Die politische Leinwand
In den letzen Jahren waren auf der Berlinale zunehmend politische Filme zu sehen. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders, wo unter anderem Regisseur Michael Winterbottom seinen Film "The Road to Guantanamo" im Wettbewerb vorstellte. Aber auch Romuald Karmakars "Hamburger Lektionen" oder Jan Henrik Stahlbergs "Bye bye Berlusconi" unterstreichen den politischen Anspruch des Festivals.
September 2001: Vier junge Engländer pakistanischer Herkunft fliegen nach Pakistan, wo einer von ihnen heiraten will. Bis zur Hochzeit ist noch etwas Zeit, so sehen sie sich Karachi an und besuchen u.a. eine Moschee. Dort fordert sie der Imam auf, nach Afghanistan zu reisen, um der Bevölkerung zu helfen. Die Busreise ist billig und das ganze klingt nach Abenteuer. Also fahren sie nach Afghanistan.
Doch kaum kommen sie dort an, beginnt der Krieg. Sie geraten in die Kriegsgefangenschaft der Nordallianz, werden den US-Truppen übergeben und schließlich ins amerikanische Kriegsgefangenenlager nach Guantanamo auf Kuba gebracht.
Szene aus "The road to Guantanamo":
"Weitere Al Quaida- und Taliban-Gefangene erreichen heute Guantanamo in Kuba. Trotz internationaler Kritik besteht Amerika darauf, dass die Bedingungen in dem Lager human seien."
Mit Archivmaterial, Interviews und inszenierten Passagen erzählt Michael Winterbottom von dieser Odyssee und einem noch immer hoch aktuellen Thema.
Michael Winterbottom: "Bei diesem Film ging es natürlich darum, die Menschen daran zu erinnern, wie bizarr es ist, dass so etwas wie Guantanamo überhaupt existiert. Stellen wir uns doch mal vor, vor fünf Jahren hätte uns jemand erzählt, dass die US-Regierung in Kuba ein Gefangenenlager baut, um dort Menschen festzuhalten, da dies in ihrem Land illegal wäre. Sie sollen in einem Krieg gekämpft haben, aber sie werden nicht als Kriegsgefangene anerkannt. Dass sie Menschen vier Jahre ohne Gerichtsverfahren festhalten, oft sogar ohne Anklage. Die Leute hätten einen für verrückt erklärt, wenn man das gesagt hätte. Und jetzt, nach vier Jahren, haben wir uns daran gewöhnt. Wir gewöhnen uns daran, dass Guantanamo existiert. Und noch immer sind dort 500 Leute inhaftiert."
"The road to Guantanamo" ist ein Meisterwerk der ungewöhnlichen filmischen Erzählung, aber es hat eine entscheidende Schwachstelle: Die Erklärung, warum die jungen Männer nach Afghanistan aufbrachen, ist einfach nicht überzeugend.
Überzeugen hingegen konnte Mohammed Fazazi, der ehemalige Imam der Al-Quds-Moschee in Hamburg. Im Januar 2000 hielt er Lektionen, bei denen die Anwesenden Fragen zu verschiedenen Aspekten des Lebens stellen konnten. Diese Sitzungen wurden auf Video aufgenommen und anschließend vertrieben.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde bekannt, dass drei der vier Selbstmordpiloten der "Hamburger Gruppe" zugerechnet wurden, die regelmäßig die Moschee besuchten und engen Kontakt zu Fazazi hatten. Romuald Karmakar hat diese Reden übersetzt und von Manfred Zapatka lesen lassen. Sein Film die "Hamburger Lektionen" gibt die Möglichkeit, die Logik eines islamistischen Denkers und Predigers kennen zu lernen.
Mit "Bye bye Berlusconi" wiederum drehte Jan Henrik Stahlberg einen Film über eine fiktive Entführung des italienischen Ministerpräsidenten. In einem fairen und unabhängigen Prozess will man jenen endlich dem Urteil zuführen, dem er sich im wahren Leben seit Jahren erfolgreich entzieht. Allerdings ist der Film als Satire gedreht, denn diesen Ratschlag hatte Jan Henrik Stahlberg zuvor von seinen Anwälten bekommen.
Jan Henrik Stahlberg: "Insgesamt haben wir sieben Anwälte gehabt, dass selten von juristischer Seite so kreativ an einem Film mitgearbeitet worden ist. Soll heißen, Sie können davon ausgehen, dass das, was wir in diesem Film sagen über Berlusconi, von Marco Belloquio übrigens, der ist so eine Art Günter Wallraf in Italien, abgesegnet worden ist. Diese Vorwürfe stimmen."
Denn Berlusconi und seine Mitarbeiter waren in zahlreiche Strafverfahren verwickelt, in denen es um die Nähe zur Mafia, um Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung und Bestechung ging. In keinem dieser Fälle wurde er verurteilt. Einige sind verjährt. Andere Anklagen wurden fallen gelassen, weil Gesetze geändert wurden.
Um Gesetze kümmerte sich der dominikanische Diktator Trujillo nie. Der General führte sein Willkürregime zwischen 1953 und 1961, Tausende politische Gegner ließ er umbringen und erwarb sich nebenbei einen Ruf als Kinderschänder.
Szene aus "La Fiesta del Chivo":
"Ich bin immer allein gewesen. Keiner von euch hat meine Opfer verdient. In diesem Land gibt es keine Tugenden mehr, es ist ein Land voller Feiglinge und Schwächlinge. Verschwindet mir aus den Augen. Raus!"
Der Filmemacher Luus Llosa schickt in seinem Film "La Fiesta del Chivo" Isabella Rossellini als Tochter eines ehemaligen engen Mitarbeiters von Tujillo zurück in die Heimat, um herauszufinden, was dazu geführt hat, dass ihr Vater dem Unterdrücker loyal bis zum letzten zur Seite stand.
Luis Llosa: "Ich denke, man kann die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Man kann den Film als Politthriller sehen, man kann auch sagen, dass es sich um eine dunkle Seite des Lebens handelt oder dass da über Macht reflektiert wird. Aber vor allem ist es ein menschliches Drama."
Politische Filme zu zeigen ist für ein großes Filmfestival eigentlich nichts Besonderes. Aber die Fülle der Werke - und die hier aufgeführten Filme könnten beliebig erweitert werden - die Anzahl also, die Festivalchef Dieter Kosslick und seine Mitarbeiter ausgewählt haben, zeigen, dass Berlin wohl auch weiterhin als politisches Forum sein Profil schärfen will.
Das wird auch dadurch unterstrichen, dass die angesprochenen Filme alle in der ersten Hälfte des Festivals gelaufen sind. Also zu einer Zeit, da die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit höher ist als gegen Ende. Und wenn Kosslick dann noch selbst um 21.30 Uhr in den Filmpalast kommt, um Luis Llosa und sein Team zu begrüßen, dessen Film "La Fiesta del Chivo" nur in einer Nebensektion läuft, dann spricht das für sich. Oder wie es Luis Llosa ausdrückt:
"Ich denke, es ist ein Film, der sehr gut in zur Tradition des Berliner Filmfestivals passt."
Doch kaum kommen sie dort an, beginnt der Krieg. Sie geraten in die Kriegsgefangenschaft der Nordallianz, werden den US-Truppen übergeben und schließlich ins amerikanische Kriegsgefangenenlager nach Guantanamo auf Kuba gebracht.
Szene aus "The road to Guantanamo":
"Weitere Al Quaida- und Taliban-Gefangene erreichen heute Guantanamo in Kuba. Trotz internationaler Kritik besteht Amerika darauf, dass die Bedingungen in dem Lager human seien."
Mit Archivmaterial, Interviews und inszenierten Passagen erzählt Michael Winterbottom von dieser Odyssee und einem noch immer hoch aktuellen Thema.
Michael Winterbottom: "Bei diesem Film ging es natürlich darum, die Menschen daran zu erinnern, wie bizarr es ist, dass so etwas wie Guantanamo überhaupt existiert. Stellen wir uns doch mal vor, vor fünf Jahren hätte uns jemand erzählt, dass die US-Regierung in Kuba ein Gefangenenlager baut, um dort Menschen festzuhalten, da dies in ihrem Land illegal wäre. Sie sollen in einem Krieg gekämpft haben, aber sie werden nicht als Kriegsgefangene anerkannt. Dass sie Menschen vier Jahre ohne Gerichtsverfahren festhalten, oft sogar ohne Anklage. Die Leute hätten einen für verrückt erklärt, wenn man das gesagt hätte. Und jetzt, nach vier Jahren, haben wir uns daran gewöhnt. Wir gewöhnen uns daran, dass Guantanamo existiert. Und noch immer sind dort 500 Leute inhaftiert."
"The road to Guantanamo" ist ein Meisterwerk der ungewöhnlichen filmischen Erzählung, aber es hat eine entscheidende Schwachstelle: Die Erklärung, warum die jungen Männer nach Afghanistan aufbrachen, ist einfach nicht überzeugend.
Überzeugen hingegen konnte Mohammed Fazazi, der ehemalige Imam der Al-Quds-Moschee in Hamburg. Im Januar 2000 hielt er Lektionen, bei denen die Anwesenden Fragen zu verschiedenen Aspekten des Lebens stellen konnten. Diese Sitzungen wurden auf Video aufgenommen und anschließend vertrieben.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde bekannt, dass drei der vier Selbstmordpiloten der "Hamburger Gruppe" zugerechnet wurden, die regelmäßig die Moschee besuchten und engen Kontakt zu Fazazi hatten. Romuald Karmakar hat diese Reden übersetzt und von Manfred Zapatka lesen lassen. Sein Film die "Hamburger Lektionen" gibt die Möglichkeit, die Logik eines islamistischen Denkers und Predigers kennen zu lernen.
Mit "Bye bye Berlusconi" wiederum drehte Jan Henrik Stahlberg einen Film über eine fiktive Entführung des italienischen Ministerpräsidenten. In einem fairen und unabhängigen Prozess will man jenen endlich dem Urteil zuführen, dem er sich im wahren Leben seit Jahren erfolgreich entzieht. Allerdings ist der Film als Satire gedreht, denn diesen Ratschlag hatte Jan Henrik Stahlberg zuvor von seinen Anwälten bekommen.
Jan Henrik Stahlberg: "Insgesamt haben wir sieben Anwälte gehabt, dass selten von juristischer Seite so kreativ an einem Film mitgearbeitet worden ist. Soll heißen, Sie können davon ausgehen, dass das, was wir in diesem Film sagen über Berlusconi, von Marco Belloquio übrigens, der ist so eine Art Günter Wallraf in Italien, abgesegnet worden ist. Diese Vorwürfe stimmen."
Denn Berlusconi und seine Mitarbeiter waren in zahlreiche Strafverfahren verwickelt, in denen es um die Nähe zur Mafia, um Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung und Bestechung ging. In keinem dieser Fälle wurde er verurteilt. Einige sind verjährt. Andere Anklagen wurden fallen gelassen, weil Gesetze geändert wurden.
Um Gesetze kümmerte sich der dominikanische Diktator Trujillo nie. Der General führte sein Willkürregime zwischen 1953 und 1961, Tausende politische Gegner ließ er umbringen und erwarb sich nebenbei einen Ruf als Kinderschänder.
Szene aus "La Fiesta del Chivo":
"Ich bin immer allein gewesen. Keiner von euch hat meine Opfer verdient. In diesem Land gibt es keine Tugenden mehr, es ist ein Land voller Feiglinge und Schwächlinge. Verschwindet mir aus den Augen. Raus!"
Der Filmemacher Luus Llosa schickt in seinem Film "La Fiesta del Chivo" Isabella Rossellini als Tochter eines ehemaligen engen Mitarbeiters von Tujillo zurück in die Heimat, um herauszufinden, was dazu geführt hat, dass ihr Vater dem Unterdrücker loyal bis zum letzten zur Seite stand.
Luis Llosa: "Ich denke, man kann die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Man kann den Film als Politthriller sehen, man kann auch sagen, dass es sich um eine dunkle Seite des Lebens handelt oder dass da über Macht reflektiert wird. Aber vor allem ist es ein menschliches Drama."
Politische Filme zu zeigen ist für ein großes Filmfestival eigentlich nichts Besonderes. Aber die Fülle der Werke - und die hier aufgeführten Filme könnten beliebig erweitert werden - die Anzahl also, die Festivalchef Dieter Kosslick und seine Mitarbeiter ausgewählt haben, zeigen, dass Berlin wohl auch weiterhin als politisches Forum sein Profil schärfen will.
Das wird auch dadurch unterstrichen, dass die angesprochenen Filme alle in der ersten Hälfte des Festivals gelaufen sind. Also zu einer Zeit, da die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit höher ist als gegen Ende. Und wenn Kosslick dann noch selbst um 21.30 Uhr in den Filmpalast kommt, um Luis Llosa und sein Team zu begrüßen, dessen Film "La Fiesta del Chivo" nur in einer Nebensektion läuft, dann spricht das für sich. Oder wie es Luis Llosa ausdrückt:
"Ich denke, es ist ein Film, der sehr gut in zur Tradition des Berliner Filmfestivals passt."