Die RAF im Film

Von Bernd Sobolla |
Für die (Selbst-)Inszenierung und die öffentliche Wahrnehmung der RAF spielte das kulturelle und vor allem filmische Umfeld der späten 50er und 60er Jahre eine wichti-ge Rolle. Die RAF hat aber auch selbst die Produktion von Bildwelten ausgelöst, die vor allem über die Popkultur wirksam werden. Dort wird die terroristische Schockwir-kung gezielt eingesetzt, um ästhetische Attraktion zu entfalten bzw. um die zeitge-schichtlich ebenso nahe wie versunkene RAF als modernen Mythos zu inszenieren.
Markus Müller: " Ich glaube, dass wir es tatsächlich mit einem Phäno-men zu tun haben, dass unsere Gesellschaft noch mittel- bis langfristig beschäftigen wird. Offensichtlich geht es auch gar nicht so sehr um reine Information. Es sind ja nicht nur Dokumentarfilme, die in den letzten 40 Jahren zu dem Thema entstanden sind. Das ist tatsächlich ein Bereich, der noch nicht aufgearbeitet ist. Und da sind wir, glaube ich, mitten drin. Die Ausstellung hat es gezeigt, aber auch viele Diskussionen. "

Markus Müller, Ko-Organisator der RAF-Ausstellung bzw. der Filmreihe wiegelt ab: Wer glaubt, dass sich das Thema RAF langsam totlaufen müsse bei so vielen Buch-veröffentlichungen, Spiel- und Dokumentarfilmen, der irrt. Die RAF-Ausstellung, die seit Januar in Berlin-Mitte läuft, ist mit über 30.000 Besuchern die erfolgreichste der Kunstwerke. Und auch heute Abend, zur Eröffnung der Filmreihe war das Arsenal-Kino voll besetzt. Dabei hatten die Veranstalter mit dem Film "Asche und Diamant" von Andrzej Wajda einen etwas seltsamen Ausgangpunkt gewählt. Das räumt auch Markus Müller ein.

" Der Andrej Wajda-Film z.B. von 1958 ist ja ein Film, der schon auf-grund seines Entstehungszeitraumes zunächst mal augenscheinlich gar nichts mit der RAF zu tun hat. Der aber bestimmte politische, persönliche, moralische Gefühls- und Umstandswelten beschreibt, mit denen sich die Protagonisten der RAF durchaus identifizieren konnten. Es wird darüber hinaus Spielfilme geben, die heftig diskutiert worden sind, aufgrund der Leichtigkeit, mit der sie sich des Themas angenommen haben. "

Die Reihe beinhaltet also nicht nur Filme, die von der RAF und ihren Mitgliedern handeln. Vielmehr zeigt sie das kulturelle Umfeld vor und nach der Zeit des deut-schen Terrorismus. Und dazu gehören auch Revolutionäre und Rebellen, reale und filmische, wie Che Guevara, James Dean oder Jean Paul Belmondo. Aber es geht natürlich auch um Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe.

In Deutschland dreht nach dem Attentat auf Rudi Dutschke 1968 Reinhard Hauff den Film "Messer im Kopf". Es ist der erste Film, der den Terrorismus hierzulande thema-tisiert und handelt von der Überreaktion des Staates auf die Protestbewegung. Und Hauff ist es auch, der das Ende der RAF-Gründer in dem Kammerspiel "Stammheim" schildert.

Szene aus "Stammheim":
" Herr Baader, ich hätte nichts dagegen, wenn Sie einen Rechtsanwalt finden, dem Sie Vertrauen schenken. Es ist aber sehr schwierig geworden, einen Verteidiger zu finden, der die Verfolgung durch Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft auf sich nimmt. Drei Jahre lang hat die Anklage-behörde jedes Wort der Verteidigung kontrolliert: in Zellenbesuchen, bei der Durchsuchung von Anwaltskanzleien, durch Beschlagnahme der Post, durch Abhörgeräte in den Besuchszellen für Verteidiger. Wir akzeptieren selbstverständlich die Gesetze des bürgerlichen Staates nicht. Aber wenn Sie damit Fußball spielen, wer soll Sie dann überhaupt noch Ernst neh-men."

Obwohl der Film nur auf den wörtlichen Aufzeichnungen des Prozesses beruht, wer-fen bürgerliche Kritiker dem Filmemacher vor, die Terroristen als Opfer eines rach-süchtigen Staates darzustellen. Aber ebenso wird Reinhard Hauff von der linken Szene kritisiert.

Reinhard Hauff: "Aber von der Seite der dann immer noch "Baader-Meinhof-Verehrer", die haben uns ja genau das Gegenteil vorgeworfen, dass wir einfach ihre Ikonen beleidigt hätten oder entweiht - das haben sie nicht gesagt - aber dass wir uns als Bürgerliche vergangen haben, hat man uns ja sehr übel genommen. Man hat dem Film ja ziemlich übel mit-gespielt, fanatisch reagiert, in Kinos Feuer gelegt und Kopien zerstört, Pro-jektionisten eingesperrt."

Die RAF-Filme der 70er und 80er Jahre sind geprägt von der Wut und Verzweiflung der Filmemacher, die sich zumindest mit der Gesellschaftskritik der Terroristen identi-fizieren konnten. Es ging um verdrängte Vergangenheitsaufarbeitung, Wirtschafts-wunderglaube, Vietnamkrieg, Freiheit und Demokratie. Filme wie "Deutschland im Herbst", "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" oder "Die bleierne Zeit" schildern, wie gesellschaftliche Defizite zu Terrorismus führen können - von Hoffnung keine Spur.

Erst in den 90er Jahren hellen sich die Bilder auf, wirkt sich die zeitliche Distanz aus. Während Heinrich Broeler mit "Todesspiel" ein perfektes Dokudrama über die Flug-zeugentführung der "Landshut" abliefert, dreht Andres Veiel "Black Box BRD", ein Doppelportrait über den Chef der Deutschen Bank Alfred Herrhausen und den Terro-risten Wolfgang Grams, bei denen er trotz völlig unterschiedlicher Lebensläufe viele Gemeinsamkeiten feststellt. Und Christian Petzold schließlich erzählt in "Die innere Sicherheit" die Geschichte eines Mädchens, das selbst ihrem Freund nicht ihre wah-re Identität anvertrauen kann, weil ihre Eltern als Ex-Terroristen immer auf der Flucht sind.

Szene aus "Die innere Sicherheit":
"Und du? Warum reden wir nicht über dich? Wo gehst du eigentlich im-mer hin? Ja, warum verkleidest du dich? Warum hast du immer Angst? Warum schaust du dich immer um? Habe ich was falsch gemacht? War es ekelhaft mit mir?
Meine Eltern haben recht gehabt. ... Wenn du schwach bist und verwirrt, dann musst du schweigen und die anderen reden lassen. "

Christian Petzold: " Also ein Staat, der innere Sicherheit haben möchte, der kann natürlich überhaupt nicht mehr komplex sein. Und jemand, der erwachsen wird, sehnt sich auch nach innerer Sicherheit, weil er nicht mehr hin und her geschoben werden möchte und einen festen Standpunkt haben will. Diese beiden Bedeutungen stecken bei mir im Begriff der inne-ren Sicherheit. "

Indem sich Regisseur Christian Petzold den Kindern der Terroristen widmet, zieht er auch einen gewissen chronologischen Schlussstrich. In den Diskussionen im Arse-nal-Kino geht es in den nächsten Wochen um "Die Folgen von Gewalteskalation", um "Die kulturelle und historische Bedeutung von Flugzeugentführungen", um "Die Kon-tinuität zwischen NS-Regime und bundesrepublikanischem Staat" und um "Jugendli-che". Viele schwergewichtige Themen, die weit über die Tagespolitik hinausgehen. Schade allerdings, dass es unter den Diskussionsteilnehmern viele Politologen gibt, aber kaum Filmemacher.

Rainer Werner Fassbinders "Die dritte Generation". Er ist der einzige aus der Zeit, der schnell Distanz zu den Ereignissen findet und schon 1979 ohne politische Rück-sichten eine Satire über den Terrorismus wagt. "Die dritte Generation" handelt von einer militanten Gruppe, die sich ohne politische Utopien mit blindem Aktionismus begnügt.

Szene aus "Die dritte Generation":
"Wir erwägen die Entführung von Susannes ehemaligen Arbeitgeber, P.G. Lurz.
Ihr wollt P.G. Lurz entführen? ... Ich verstehe nicht wofür das gut sein soll?
Ganz einfach. Wir verlangen die Freigabe sämtlicher politischer Gefange-ner in der BRD.
Sämtlicher?
Schon aber...
Was aber?
Na ja, ich meine bloß, warum?
Warum, warum? Weil man das eben so macht.
Richtig. Ist eben üblich. "

Service:
Die nächsten Termine der Film- und Diskussionsreihe "Zur Vorstellung des Terrors – RAF Filme" im Arsenal-Kino sind der 27. April, der 3., der 11. sowie der 17. Mai.