch mit einem Unternehmer fesseln kann, das beweist Gimlet-Boss Alex Blumberg seit vergangenem Jahr mit seinem Business-Podcast "Without fail". Hier zu hören mit Ron Johnson – dem Mann, der die ikonischen Apple-Stores für Steve Jobs entworfen hat:
Ron Johnson: "So it was really two hours with him, a little bit of time with his leadership and we decided, it was the right thing to do."
Alex Blumberg: "And a couple not very good ideas. Apparently."
Ron Johnson: "That’s what he said at this time."
Hier ist eben ein Profi am Werk. Hat Blumberg seine Podcastschmiede Gimlet doch gerade erst für über 200.000 Millionen Dollar an Spotify verkauft. So einen wie Blumberg bräuchten auch Facebook und Twitter für ihre Produkte – einfach damit sie sich den Namen Podcast bei mir wirklich verdienen. Deshalb bekommt LinkedIn für ihren zwar nicht ersten, aber neuen Podcast, namens "Hello Monday", schon einmal ein Bienchen ins Mutti-Heft. Mit Jessi Hempel ist eine Tech-Journalistin am Mikrofon.

LinkedIn: Hello Monday

"And every once in a while I stop and ask myself: Am I doing this right, this career thing?"
Bei 'Hello Monday' geht Jessi Hempel der Frage auf den Grund, wie sich Arbeit verändert hat und wie man das Beste aus der eigenen Karriere machen kann. Hier berichtet zum Beispiel Comedian Seth Meyers vom TV-Format NBC's "Late Night with Seth Meyers".
"I mean the great gift of the this show is, that you've got to choose everybody you wanted to work with and you’ve got to signe off everybody you want to work with."
Die Gäste-Auswahl von LinkedIn spricht mich mehr an, weil hier nicht nur Firmenbosse fabulieren. Sondern Autoren, Sportler und so weiter. Trotzdem müssen es anscheinend Personen des öffentlichen Lebens sein. Das ist so gar nicht das, was ich von den sozialen Netzwerken erwarte. Vorbild könnte hier "Endless Thread" von WBUR und Reddit sein.
Seit über einem Jahr sucht der Podcast spannende Menschen auf Reddit und lässt die ihre Geschichte im Podcast erzählen. Warum sind die anderen nur nicht auf die Idee gekommen?
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