"Die Rechtslage erlaubt den Export von Kriegswaffen nicht"

Bernhard Moltmann im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Der Friedensforscher Bernhard Moltmann sieht die Werbung von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für den Eurofighter in Indien kritisch. Denn auch die Jets seien nach der Rechtslage Kriegswaffen, sagt Moltmann.
Gabi Wuttke: Indien will viel Geld in die Hand nehmen. Über sieben Milliarden Euro, um sich 126 Kampfflieger anzuschaffen. Wäre ein super Geschäft für die EADS. Deshalb steht dem Konzern in Neu-Delhi und Bangalore derzeit auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU zur Seite. Nur nebenher erwähnt, dass der Eurofighter auch in Bayern viele Arbeitsplätze sichert.

Im Deutschlandradio Kultur begrüße ich jetzt Bernhard Moltmann, nicht nur bei der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung Fachmann für das Thema Rüstungsexporte, sondern auch bei der GKKE, dem evangelisch-katholischen Arbeitsverbund für Entwicklungspolitik. Guten Morgen, Herr Moltmann!

Bernhard Moltmann: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Ist ein Eurofighter eigentlich eine Kriegswaffe oder firmiert das in der Kategorie sonstige Rüstungsgüter?

Moltmann: Nach der Rechtslage firmiert das als Kriegswaffe, weil als Kriegswaffe nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz solche Waffen und Rüstungsgüter bezeichnet werden, die zur Kriegsführung bestimmt sind.

Wuttke: In Indien herrscht kein ausgewiesener Krieg, aber das Verhältnis beispielsweise zu Pakistan ist seit Jahrzehnten gewittrig. Inwiefern erlauben unsere politischen Richtlinien den Export von Kampfflugzeugen an die indische Regierung, wenn es denn Kriegswaffen sind?

Moltmann: Die Rechtslage erlaubt den Export von Kriegswaffen nicht, es sei denn, das besondere Interessen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Spiel stünden. Das ist aber in diesem Fall ein schwieriger Fall, würde ich sagen, denn das wäre nachweisungspflichtig. Wir haben hier ein Problem bei allen rüstungsexportpolitischen Entscheidungen, dass positive Entscheidungen, also Genehmigungen, in der Regel nicht begründet werden, man also eigentlich nicht weiß, warum Regierungen Entscheidungen treffen, Waffen zu liefern oder Waffenlieferungen zu verweigern.

Wuttke: Was wären denn besondere Interessen? Ist das zum Beispiel, dass es der deutschen Wirtschaft gut geht?

Moltmann: Nein, es ist ausdrücklich festgelegt, dass arbeitsplatzpolitische Gesichtspunkte oder wirtschaftliche Gesichtspunkte bei rüstungsexportpolitischen Entscheidungen keine Rolle spielen. Es könnte vielleicht ein politisches Interesse sein, wenn die Flugzeuge dafür eingesetzt würden, sagen wir Piraten zu jagen, um damit die deutsche Versorgung mit Rohstoffen oder den Export von deutschen Containern, die mit Waren gefüllt sind, zu sichern.

Das könnte ein Grund sein, wenn auch etwas an den Haaren herbeigezogen, denn man darf nicht vergessen, Waffen, Kriegswaffen – und das gilt auch für diese Flugzeuge – sind langlebige Güter. Man muss bei jedem Rüstungstransfer überlegen, man liefert die Waffen jetzt, aber die Waffen werden lange dort sein, man weiß nie, in welche Hände sie kommen oder ob sie ein oder andermal weiterverkauft werden.

Wuttke: Möglicherweise stelle ich jetzt eine ganz naive Frage, aber wenn denn unsere Richtlinien so sind, was macht dann die EADS jetzt, und warum steht ihr Karl-Theodor zu Guttenberg zur Seite?

Moltmann: Sie steht schon in einer großen Konkurrenz. Die Inder sind sehr wählerisch in dem Kauf ihrer Waffen. Bisher ist Russland der größte Waffenlieferant Indiens gewesen, und die EADS bemüht sich, in Konkurrenz auch zu schwedischen Anbietern, jetzt in diesen Markt hineinzukommen.

Wuttke: Aber Sie sagen doch, eigentlich geht das gar nicht, denn es ist ein Kriegsgerät und von daher, warum bewirbt man sich, wenn am Ende der Export gar nicht genehmigt werden kann?

Moltmann: Wenn also die Inder sich tatsächlich für dieses Flugzeug entscheiden, was ich noch nicht für wahrscheinlich halte, weil dieses Flugzeug vermutlich von seiner ganzen Anlage her für die indischen Bedürfnisse gar nicht passend ist, dann muss erst mal geklärt werden, wo wird überhaupt über den Export dieses Flugzeuges entschieden. Da ist in der Regel immer das Land zuständig, in dem die Endfertigung stattfindet, und der Eurofighter ist, wie der Name sagt, ein Flugzeug, das aus Komponenten, aus Bestandteilen ganz verschiedener Herkunftsländer zusammengebaut wird, an unterschiedlichen Stellen.

Also das wird man dann erst sehen, wenn darüber wirklich entschieden werden muss, welches Land – ob das Frankreich ist, ob das Deutschland ist, ob das Spanien, ob das Großbritannien ist – darüber entscheidet. Man sollte nicht vergessen, EADS hat aus steuerrechtlichen Gründen seinen Sitz sogar in den Niederlanden, also gar nicht in Deutschland.

Wuttke: Aber das ist ja sehr interessant, was Sie da sagen, denn unter diesem Aspekt, dass man ja immer die unangenehmen Sachen wiederum an die Partnerländer schieben könnte, habe ich mir noch nie überlegt, dass EADS ja ein europäischer Konzern ist.

Moltmann: Ja, das ist ein Problem in der ganzen Rüstungsexportpolitik, das wird immer unter nationalstaatlichen Gesichtspunkten betrachtet. Jede Regierung findet, sie hätte da eine gewisse Souveränität, darüber zu entscheiden. Die französische Seite unter Sarkozy macht das besonders prominent vor, aber die Deutschen sind da auch nicht zögerlich, wenn es um Panzerlieferungen geht. Gleichwohl muss man in Rechnung stellen, dass eigentlich kaum ein modernes Rüstungsgut ausschließlich in einem Herstellerland produziert wird, sondern da fließen sehr viele Komponenten ein.

Und gerade wenn man sich die deutschen Rüstungsexporte insgesamt ansieht, liegen die Stärken neben den Panzerlieferungen und U-Boot-Lieferungen eben in den Komponenten, die die deutsche Rüstungsindustrie herstellt und entsprechend weiter an andere Rüstungshersteller exportiert, sodass man davon ausgehen kann, dass eigentlich in vielen Rüstungslieferungen anderer europäischer Staaten Made in Germany inside mit exportiert wird.

Wuttke: Unsere Minister sprechen ja gerne von Abrüstung und Menschenrechten, von Gewaltprävention und Sicherheit, ist das also alles nur ein Lippenbekenntnis?

Moltmann: Nein, das sind die verantwortlichen Ressortminister. Das Problem in Deutschland ist, dass die ganze Rüstungsexportkontrolle in den Händen des Wirtschaftsministeriums liegt und dort in der Abteilung Außenhandel, während diejenigen, die von Frieden, Sicherheit, Rüstungskontrolle, Rüstungsexportkontrollregime, weltweiten Abrüstungsverträgen und so weiter handeln, meistens im Außenministerium und möglicherweise auch im Entwicklungsministerium sitzen und dann höchstens zurate gezogen werden, wenn in sensiblen Fällen eine rüstungsexportpolitische Entscheidung ansteht, aber es ist zunächst mal das Wirtschaftsministerium, was darüber befindet.

Wuttke: Ist das jetzt zu weit gegriffen, wenn ich jetzt einfach mal behaupte, da werden die meisten Waffenlobbyisten ihre Fühler hingestreckt haben?

Moltmann: Ja, aber die werden daneben auch natürlich ins Bundeskanzleramt gehen und versuchen, dort entsprechend die Weichen zu stellen. Gerade im letzten Jahr haben sich die deutschen Rüstungshersteller zu einem neuen Bundesverband formiert, der sich denn auch Verteidigungsgüter und Sicherheitsindustrie nennt, also den Ausdruck Rüstungsgüter gar nicht in seinem Titel führt, und die sind in Berlin sehr prominent als Lobbyisten tätig.

Wuttke: Aber was ist denn dann die politische Richtlinie, die es ja schwarz auf weiß gibt, wert, in der nämlich, wie ich eben schon mal sagte, Abrüstung, Menschenrechte, Gewaltprävention, Sicherheit eigentlich als ethische Normen festgeschrieben sind?

Moltmann: Ja, das Problem ist, dass das in der Tat als Grundsatz festgeschrieben ist, dass aber natürlich die Entscheidungen auch nach rechtsstaatlichen Prinzipien getroffen werden. Und da heißt es dann, es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Vorgaben – sowohl die gesetzlichen als auch die politischen Grundsätze, die Sie gerade zitiert haben – verletzt worden sind oder nicht. Und wenn man denn dann ein einzelnes Schnellboot hat oder ein einzelnes Flugzeug hat, dann wird man immer sagen, na ja, damit kann man im Grunde keine Menschenrechte verletzen oder das ist auch kein Beitrag zum Rüstungswettlauf, also kann man das wohl exportieren.

Wuttke: Die politische Moral und die deutschen Rüstungsexporte – dazu in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Bernhard Moltmann von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung und überdies Vorsitzender für das Thema Rüstungsexporte beim evangelisch-katholischen Arbeitsverbund für Entwicklungspolitik GKKE. Herr Moltmann, besten Dank und schönen Tag!

Moltmann: Ja, für Sie auch, Frau Wuttke!