Die Randständige im Literaturbetrieb
Seit fast zehn Jahren arbeitet der Verbrecher-Verlag an dieser Ausgabe der Werke Gisela Elsners. Sie stammte aus einem großbürgerlichen Elternhaus, trat aber in die DKP ein. Sie lebte als Schrifstellerin, polemisierte aber zugleich gegen das Beharren der Schriftsteller auf individueller Freiheit. 1992 nahm sie sich das Leben.
Gisela Elsner ist als Enfant terrible in die bundesdeutsche Literaturgeschichte eingegangen. Als Tochter eines reichen Wirtschaftswunderhaushalts - der Vater war Direktor eines Siemens-Werks - begehrte sie gegen das Milieu der Adenauer-Republik auf und landete als 27-Jährige 1964 mit dem Debüt-Roman "Die Riesenzwerge" einen großen Erfolg. Politisch radikalisierte sie sich zusehends und trat 1977 in die DKP ein. 1992 beginn sie Selbstmord.
Neben ihren satirisch-zugespitzten Romanen schrieb Elsner ab etwa 1970 verstärkt journalistische Texte und Essays. Innerhalb der Gesamtausgabe Elsners im Verbrecher-Verlag sind jetzt zum ersten Mal viele unveröffentlichte analytische Texte zugänglich. Das Material ist so reichhaltig, dass die Herausgeberin sich entschied, die "Kritischen Schriften" in zwei Bänden herauszugeben: getrennt nach den Themenfeldern Politik und Literatur.
Innerhalb der politischen Schriften fällt eine weitere Zweiteilung auf: neben allgemeineren Einlassungen gibt es eine spezielle Abteilung mit Texten zum Kommunismus. Elsner bezeichnete sich stolz als "Leninistin" und lehnte sämtliche freieren Spielarten linker Theorien rundweg ab. Es ist aber bezeichnend, dass sie den braven und DDR-orthodoxen Kurs der Führungsriege der DKP durchaus skeptisch beurteilte, oft bemängelte sie die fehlende "revolutionäre" Haltung.
Die "Erneuerer" hingegen, die in der Ära Gorbatschow eine erkennbar eigene Fraktion in der DKP bildeten, griff sie scharf an. Mit dieser Haltung blieb sie in der Partei immer eine Außenseiterin. Sehr lesenswert sind Texte wie derjenige über die Regierungserklärungen der Bundeskanzler, wo sprachliche Feinarbeit geleistet wird, ihre Polemik gegen die bürgerlich-akademischen "Feministinnen" oder ein kurzes Pamphlet über "die Grünlichen", aus Anlass der Grünen-Hoffnungsträgerin Petra Kelly. Oft aber bleibt sie bei der Kritik und der Zergliederung stehen. Ihre eigene Position hinterfragt sie nicht.
Eher enttäuschend sind ihre Essays zur Literatur. Obwohl sie selbst in ihren furiosen Anfängen und auch in weiten Passagen ihrer sarkastisch kapitalismuskritischen Texte später zu sprachlicher Brillanz neigt, lehnt sie genau diese theoretisch ab. Nur manchmal blitzt in diesem Punkt Ironie auf, wie wenn sie ihren Roman "Abseits" von 1982, der in untypischer Weise autobiographische Erfahrungen emotional beschreibt, als ihren "Bredel" bezeichnet, zu stimmungsvolle DDR-Minderware also.
Und weil Kafka in ihren Anfängen ihr Übergott war, muss sie sich später, anhand von Kafkas (lustigerweise in der DDR zuerst veröffentlichten) "Amtlichen Schriften", seinen beruflichen Texten als Versicherungsangestellter also, von ihm lossagen und das Realitätsprinzip einfordern. Ihre Stärke aber lag woanders. Dass sie eine Ausnahmeerscheinung in der bundesdeutschen Literatur war, so etwas wie eine zu früh gekommene Jelinek, das macht diese Ausgabe mehr als deutlich.
Besprochen von Helmut Böttiger
Gisela Elsner: Kritische Schriften in 2 Bänden. Band 1: Flüche einer Verfluchten
Verbrecher Verlag, Berlin
410 Seiten, 16 Euro
Gisela Elsner: Kritische Schriften in 2 Bänden. Band 2: Im literarischen Ghetto
Verbrecher Verlag, Berlin
376 Seiten, 16 Euro
Links bei dradio.de
Der müdgeweinten Augen Schlaf
Buchbesprechung von Gisela Elsner: Als die Kinder ihre Unschuld verloren
Neben ihren satirisch-zugespitzten Romanen schrieb Elsner ab etwa 1970 verstärkt journalistische Texte und Essays. Innerhalb der Gesamtausgabe Elsners im Verbrecher-Verlag sind jetzt zum ersten Mal viele unveröffentlichte analytische Texte zugänglich. Das Material ist so reichhaltig, dass die Herausgeberin sich entschied, die "Kritischen Schriften" in zwei Bänden herauszugeben: getrennt nach den Themenfeldern Politik und Literatur.
Innerhalb der politischen Schriften fällt eine weitere Zweiteilung auf: neben allgemeineren Einlassungen gibt es eine spezielle Abteilung mit Texten zum Kommunismus. Elsner bezeichnete sich stolz als "Leninistin" und lehnte sämtliche freieren Spielarten linker Theorien rundweg ab. Es ist aber bezeichnend, dass sie den braven und DDR-orthodoxen Kurs der Führungsriege der DKP durchaus skeptisch beurteilte, oft bemängelte sie die fehlende "revolutionäre" Haltung.
Die "Erneuerer" hingegen, die in der Ära Gorbatschow eine erkennbar eigene Fraktion in der DKP bildeten, griff sie scharf an. Mit dieser Haltung blieb sie in der Partei immer eine Außenseiterin. Sehr lesenswert sind Texte wie derjenige über die Regierungserklärungen der Bundeskanzler, wo sprachliche Feinarbeit geleistet wird, ihre Polemik gegen die bürgerlich-akademischen "Feministinnen" oder ein kurzes Pamphlet über "die Grünlichen", aus Anlass der Grünen-Hoffnungsträgerin Petra Kelly. Oft aber bleibt sie bei der Kritik und der Zergliederung stehen. Ihre eigene Position hinterfragt sie nicht.
Eher enttäuschend sind ihre Essays zur Literatur. Obwohl sie selbst in ihren furiosen Anfängen und auch in weiten Passagen ihrer sarkastisch kapitalismuskritischen Texte später zu sprachlicher Brillanz neigt, lehnt sie genau diese theoretisch ab. Nur manchmal blitzt in diesem Punkt Ironie auf, wie wenn sie ihren Roman "Abseits" von 1982, der in untypischer Weise autobiographische Erfahrungen emotional beschreibt, als ihren "Bredel" bezeichnet, zu stimmungsvolle DDR-Minderware also.
Und weil Kafka in ihren Anfängen ihr Übergott war, muss sie sich später, anhand von Kafkas (lustigerweise in der DDR zuerst veröffentlichten) "Amtlichen Schriften", seinen beruflichen Texten als Versicherungsangestellter also, von ihm lossagen und das Realitätsprinzip einfordern. Ihre Stärke aber lag woanders. Dass sie eine Ausnahmeerscheinung in der bundesdeutschen Literatur war, so etwas wie eine zu früh gekommene Jelinek, das macht diese Ausgabe mehr als deutlich.
Besprochen von Helmut Böttiger
Gisela Elsner: Kritische Schriften in 2 Bänden. Band 1: Flüche einer Verfluchten
Verbrecher Verlag, Berlin
410 Seiten, 16 Euro
Gisela Elsner: Kritische Schriften in 2 Bänden. Band 2: Im literarischen Ghetto
Verbrecher Verlag, Berlin
376 Seiten, 16 Euro
Links bei dradio.de
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