Warum manche Frauen ihre Mutterschaft bereuen
Es war vor gut einem Jahr, als die Soziologin Orna Donath Ergebnisse ihrer Studie "Regretting motherhood" veröffentlichte. Die Publizistin Tanja Dückers erörtert im Gespräch, inwiefern auch in Deutschland noch ein veraltetes, nicht zeitgemäßes Bild von Mutterschaft existiert.
Es war vor gut einem Jahr, als die israelische Soziologin Orna Donath Ergebnisse ihrer Studie unter dem Titel "Regretting motherhood" veröffentlichte. Sie interviewte 23 Frauen allen Alters und diverser Herkünfte, die bereit waren darüber zu sprechen, dass sie es bereut hätten, Mütter geworden zu sein. In diesem Frühjahr nun ist ihre Studie als Buch auf Deutsch erschienen und sorgte für erhitzte Debatten – und: jede Menge Literatur, die sich mit dem Thema Mutterschaft auseinandersetzen.
Die Schriftstellerin und Publizistin Tanja Dückers hat sich einen Überblick über diese Bücher verschafft und selbst zum Thema Einiges publiziert. Sie erörtert in der Lesart, inwiefern in Deutschland noch ein veraltetes, nicht zeitgemäßes Bild von Mutterschaft existiert, in dem sie auf den bis in die 1990er-Jahre hinein erfolgreichen Erziehungs-Ratgeber – für Mütter - von Johanna Haarer verweist. Haarer war eine österreichisch-deutsche Ärztin, und verfasste auflagenstarke Erziehungsratgeber im Dritten Reich, die ideologisch den nationalsozialistischen Vorstellungen von Mutterschaft entsprachen.
Anpassung der Arbeitswelt
Demnach waren Gefühle weder dem Kind, noch der Mutter ausgeprägt zugestanden – das Bild der "erschöpften, überforderten, depressiven", Mutter entsprach schon gar nicht ihrer Ideologie. So könne man sich unter anderem auch die emotional sehr heiß geführte Debatte um "bereuende Mütter" erklären, die in den letzten Monaten geführt worden ist – vor allem in Deutschland.
Im Lesart-Gespräch verweist Tanja Dückers auf die noch nicht genug geführten Debatten über die Vereinbarung von Familie und Beruf und betont, dass eine progressive Familienpolitik nur mit einer entsprechenden Anpassung der Arbeitswelt einhergehen kann: Drei Viertel aller arbeitenden Mütter würden immer noch in Teilzeit arbeiten. Modelle, wie die Doppelführungsspitze und den Ausbau der Home-office-Idee, flexible KiTa-Zeiten und ein Modell, nachdem Mütter, wie auch Väter, peu à peu wieder zurück in die Beschäftigung finden, müssten stärker in den Fokus der Diskussion gebracht werden.
Tanja Dückers, Schriftstellerin, Journalistin, geboren 1968 in Berlin (West). Zu ihren wichtigsten Veröffentlichungen zählen die Romane "Spielzone" (1999), "Himmelskörper" (2003), "Der längste Tag des Jahres" (2006) und "Hausers Zimmer" (2011), der Essayband "Morgen nach Utopia" (2007) sowie die Lyrikbände "Luftpost" (2001) und "Fundbüros und Verstecke" (2012). Sie ist eine der Autorinnen der jüngeren Generation, die sich immer wieder in aktuelle gesellschaftspolitische Debatten einmischen. Sie schreibt für verschiedene Zeitungen und Magazine, unter anderem "Spiegel", "Süddeutsche", "Tagesspiegel", "taz", "Frankfurter Rundschau", "Welt", "Jungle World". Monatlich erscheint ein Essay von ihr auf "ZEIT" Online. Nach vielen Auslandsaufenthalten, die sie von Los Angeles und Barcelona über Tschechien und Polen bis nach Rumänien führten, lebt Tanja Dückers heute mit ihrer Familie in Berlin. (www.tanjadueckers.de)