Die Polizei, dein Freund und Dichter
Polizisten verteilen Strafzettel und führen Verkehrskontrollen durch und zum Tatort kommen sie sowieso immer zu spät. Polizisten haben nicht das beste Image. Und das, was wir über den Polizeialltag wissen, beziehen wir aus Krimiserien. Das Internetprojekt Polizei-Poeten.de möchte das ändern. Polizisten schreiben hier ihre Erfahrungen und Erlebnisse in Kurzgeschichten und Gedichten nieder.
"Die erste Leiche vergisst man nicht - Der Mann lag rücklings mitten auf der asphaltierten Straße. In einem blöden, hirnrissigen Automatismus nahm ich das Handgelenk des Toten, um seinen Puls zu fühlen. Notwendig war das nicht mehr. Die Schädeldecke war in einer großen Fläche weggesprengt und das Gehirn war deutlich zu erkennen.
Das vergisst man selbstverständlich nie, der erste Tote - das hab ich dann schon versucht aufzuarbeiten. Man muss es auf jeden Fall verarbeiten, und da hat jeder seine persönliche Erfahrung, wie er das am besten machen kann."
Gerd Boussel arbeitet heute als Präventionsbeauftragter in Berlin-Marzahn. Er hat seine erste Leiche literarisch verarbeitet. Genauso wie zum Beispiel den Selbstmord eines Kollegen, der sich auf dem Revier eine Kugel in den Kopf gejagt hat. Auf der Internetseite "polizei-poeten.de" kann man seine Geschichten und Gedichte nachlesen.
Die Seite ist schlicht und nüchtern gestaltet, orange und blau sind die beherrschenden Farben. Die Polizei-Poeten kommen ohne technische Raffinessen oder Spielereien aus. Es gibt ausschließlich geschriebenes Wort - und Autorenfotos. Eine einfache Navigationsleiste führt zu den Autoren und ihren Texten. In der Mitte des Bildschirms: der "Text des Tages", gleich darunter: Informationen über den Verfasser.
"Ich legte mein Ohr auf den Brustkorb des Mädchens und höre -nichts. Einfach nichts! Ich schrecke zurück. In der Zwischenzeit sind die Rettungskräfte eingetroffen und übernehmen die Reanimationsmaßnahmen. Nach ca. 30 Minuten erklärt die Notärztin das Mädchen für tot. Der Vater und die Mutter brechen zusammen. Diese Aufschreie werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Ich kam mir so hilflos und verloren vor."
Hilflosigkeit und Verzweiflung sind Gefühle, die nicht jeder gerne vor seinen Kollegen ausbreitet. So schreibt eine Polizistin im Gästebuch der Internetseite:
"Es ist schön zu wissen, dass man mit seinen Gefühlen wie Ärger, Wut, Trauer und der Angst nicht alleine ist. Ich finde es sehr mutig, sich zu offenbaren! Ich könnte das nicht."
Gerd Boussel ist Polizeipoet der ersten Stunde. Er schreibt nicht nur über seinen Alltag als Polizist, sondern verarbeitet in seinen Gedichten und Erzählungen die unterschiedlichsten Gedanken, Gefühle und Beobachtungen. Bei seinen Kollegen kommt das nicht immer gut an.
"Das ist natürlich innerhalb der Polizei schon so, dass man von einigen Kollegen so 'n bisschen beäugt wird, unter dem Motto: oh Gott, der beschäftigt sich mit Kunst. Das ist wohl ein Gefühlsmensch und der ist möglicherweise noch sensibel, aber wir brauchen keine weinerlichen und zimperlichen Polizisten, die müssen alle hart anpacken und dürfen keine Gefühle zeigen. Aber natürlich sind wir auch Menschen und man sollte eben auch hinter die Uniform mal gucken. Das ist auch der Sinn dieser Geschichte."
"Die Polizei-Poeten gewähren einen Einblick hinter die 'grüne Haut' des einzelnen Polizisten" - so steht es ganz oben auf der Internetseite. Mit diesem Ziel starteten die Polizei-Poeten vor sieben Jahren. Gegründet von einem Kriminalbeamten und Konfliktberater aus Freiburg. Hunderte Erlebnisberichte sind mittlerweile im Internet nachzulesen, wie die von Uwe Hartig. Er arbeitet bei der Berliner Kriminalpolizei, im so genannten Kriminaldauerdienst. Mit einem Kollegen ist er auf dem Weg zu einem Einsatz.
"Wir haben jetzt einen Trickbetrug bekommen, das heißt eine ältere Dame hat heute einen Anruf erhalten und dort hat sich jemand vorgestellt und sie Glauben gemacht, dass es ein Verwandter wäre, und ganz dringend braucht er auf die Schnelle mal 20.000 Euro. Und leider ist es so, dass diese Täter sehr professionell und sehr durchtrieben sind, und Oma rennt tatsächlich los und geht auf die Bank und hebt 20.000 Euro ab."
Sie sind ohne Uniform, in Zivil unterwegs, die Schusswaffe trägt Uwe Hartig in einer unauffälligen Bauchtasche bei sich. Zettel und Stift vor sich auf dem Tisch verhört er die ältere Dame, die Opfer eines Trickbetrügers wurde.
"Jetzt berichten Sie vielleicht erst mal zusammenhängend, und nachher schreib ich mir das genau auf. Wann hat das denn alles angefangen?"
Ein harmloser Einsatz, der sich wohl in keiner neuen Geschichte wiederfinden wird.
"Oh, ich glaube, die Geschichte wurde schon 423 mal geschrieben, so interessant ist der Stoff nicht mehr."
Da hat er schon ganz andere, teilweise kuriose Sachen erlebt.
"Das grelle Licht meiner Digitalkamera beleuchtet die grausige Szenerie. Vierte Etage, Altbau, ungebremst, da bleibt nicht viel. Micha und ich schauen uns in der Wohnung um. Auf dem Tisch, neben dem Fenster, aus dem sie gesprungen war, standen zwei Thermoskannen. Eine mit Tee, die andere mit Kaffee. Das weiß ich aus dem Abschiedsbrief, den ich - zurück in meinem Dienstzimmer- noch einmal überfliege. 'Liebe Polizisten, in den zwei Kannen ist Tee und Kaffee, der ist frisch gebrüht. Die Kannen habe ich ordentlich ausgewaschen. Die Kekse daneben sind selbst gebacken, mein Sohn hat sie gern gegessen. Die Ärzte sagen ich bin sehr krank, ich will aber nicht ins Krankenhaus. Ich hoffe, dass ich ihnen nicht zu viel Umstände bereitet habe.
PS: Ich muss jetzt gehen'."
"Also, es ist schon ein großes Stück Verarbeitung. Es ist leider so, dass ich in meinem Job den gesamten Bodensatz der Menschheit unter meinen Fingern hab, wenn ich die Berichte darüber schreibe, es ist selten, dass ich mal was sehr lustiges auf Arbeit erlebe, und da bin ich froh, dass ich mit meinen Kollegen reden kann, wir bauen uns gegenseitig auf, und so mach ich das halt auch mit meinen Geschichten, ich schreibe und flüchte mich da ein bisschen rein."
Es sind sicher nicht immer literarische Meisterleistungen, die man auf der Internetseite Polizei-Poeten.de nachlesen kann. Zu oft kommt doch der Bericht- und Protokollstil des Polizisten durch. Aber dafür sind es Krimis, die das echte Leben schreibt.
Das vergisst man selbstverständlich nie, der erste Tote - das hab ich dann schon versucht aufzuarbeiten. Man muss es auf jeden Fall verarbeiten, und da hat jeder seine persönliche Erfahrung, wie er das am besten machen kann."
Gerd Boussel arbeitet heute als Präventionsbeauftragter in Berlin-Marzahn. Er hat seine erste Leiche literarisch verarbeitet. Genauso wie zum Beispiel den Selbstmord eines Kollegen, der sich auf dem Revier eine Kugel in den Kopf gejagt hat. Auf der Internetseite "polizei-poeten.de" kann man seine Geschichten und Gedichte nachlesen.
Die Seite ist schlicht und nüchtern gestaltet, orange und blau sind die beherrschenden Farben. Die Polizei-Poeten kommen ohne technische Raffinessen oder Spielereien aus. Es gibt ausschließlich geschriebenes Wort - und Autorenfotos. Eine einfache Navigationsleiste führt zu den Autoren und ihren Texten. In der Mitte des Bildschirms: der "Text des Tages", gleich darunter: Informationen über den Verfasser.
"Ich legte mein Ohr auf den Brustkorb des Mädchens und höre -nichts. Einfach nichts! Ich schrecke zurück. In der Zwischenzeit sind die Rettungskräfte eingetroffen und übernehmen die Reanimationsmaßnahmen. Nach ca. 30 Minuten erklärt die Notärztin das Mädchen für tot. Der Vater und die Mutter brechen zusammen. Diese Aufschreie werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Ich kam mir so hilflos und verloren vor."
Hilflosigkeit und Verzweiflung sind Gefühle, die nicht jeder gerne vor seinen Kollegen ausbreitet. So schreibt eine Polizistin im Gästebuch der Internetseite:
"Es ist schön zu wissen, dass man mit seinen Gefühlen wie Ärger, Wut, Trauer und der Angst nicht alleine ist. Ich finde es sehr mutig, sich zu offenbaren! Ich könnte das nicht."
Gerd Boussel ist Polizeipoet der ersten Stunde. Er schreibt nicht nur über seinen Alltag als Polizist, sondern verarbeitet in seinen Gedichten und Erzählungen die unterschiedlichsten Gedanken, Gefühle und Beobachtungen. Bei seinen Kollegen kommt das nicht immer gut an.
"Das ist natürlich innerhalb der Polizei schon so, dass man von einigen Kollegen so 'n bisschen beäugt wird, unter dem Motto: oh Gott, der beschäftigt sich mit Kunst. Das ist wohl ein Gefühlsmensch und der ist möglicherweise noch sensibel, aber wir brauchen keine weinerlichen und zimperlichen Polizisten, die müssen alle hart anpacken und dürfen keine Gefühle zeigen. Aber natürlich sind wir auch Menschen und man sollte eben auch hinter die Uniform mal gucken. Das ist auch der Sinn dieser Geschichte."
"Die Polizei-Poeten gewähren einen Einblick hinter die 'grüne Haut' des einzelnen Polizisten" - so steht es ganz oben auf der Internetseite. Mit diesem Ziel starteten die Polizei-Poeten vor sieben Jahren. Gegründet von einem Kriminalbeamten und Konfliktberater aus Freiburg. Hunderte Erlebnisberichte sind mittlerweile im Internet nachzulesen, wie die von Uwe Hartig. Er arbeitet bei der Berliner Kriminalpolizei, im so genannten Kriminaldauerdienst. Mit einem Kollegen ist er auf dem Weg zu einem Einsatz.
"Wir haben jetzt einen Trickbetrug bekommen, das heißt eine ältere Dame hat heute einen Anruf erhalten und dort hat sich jemand vorgestellt und sie Glauben gemacht, dass es ein Verwandter wäre, und ganz dringend braucht er auf die Schnelle mal 20.000 Euro. Und leider ist es so, dass diese Täter sehr professionell und sehr durchtrieben sind, und Oma rennt tatsächlich los und geht auf die Bank und hebt 20.000 Euro ab."
Sie sind ohne Uniform, in Zivil unterwegs, die Schusswaffe trägt Uwe Hartig in einer unauffälligen Bauchtasche bei sich. Zettel und Stift vor sich auf dem Tisch verhört er die ältere Dame, die Opfer eines Trickbetrügers wurde.
"Jetzt berichten Sie vielleicht erst mal zusammenhängend, und nachher schreib ich mir das genau auf. Wann hat das denn alles angefangen?"
Ein harmloser Einsatz, der sich wohl in keiner neuen Geschichte wiederfinden wird.
"Oh, ich glaube, die Geschichte wurde schon 423 mal geschrieben, so interessant ist der Stoff nicht mehr."
Da hat er schon ganz andere, teilweise kuriose Sachen erlebt.
"Das grelle Licht meiner Digitalkamera beleuchtet die grausige Szenerie. Vierte Etage, Altbau, ungebremst, da bleibt nicht viel. Micha und ich schauen uns in der Wohnung um. Auf dem Tisch, neben dem Fenster, aus dem sie gesprungen war, standen zwei Thermoskannen. Eine mit Tee, die andere mit Kaffee. Das weiß ich aus dem Abschiedsbrief, den ich - zurück in meinem Dienstzimmer- noch einmal überfliege. 'Liebe Polizisten, in den zwei Kannen ist Tee und Kaffee, der ist frisch gebrüht. Die Kannen habe ich ordentlich ausgewaschen. Die Kekse daneben sind selbst gebacken, mein Sohn hat sie gern gegessen. Die Ärzte sagen ich bin sehr krank, ich will aber nicht ins Krankenhaus. Ich hoffe, dass ich ihnen nicht zu viel Umstände bereitet habe.
PS: Ich muss jetzt gehen'."
"Also, es ist schon ein großes Stück Verarbeitung. Es ist leider so, dass ich in meinem Job den gesamten Bodensatz der Menschheit unter meinen Fingern hab, wenn ich die Berichte darüber schreibe, es ist selten, dass ich mal was sehr lustiges auf Arbeit erlebe, und da bin ich froh, dass ich mit meinen Kollegen reden kann, wir bauen uns gegenseitig auf, und so mach ich das halt auch mit meinen Geschichten, ich schreibe und flüchte mich da ein bisschen rein."
Es sind sicher nicht immer literarische Meisterleistungen, die man auf der Internetseite Polizei-Poeten.de nachlesen kann. Zu oft kommt doch der Bericht- und Protokollstil des Polizisten durch. Aber dafür sind es Krimis, die das echte Leben schreibt.