Die Raststätte
Bekannt ist der Steigerwald in Unterfranken vor allem aus den Verkehrsnachrichten, wenn es mal wieder heißt: "auf der A3 zwischen Geiselwind und Schlüsselfeld gehe gar nichts mehr". Wer jetzt schnell reagiert und die Ausfahrt 76 nimmt, entdeckt die wundersame Welt des Anton Strohofer, den alle nur Toni nennen. Toni hat eine Vorliebe fürs Große: Bei ihm gibt es drei Tankstellen, einen gigantischen Parkplatz und XXL-Schnitzel auf den Tellern.
Außerdem betreibt er hier an der Autobahn ein 160-Betten-Hotel mit Wellness und Spielcasino, einen Trucker-Shop, eine Multifunktionshalle, die aussieht wie ein Flughafenterminal, und eine alles überragende Autobahnkirche. "Wir kümmern uns nicht nur um die Autos und Körper der Reisenden, sondern auch um ihren Geist und ihre Seele", erklärt Tonis Tochter Manuela. Das mag erklären, warum manche Hotelzimmer nur über die Empore der Kirche zu erreichen sind.
"So was gibt es in der Welt, also in Deutschland nur einmal, also einzigartig in Deutschland. Normal müsste ich jetzt keine Pause machen, deswegen fahre ich jetzt hier rein. Also Spitze. "
Einen Drive-In-Schalter für LKWs in einem Fast Food Restaurant hat der Lastwagen-Fahrer aus Wiesbaden noch nie erlebt.
"Hallo. Danke schön. - Tschüß"
Der "Schalter" besteht aus einem simplen Metallpfosten mit Klingelknopf und Gegensprechanlage auf LKW-Höhe an der Einfahrt zum Gasthaus des Autohofs Strohhofer an der A3. So kann der LKW-Fahrer sein Menu bestellen ohne auszusteigen.
Der Drive-In-Schalter gehört zur wundersamen Welt des Anton Strohofer – kurz Toni, wie alle hier den Raststättenkönig vom Steigerwald nennen. Toni hat eine Vorliebe fürs Große, davon zeugen die 36 Hektar Gelände, die vielen Trucks an seinen drei Tankstellen, der gigantische Parkplatz für 3000 PKW und 500 Trucks, zwei Restaurants und die prächtigen Schnitzel aus der hauseigenen Metzgerei. Damit nicht genug. Toni hat am Autohof Steigerwald noch ein buntes 160-Betten-Hotel mit Wellness-Bereich und Spielcasino bauen lassen, einen Trucker-Shop, wo man sich mit Cowboy-Klamotten und Werner-Devotionalien eindecken kann, eine Multifunktionshalle, die aussieht wie ein Flughafenterminal, und eine von ihm privat finanzierte moderne Autobahnkirche, die die alte Kirche von Geiselwind weit überragt.
Der Name ist bekannt: aus den Verkehrsnachrichten, wenn auf der Autobahn zwischen Würzburg und Nürnberg auf Höhe des Dorfes Geiselwind nichts mehr geht.
Das ist auch an diesem Wochenende Ende August nicht anders. Es ist Urlaubsende, Rückreisetag, Weltjugendtag, eben Großstautag. Besonders an der A3, die mit nur zwei Fahrspuren in jeder Richtung schon an normalen Tagen ein berüchtigtes Nadelöhr für den Nord-Süd-Verkehr darstellt. So kommt es, dass viele Reisende mehr oder weniger freiwillig Tonis "Erlebnisraststätte" direkt an der Autobahnausfahrt besuchen.
"Bin bis zur Tankstelle gefahren, hab getankt, Pause gemacht, und jetzt, weiß ich nicht, ob die Batterie kaputt gegangen ist. - Was haben wir denn für ein Problem ... "
Ganz aufgelöst kommt ein Motorradfahrer in die Werkstatt, die zu Tonis Reich gehört. Er kommt aus Bochum und jetzt ist der Anlasser kaputt. Der Mechaniker geht mit dem in schwarzer Motorradkluft gekleideten Mann nach draußen, um sich die Maschine anzuschauen.
Zwischen zwei Wohnwagengespannen auf dem Parkplatz neben der Werkstatthalle kocht auf einem kleinen Gaskocher das Kaffeewasser. Daneben sitzen zwei Frauen auf Campingstühlen und schmieren Brote für die männlichen Familienmitglieder, die auf einem kleinen freien Streifen zwischen den Autos Fußball spielen.
"Stau ist immer schön. Wir finden das schön, da steigen wir aus, unterhalten uns ein bisschen, wecken die LKW-Fahrer wieder auf, die eingeschlafen sind, ja, das hatten wir letztes Jahr. Da ist direkt vor uns im Stau ein LKW-Fahrer eingeschlafen, nebenan fuhren die ganzen Autos vorbei und wir haben gedacht, wie, was tut sich denn hier. Bei uns hat sich gar nichts getan auf unserer Straße und dann sind wir ausgestiegen und haben den erst mal geweckt und dann ging es weiter. Da standen wir eh schon lange im Stau, über 'ne Stunde und da ist er halt einfach eingeschlafen. Bis wir den mal wach hatten. Aber da darf man sich nicht aufregen. Wenn man sich aufregt, geht es eh nicht schneller. Wir fahren in den Urlaub. In dem Moment haben wir eh alle Zeit der Welt. Wenn man mit'm Wohnwagen fährt, weiß man von vorne herein, es geht nicht so schnell. Und wir haben eh noch eine so lange Tour vor uns, und ob man da eine Stunde früher oder zwei Stunden später, das ist net mehr ganz so schlimm. Wir haben keine Hetze. "
Stress haben dafür Tonis Angestellte in den Tankstellen, Läden und Restaurants. Im Selbstbedienungsrestaurant stehen die Kunden Schlange. Sie wollen bezahlen. Eine ältere Frau sitzt hinter der Kasse.
"Ja. also manchmal schon. Wenn viel los ist, wenn die Leute nervös sind, wenn drei, vier Busse auf einmal kommen und stehen dann an. Es geht ihnen nicht schnell genug. Wenn dann alles hektisch und alles auf einmal und jeder schreit und keinem geht's schnell genug. Also des geht manchmal schon an die Nerven. Aber eigentlich eher selten. Also immer die Abwechslung jeden Tag. Es wird eigentlich nicht langweilig. "
Trotzdem würde sie viel lieber selbst auf Reisen gehen, als hier die Leute abzukassieren.
"Träume eigentlich schon, aber irgendwie man ist dann schon so fest drin im ganzen und man hat die Erfahrung und auch das Publikum und die Kollegen und alles. Das ist dann eigentlich schon immer wieder - man muss immer Vor- und Nachteile abwägen. Was würde ich denn machen wollen. Ich reise sehr gern. Man sieht die Leute, also sehr viele, die durchfahren, die sind im Urlaub oder die fahren in Urlaub. Also immer kriegt man so ein bisschen Feeling mit das ganze Jahr. "
Toni Steinhofer, der Chef des Autohofes am Steigerwald, kennt solche Gefühle nicht. Er ist ein Mann der Tat, sagt er, während er mit seinem Mercedes in silbermetallic quer Beet über seine Ländereien kurvt, um den Fortgang seines momentanen Lieblingsprojektes zu kontrollieren.
"Es gibt Menschen, die haben viele Worte und viele Sinne. Ich habe auch einen Sinn. Aber ich setze meinen Sinn und meinen Geist in die Tat um. Das ist der Unterschied drin, ob's einer nur plant und will, aber auch der andere umsetzt. Das ist die hohe Kunst. "
Stolz blickt der beleibte Endsechziger auf die große Wiese, die sich von der Autobahn bis zum Waldrand hinaufzieht.
"Hier fahren wir jetzt in das Riesengelände, wo auch ein Amphitheater jetzt bald fertig wird, die Openair-Bühne, die große, steht unten direkt bei der Autobahnkirche. Das ist immer sehr lustig, beim Biker-Musik-Wochenende, wenn große Shows stattfinden und die hübschen Mädels so ein bisschen Szene machen und im Hintergrund sieht man die Autobahnkirche. Das gehört zusammen, das passt zusammen, wir sind sehr gläubige, christliche Menschen, wir sind aber auch nur Menschen und lieben auch die Menschlichkeit und solange es im Rahmen ist, solange die Menschen wissen, was sie tun und dazu gehört auch mal die Sau raus lassen. Das ist unser Motto. Andere wundern sich, dass immer seltener was los ist. Bei uns ist immer was los. Man muss nur die richtigen Bands organisieren und vor allem das Preis-Leistungsverhältnis darf man nie aus dem Auge verlieren. "
Seinen jähen Aufstieg hat der ehemalige Bauer der Autobahn zu verdanken. In den 60er Jahren wurde zwischen Nürnberg und Würzburg die Trasse planiert – mitten durch die Strohoferschen Felder.
"Mir war klar, dass meine Zukunft an der Autobahn ist. Ich wollte eigentlich so einen Autobahnbetrieb übernehmen, hab mich auch dort beschäftigen lassen, habe aber sehr schnell gemerkt, dass man dort nur lernt, was man nicht machen soll. Ich hab das dann genau anders gemacht, dass der Mensch, der eine Nummer ist, sondern eine Persönlichkeit, dass er gerne gesehen ist, wenn er kommt und verweilen kann. An der Autobahn soll er möglichst schnell wieder gehen und vorher aber viel Geld dalassen. Dieses Motto geht aber nicht immer auf. Weil der Kunde merkt das, wenn er gerne aufgenommen ist und verweilen kann und aus der Standzeit Nutzzeit machen kann. "
Am liebsten zitiert der schnauzbärtige Toni eingängige Mottos.
"Mein Motto ist immer 'Wachsen, nicht schrumpfen'. "
Vor ein paar Jahren bekam er eine Auszeichnung, weil er die umsatzstärkste Tankstelle der Welt führte. Weil ihm das nicht reichte, baut er nun an einer Erlebnis- und Erholstation, in der sich die gestressten Autofahrer effizient und angenehm erholen sollen. Restaurant, Werkstätten, Autowaschstraßen, Kinderspielplatz, Hotel mit Swimmingpool und Sauna, Casino, Seminarräume und drei Veranstaltungshallen, wo z.B. so ausgeflippte Heavy-Metal-Gruppen wie Manowar aus den USA auftreten.
"Ich liebe die Country-Musik, ich liebe aber auch die Volksmusik. Mein Motto heißt: 'Wer die Jugend hat, hat die Zukunft'. Wir haben drei Veranstaltungshallen. Da sind die Jugendlichen ganz heiß, wenn der Toni amal auf die Bühne geht und sagt: 'Hallo liebe Freunde, und heute haben wir wieder etwas besonderes für sie'. Und die Heavy-Metal-Szene ist mir insofern sehr wichtig, weil ich sehr gerne mit den Jugendlichen umgehe, die nicht so mit sich und der Welt zufrieden sind, die solche Events brauchen, wo sie sich austoben können, wo sie sich bei einer Vaterfigur wie ich anlehnen, und auch abreiben können. Da bin ich gefordert, das mag ich, die wieder in Reihe bringen, mit denen diskutieren. "
In einer der Hallen probt gerade eine Heavy Metall-Band für den abendlichen Auftritt. Für Events dieser Art ist Tonis Schwiegersohn Werner zuständig. Mit seinem dominanten Schwiegervater, dem Firmeninhaber, gerät er oft aneinander.
"Ja, so ist das auch. Das ist nicht immer angenehm. Aber es ist ja so, dass ich eigentlich ziemlich früh schon mit dabei bin und dann auch maßgeblich die ganze Geschichte geformt habe. Weil fürs Tagesgeschäft ist unser Senior eigentlich nicht zu haben. Er hat eine Vision und wir müssen sie realisieren. Projektentwicklung war immer meine Sache. Ich habe die Tankstelle geplant und auch eingerichtet und das Ding zum Laufen gebracht genauso wie die Werkstatt. Ich mach auch noch andere Dinge nebenbei. Ich mache hauptsächlich Veranstaltungen, die ganzen Veranstaltungen, die hier ablaufen, die werden zum größten Teil von mir geplant. Unser Senior hatte eine Vision, er hat eine Halle gebaut, die stand dann zwei Jahre leer oder drei, bis ich sie dann mit Cover-Abenden belegt habe. Ich bin im Grunde Tankstellen-Manager, Event-Manager, alles Mögliche, an manchen Tagen sind 20 Arbeitsstunden keine Seltenheit. "
Und seine Frau und die fünf Kinder?
"Die Familie, die läuft so nebenbei. "
Zum Glück wohnt Werner nur ein paar Meter neben dem Raststättenimperium auf der anderen Seite der Autobahn. Da kann er zwischendurch auch mal zu Hause nach dem Rechten sehen.
Vier Glocken dröhnen im über 30 Meter hohen Glockenturm, der sogar die riesige Kuppel der Eventhalle und das bunt gestrichene Hotel überragt. Die Autobahnkirche ist Teil des gewaltigen Gebäudekomplexes. Ein Teil der Hotelzimmer ist sogar nur über die Empore der Kirche zu erreichen. Sie ist ganz in weiß gehalten. Nur der Altar und die Stühle sind aus Holz.
Vor einer Handvoll Gästen hält Werners Frau Manuela eine Predigt. Sie ist Wortgottesdienstleiterin, erklärt sie danach. Das ist das höchste Amt, das die katholische Kirche einer Frau zuspricht.
"Wir wollten eigentlich in unserem Familienunternehmen Gott auch einen festen Platz hier an unserem Erlebnisrasthof geben, weil wir eben den Menschen, den Reisenden, die hierher kommen, seit nun 24 Jahren eine erholsame und wirklich ganzheitliche Rast anbieten möchten. Und zwar haben wir nicht nur an Fahrzeug der Menschen gedacht, in dem sie tanken, waschen reparieren können. Wir haben nicht nur an den Körper gedacht, in dem sie hier essen können oder im Wellnessbereich schwimmen, saunen, dampfgrottenbaden oder auch in unseren Veranstaltungshallen viele schöne Konzerte und Veranstaltungen hören und sehen können, wir haben auch an den Geist und an die Seele der Menschen gedacht, weil wir glauben, dass zu einem glücklichen Leben eben mehr gehört als nur hetzen und jagen nach materiellem Wohlstand. Es gehört auch für uns Gott und sein gutes Wort dazu, weil mit Gottes Wort können wir zufriedener, erfüllter und glücklicher durchs Leben als ohne Gottes Wort. "
Draußen stehen die Kirchenbesucher – mehrere Erwachsene und einige Teenager. Sie sind unschlüssig, welchen Weg sie für ihre Weiterfahrt nehmen sollen. Der älteste der Männer, klein, rundlich mit Schnauzbart geht auf Manuela zu.
"Mein Name ist Quick aus Heidelberg. Wir sind Roma, Zigeuner. Wir waren jetzt in Köln bei freie Christenmission. Da waren ungefähr 3000 Zigeuner mit Wohnwagen aus Italien, Norwegen, aus Holland, Belgien, sogar aus Afrika, Indien, aus Paris und natürlich wir aus Heidelberg. Es war wunderschön. Das sind freie Christen". "So wie ein Zelt ist das." "Willst du reden oder?" Das ist so eine Christengemeinde und da wird Gottes Wort gesagt. Und da ist jeder eingeladen. "
So wie bei uns, sagt Manuela. Und ist zufrieden mit sich und ihrer kleinen Welt im großen Erlebnisrasthof am Steigerwald.
"So was gibt es in der Welt, also in Deutschland nur einmal, also einzigartig in Deutschland. Normal müsste ich jetzt keine Pause machen, deswegen fahre ich jetzt hier rein. Also Spitze. "
Einen Drive-In-Schalter für LKWs in einem Fast Food Restaurant hat der Lastwagen-Fahrer aus Wiesbaden noch nie erlebt.
"Hallo. Danke schön. - Tschüß"
Der "Schalter" besteht aus einem simplen Metallpfosten mit Klingelknopf und Gegensprechanlage auf LKW-Höhe an der Einfahrt zum Gasthaus des Autohofs Strohhofer an der A3. So kann der LKW-Fahrer sein Menu bestellen ohne auszusteigen.
Der Drive-In-Schalter gehört zur wundersamen Welt des Anton Strohofer – kurz Toni, wie alle hier den Raststättenkönig vom Steigerwald nennen. Toni hat eine Vorliebe fürs Große, davon zeugen die 36 Hektar Gelände, die vielen Trucks an seinen drei Tankstellen, der gigantische Parkplatz für 3000 PKW und 500 Trucks, zwei Restaurants und die prächtigen Schnitzel aus der hauseigenen Metzgerei. Damit nicht genug. Toni hat am Autohof Steigerwald noch ein buntes 160-Betten-Hotel mit Wellness-Bereich und Spielcasino bauen lassen, einen Trucker-Shop, wo man sich mit Cowboy-Klamotten und Werner-Devotionalien eindecken kann, eine Multifunktionshalle, die aussieht wie ein Flughafenterminal, und eine von ihm privat finanzierte moderne Autobahnkirche, die die alte Kirche von Geiselwind weit überragt.
Der Name ist bekannt: aus den Verkehrsnachrichten, wenn auf der Autobahn zwischen Würzburg und Nürnberg auf Höhe des Dorfes Geiselwind nichts mehr geht.
Das ist auch an diesem Wochenende Ende August nicht anders. Es ist Urlaubsende, Rückreisetag, Weltjugendtag, eben Großstautag. Besonders an der A3, die mit nur zwei Fahrspuren in jeder Richtung schon an normalen Tagen ein berüchtigtes Nadelöhr für den Nord-Süd-Verkehr darstellt. So kommt es, dass viele Reisende mehr oder weniger freiwillig Tonis "Erlebnisraststätte" direkt an der Autobahnausfahrt besuchen.
"Bin bis zur Tankstelle gefahren, hab getankt, Pause gemacht, und jetzt, weiß ich nicht, ob die Batterie kaputt gegangen ist. - Was haben wir denn für ein Problem ... "
Ganz aufgelöst kommt ein Motorradfahrer in die Werkstatt, die zu Tonis Reich gehört. Er kommt aus Bochum und jetzt ist der Anlasser kaputt. Der Mechaniker geht mit dem in schwarzer Motorradkluft gekleideten Mann nach draußen, um sich die Maschine anzuschauen.
Zwischen zwei Wohnwagengespannen auf dem Parkplatz neben der Werkstatthalle kocht auf einem kleinen Gaskocher das Kaffeewasser. Daneben sitzen zwei Frauen auf Campingstühlen und schmieren Brote für die männlichen Familienmitglieder, die auf einem kleinen freien Streifen zwischen den Autos Fußball spielen.
"Stau ist immer schön. Wir finden das schön, da steigen wir aus, unterhalten uns ein bisschen, wecken die LKW-Fahrer wieder auf, die eingeschlafen sind, ja, das hatten wir letztes Jahr. Da ist direkt vor uns im Stau ein LKW-Fahrer eingeschlafen, nebenan fuhren die ganzen Autos vorbei und wir haben gedacht, wie, was tut sich denn hier. Bei uns hat sich gar nichts getan auf unserer Straße und dann sind wir ausgestiegen und haben den erst mal geweckt und dann ging es weiter. Da standen wir eh schon lange im Stau, über 'ne Stunde und da ist er halt einfach eingeschlafen. Bis wir den mal wach hatten. Aber da darf man sich nicht aufregen. Wenn man sich aufregt, geht es eh nicht schneller. Wir fahren in den Urlaub. In dem Moment haben wir eh alle Zeit der Welt. Wenn man mit'm Wohnwagen fährt, weiß man von vorne herein, es geht nicht so schnell. Und wir haben eh noch eine so lange Tour vor uns, und ob man da eine Stunde früher oder zwei Stunden später, das ist net mehr ganz so schlimm. Wir haben keine Hetze. "
Stress haben dafür Tonis Angestellte in den Tankstellen, Läden und Restaurants. Im Selbstbedienungsrestaurant stehen die Kunden Schlange. Sie wollen bezahlen. Eine ältere Frau sitzt hinter der Kasse.
"Ja. also manchmal schon. Wenn viel los ist, wenn die Leute nervös sind, wenn drei, vier Busse auf einmal kommen und stehen dann an. Es geht ihnen nicht schnell genug. Wenn dann alles hektisch und alles auf einmal und jeder schreit und keinem geht's schnell genug. Also des geht manchmal schon an die Nerven. Aber eigentlich eher selten. Also immer die Abwechslung jeden Tag. Es wird eigentlich nicht langweilig. "
Trotzdem würde sie viel lieber selbst auf Reisen gehen, als hier die Leute abzukassieren.
"Träume eigentlich schon, aber irgendwie man ist dann schon so fest drin im ganzen und man hat die Erfahrung und auch das Publikum und die Kollegen und alles. Das ist dann eigentlich schon immer wieder - man muss immer Vor- und Nachteile abwägen. Was würde ich denn machen wollen. Ich reise sehr gern. Man sieht die Leute, also sehr viele, die durchfahren, die sind im Urlaub oder die fahren in Urlaub. Also immer kriegt man so ein bisschen Feeling mit das ganze Jahr. "
Toni Steinhofer, der Chef des Autohofes am Steigerwald, kennt solche Gefühle nicht. Er ist ein Mann der Tat, sagt er, während er mit seinem Mercedes in silbermetallic quer Beet über seine Ländereien kurvt, um den Fortgang seines momentanen Lieblingsprojektes zu kontrollieren.
"Es gibt Menschen, die haben viele Worte und viele Sinne. Ich habe auch einen Sinn. Aber ich setze meinen Sinn und meinen Geist in die Tat um. Das ist der Unterschied drin, ob's einer nur plant und will, aber auch der andere umsetzt. Das ist die hohe Kunst. "
Stolz blickt der beleibte Endsechziger auf die große Wiese, die sich von der Autobahn bis zum Waldrand hinaufzieht.
"Hier fahren wir jetzt in das Riesengelände, wo auch ein Amphitheater jetzt bald fertig wird, die Openair-Bühne, die große, steht unten direkt bei der Autobahnkirche. Das ist immer sehr lustig, beim Biker-Musik-Wochenende, wenn große Shows stattfinden und die hübschen Mädels so ein bisschen Szene machen und im Hintergrund sieht man die Autobahnkirche. Das gehört zusammen, das passt zusammen, wir sind sehr gläubige, christliche Menschen, wir sind aber auch nur Menschen und lieben auch die Menschlichkeit und solange es im Rahmen ist, solange die Menschen wissen, was sie tun und dazu gehört auch mal die Sau raus lassen. Das ist unser Motto. Andere wundern sich, dass immer seltener was los ist. Bei uns ist immer was los. Man muss nur die richtigen Bands organisieren und vor allem das Preis-Leistungsverhältnis darf man nie aus dem Auge verlieren. "
Seinen jähen Aufstieg hat der ehemalige Bauer der Autobahn zu verdanken. In den 60er Jahren wurde zwischen Nürnberg und Würzburg die Trasse planiert – mitten durch die Strohoferschen Felder.
"Mir war klar, dass meine Zukunft an der Autobahn ist. Ich wollte eigentlich so einen Autobahnbetrieb übernehmen, hab mich auch dort beschäftigen lassen, habe aber sehr schnell gemerkt, dass man dort nur lernt, was man nicht machen soll. Ich hab das dann genau anders gemacht, dass der Mensch, der eine Nummer ist, sondern eine Persönlichkeit, dass er gerne gesehen ist, wenn er kommt und verweilen kann. An der Autobahn soll er möglichst schnell wieder gehen und vorher aber viel Geld dalassen. Dieses Motto geht aber nicht immer auf. Weil der Kunde merkt das, wenn er gerne aufgenommen ist und verweilen kann und aus der Standzeit Nutzzeit machen kann. "
Am liebsten zitiert der schnauzbärtige Toni eingängige Mottos.
"Mein Motto ist immer 'Wachsen, nicht schrumpfen'. "
Vor ein paar Jahren bekam er eine Auszeichnung, weil er die umsatzstärkste Tankstelle der Welt führte. Weil ihm das nicht reichte, baut er nun an einer Erlebnis- und Erholstation, in der sich die gestressten Autofahrer effizient und angenehm erholen sollen. Restaurant, Werkstätten, Autowaschstraßen, Kinderspielplatz, Hotel mit Swimmingpool und Sauna, Casino, Seminarräume und drei Veranstaltungshallen, wo z.B. so ausgeflippte Heavy-Metal-Gruppen wie Manowar aus den USA auftreten.
"Ich liebe die Country-Musik, ich liebe aber auch die Volksmusik. Mein Motto heißt: 'Wer die Jugend hat, hat die Zukunft'. Wir haben drei Veranstaltungshallen. Da sind die Jugendlichen ganz heiß, wenn der Toni amal auf die Bühne geht und sagt: 'Hallo liebe Freunde, und heute haben wir wieder etwas besonderes für sie'. Und die Heavy-Metal-Szene ist mir insofern sehr wichtig, weil ich sehr gerne mit den Jugendlichen umgehe, die nicht so mit sich und der Welt zufrieden sind, die solche Events brauchen, wo sie sich austoben können, wo sie sich bei einer Vaterfigur wie ich anlehnen, und auch abreiben können. Da bin ich gefordert, das mag ich, die wieder in Reihe bringen, mit denen diskutieren. "
In einer der Hallen probt gerade eine Heavy Metall-Band für den abendlichen Auftritt. Für Events dieser Art ist Tonis Schwiegersohn Werner zuständig. Mit seinem dominanten Schwiegervater, dem Firmeninhaber, gerät er oft aneinander.
"Ja, so ist das auch. Das ist nicht immer angenehm. Aber es ist ja so, dass ich eigentlich ziemlich früh schon mit dabei bin und dann auch maßgeblich die ganze Geschichte geformt habe. Weil fürs Tagesgeschäft ist unser Senior eigentlich nicht zu haben. Er hat eine Vision und wir müssen sie realisieren. Projektentwicklung war immer meine Sache. Ich habe die Tankstelle geplant und auch eingerichtet und das Ding zum Laufen gebracht genauso wie die Werkstatt. Ich mach auch noch andere Dinge nebenbei. Ich mache hauptsächlich Veranstaltungen, die ganzen Veranstaltungen, die hier ablaufen, die werden zum größten Teil von mir geplant. Unser Senior hatte eine Vision, er hat eine Halle gebaut, die stand dann zwei Jahre leer oder drei, bis ich sie dann mit Cover-Abenden belegt habe. Ich bin im Grunde Tankstellen-Manager, Event-Manager, alles Mögliche, an manchen Tagen sind 20 Arbeitsstunden keine Seltenheit. "
Und seine Frau und die fünf Kinder?
"Die Familie, die läuft so nebenbei. "
Zum Glück wohnt Werner nur ein paar Meter neben dem Raststättenimperium auf der anderen Seite der Autobahn. Da kann er zwischendurch auch mal zu Hause nach dem Rechten sehen.
Vier Glocken dröhnen im über 30 Meter hohen Glockenturm, der sogar die riesige Kuppel der Eventhalle und das bunt gestrichene Hotel überragt. Die Autobahnkirche ist Teil des gewaltigen Gebäudekomplexes. Ein Teil der Hotelzimmer ist sogar nur über die Empore der Kirche zu erreichen. Sie ist ganz in weiß gehalten. Nur der Altar und die Stühle sind aus Holz.
Vor einer Handvoll Gästen hält Werners Frau Manuela eine Predigt. Sie ist Wortgottesdienstleiterin, erklärt sie danach. Das ist das höchste Amt, das die katholische Kirche einer Frau zuspricht.
"Wir wollten eigentlich in unserem Familienunternehmen Gott auch einen festen Platz hier an unserem Erlebnisrasthof geben, weil wir eben den Menschen, den Reisenden, die hierher kommen, seit nun 24 Jahren eine erholsame und wirklich ganzheitliche Rast anbieten möchten. Und zwar haben wir nicht nur an Fahrzeug der Menschen gedacht, in dem sie tanken, waschen reparieren können. Wir haben nicht nur an den Körper gedacht, in dem sie hier essen können oder im Wellnessbereich schwimmen, saunen, dampfgrottenbaden oder auch in unseren Veranstaltungshallen viele schöne Konzerte und Veranstaltungen hören und sehen können, wir haben auch an den Geist und an die Seele der Menschen gedacht, weil wir glauben, dass zu einem glücklichen Leben eben mehr gehört als nur hetzen und jagen nach materiellem Wohlstand. Es gehört auch für uns Gott und sein gutes Wort dazu, weil mit Gottes Wort können wir zufriedener, erfüllter und glücklicher durchs Leben als ohne Gottes Wort. "
Draußen stehen die Kirchenbesucher – mehrere Erwachsene und einige Teenager. Sie sind unschlüssig, welchen Weg sie für ihre Weiterfahrt nehmen sollen. Der älteste der Männer, klein, rundlich mit Schnauzbart geht auf Manuela zu.
"Mein Name ist Quick aus Heidelberg. Wir sind Roma, Zigeuner. Wir waren jetzt in Köln bei freie Christenmission. Da waren ungefähr 3000 Zigeuner mit Wohnwagen aus Italien, Norwegen, aus Holland, Belgien, sogar aus Afrika, Indien, aus Paris und natürlich wir aus Heidelberg. Es war wunderschön. Das sind freie Christen". "So wie ein Zelt ist das." "Willst du reden oder?" Das ist so eine Christengemeinde und da wird Gottes Wort gesagt. Und da ist jeder eingeladen. "
So wie bei uns, sagt Manuela. Und ist zufrieden mit sich und ihrer kleinen Welt im großen Erlebnisrasthof am Steigerwald.