Die Regenbogenbrücke
Vor einem Jahr drang ein Vermummter in das Tel Aviver Lesben- und Schwulenzentrum Agudah ein und feuerte um sich. Zwei Menschen waren sofort tot. Jetzt schließen sich Berliner, Kölner und Tel Aviver Lesben und Schwule zusammen.
Bastian Finke erinnert sich noch genau an die Nachrichten vom Anschlag auf die Agudah. Der Leiter des Überfalltelefons Maneo hilft schwulen Gewaltopfern in Berlin. Und dann der Schock: zwei Todesopfer im Schwulen- und Lesbenzentrum in Tel Aviv.
"Ein Anschlag auf einen Schutzraum für junge Lesben und Schwule. Das hat uns sehr, sehr berührt."
Denn in der Agudah sollten junge Schwule und Lesben in Gruppen Selbstvertrauen entwickeln,
lernen, sich am Arbeitsplatz gegen Diskriminierung zu wehren oder die Schwierigkeiten im Elternhaus besprechen. Solche Zentren gibt es in New York genauso wie in Paris, Hamburg oder Berlin.
Der Anschlag in Tel Aviv führte zu weltweitem Entsetzen. In ganz Europa hielten erschütterte Menschen Mahnwachen ab – zeitgleich mit einer Demonstration in Tel Aviv.
"Und auch wir haben vor unserem Projekt eine Mahnwache durchgeführt. Kurz darauf haben wir Freunde in Tel Aviv kontaktiert und gefragt: Was haltet Ihr von dieser Idee? Wir würden Euch gerne ein Jahr später einladen. Oftmals sind am Anfang viele Hilfsangebote, die dann relativ schnell abebben und dann bleibt relativ wenig zurück."
Die "Regenbogenbrücke" dagegen soll Bestand haben. So nennt sich das deutsch-israelische Projekt, das am Mittwoch in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vorgestellt wurde, denn die Regenbogenfarben stehen für schwules und lesbisches Selbstbewusstsein. In Tel Aviv sind die Aufkleber mit den vielen Farben genauso wie in Köln und Berlin zu finden - an unzähligen Fahrrädern, Autos, an Türen von Buchläden und Caféfensterscheiben.
Vor zwei Monaten reisten die deutschen Initiatoren der Regenbogenbrücke nach Tel Aviv und ließen sich den Ort des Anschlags zeigen. Unter ihnen der schwule SPD-Politiker Tom Schreiber, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus.
"Es war schon sehr beeindruckend, wie der Sozialpädagoge uns erzählt hat, wie der Attentäter reinkam, wo die beiden jungen Menschen erschossen wurden und lagen, wo der Attentäter wieder raus ist. Man konnte sich ausmalen, wie die Situation gewesen sein muss. Es war ja abends gewesen, ringsrum sind Restaurants und Mietshäuser. Der eine oder andere hat gedacht, da fiel ein Schuss, weil im Fernsehen ein Krimi lief."
In Israel herrscht eine tiefe Kluft zwischen säkularen und religiösen Juden. Da ist die Schwulenmetropole Tel Aviv mit unzähligen knutschenden Frauen und Männerpaaren, mit Homokneipen, Bars, Saunen und Diskotheken. Und da sind orthodoxe Rabbiner, die Homosexualität als Sünde betrachten. Vor vier Jahren kämpften Ultraorthodoxe vehement gegen eine Schwulenparade in Jerusalem, den World Pride. Einzelne Politiker religiöser Parteien riefen gar den Heiligen Krieg gegen die Parade aus. Reichlich Unterstützung fanden die jüdischen Homo-Gegner bei Christen und Muslimen. Allen Befürchtungen zum Trotz konnte die Parade damals jedoch ohne Gewalt stattfinden.
Seit dem Anschlag auf die Agudah hat sich die Situation in Israel verbessert, findet André Lossin, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Auch er hat die Regenbogenbrücke vor zwei Monaten vorbereitet und konnte in Tel Aviv eine Homo-Demonstration verfolgen.
"Ich war überrascht, es gab einen Zug in Tel Aviv, wo Orthodoxe aufgetreten sind und sich klar geoutet haben und das ist schon ein Novum in der israelischen Gesellschaft, dass sie sagen: Das sind wir. Punkt. Da wird auch in der Orthodoxie eine bestimmte Diskussion stattfinden und die wird auch zu Veränderungen führen."
André Lossin hebt hervor, dass auch das orthodoxe Oberrabbinat den Anschlag verurteilte. Mehr und mehr sähen Orthodoxe in Israel ein, dass Homosexualität sich nicht leugnen lässt. Und in Deutschland? Offiziell verdammen alle orthodoxen Rabbiner Homosexualität. Doch die Kölner jüdische Gemeinde ist sehr orthodox geprägt und wird sich trotzdem an der Regenbogenbrücke beteiligen. Auch die Vorsitzende der Berliner Einheitsgemeinde ist mit von der Partie. Deren Vorsitzende Lala Süskind:
"Ich kann von einem orthodoxen Menschen verlangen, dass er Toleranz zeigt und dass er das an seine Beter weitergibt. Ich verdamme orthodoxe Menschen, die von der Kanzel sagen, diese Menschen sind verdammenswert. Das ist verdammenswert, finde ich, aber nicht die Menschen tatsächlich homosexuell sind."
Elf schwule und lesbische Jugendliche aus der Agudah werden ab heute deutsche Jugendliche kennenlernen, werden Berlin und Köln besuchen - Schwulenbars inklusive. Auch die gehören zu einem Urlaub für traumatisierte Menschen.
Daneben treffen sich Fachleute aus israelischen Antigewaltprojekten mit deutschen Kollegen. Und ein Vertreter der Berliner Polizei trifft auf kompetente deutsche Ansprechpartner. Bastian Finke:
"Wir haben hier in Berlin zwei eigene Ansprechpartner der Polizei für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, das ist ja schon in Deutschland einzigartig, weshalb ja auch viele andere Repräsentanten der Polizei nach Berlin kommen, um sich vor Ort zu informieren."
Der Vorteil der Spezialisten liegt auf der Hand: Sie sollen in der Schwulenszene Vertrauen zur Polizei schaffen. Und sie bilden andere Polizisten fort: Wer als lesbische Frau oder schwuler Mann angepöbelt, bedrängt, geschlagen, getreten oder beraubt wurde, soll auf der Wache keine unsensiblen Fragen oder rüpelhaften Antworten befürchten müssen – weder in Deutschland noch in Israel.
"Ein Anschlag auf einen Schutzraum für junge Lesben und Schwule. Das hat uns sehr, sehr berührt."
Denn in der Agudah sollten junge Schwule und Lesben in Gruppen Selbstvertrauen entwickeln,
lernen, sich am Arbeitsplatz gegen Diskriminierung zu wehren oder die Schwierigkeiten im Elternhaus besprechen. Solche Zentren gibt es in New York genauso wie in Paris, Hamburg oder Berlin.
Der Anschlag in Tel Aviv führte zu weltweitem Entsetzen. In ganz Europa hielten erschütterte Menschen Mahnwachen ab – zeitgleich mit einer Demonstration in Tel Aviv.
"Und auch wir haben vor unserem Projekt eine Mahnwache durchgeführt. Kurz darauf haben wir Freunde in Tel Aviv kontaktiert und gefragt: Was haltet Ihr von dieser Idee? Wir würden Euch gerne ein Jahr später einladen. Oftmals sind am Anfang viele Hilfsangebote, die dann relativ schnell abebben und dann bleibt relativ wenig zurück."
Die "Regenbogenbrücke" dagegen soll Bestand haben. So nennt sich das deutsch-israelische Projekt, das am Mittwoch in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vorgestellt wurde, denn die Regenbogenfarben stehen für schwules und lesbisches Selbstbewusstsein. In Tel Aviv sind die Aufkleber mit den vielen Farben genauso wie in Köln und Berlin zu finden - an unzähligen Fahrrädern, Autos, an Türen von Buchläden und Caféfensterscheiben.
Vor zwei Monaten reisten die deutschen Initiatoren der Regenbogenbrücke nach Tel Aviv und ließen sich den Ort des Anschlags zeigen. Unter ihnen der schwule SPD-Politiker Tom Schreiber, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus.
"Es war schon sehr beeindruckend, wie der Sozialpädagoge uns erzählt hat, wie der Attentäter reinkam, wo die beiden jungen Menschen erschossen wurden und lagen, wo der Attentäter wieder raus ist. Man konnte sich ausmalen, wie die Situation gewesen sein muss. Es war ja abends gewesen, ringsrum sind Restaurants und Mietshäuser. Der eine oder andere hat gedacht, da fiel ein Schuss, weil im Fernsehen ein Krimi lief."
In Israel herrscht eine tiefe Kluft zwischen säkularen und religiösen Juden. Da ist die Schwulenmetropole Tel Aviv mit unzähligen knutschenden Frauen und Männerpaaren, mit Homokneipen, Bars, Saunen und Diskotheken. Und da sind orthodoxe Rabbiner, die Homosexualität als Sünde betrachten. Vor vier Jahren kämpften Ultraorthodoxe vehement gegen eine Schwulenparade in Jerusalem, den World Pride. Einzelne Politiker religiöser Parteien riefen gar den Heiligen Krieg gegen die Parade aus. Reichlich Unterstützung fanden die jüdischen Homo-Gegner bei Christen und Muslimen. Allen Befürchtungen zum Trotz konnte die Parade damals jedoch ohne Gewalt stattfinden.
Seit dem Anschlag auf die Agudah hat sich die Situation in Israel verbessert, findet André Lossin, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Auch er hat die Regenbogenbrücke vor zwei Monaten vorbereitet und konnte in Tel Aviv eine Homo-Demonstration verfolgen.
"Ich war überrascht, es gab einen Zug in Tel Aviv, wo Orthodoxe aufgetreten sind und sich klar geoutet haben und das ist schon ein Novum in der israelischen Gesellschaft, dass sie sagen: Das sind wir. Punkt. Da wird auch in der Orthodoxie eine bestimmte Diskussion stattfinden und die wird auch zu Veränderungen führen."
André Lossin hebt hervor, dass auch das orthodoxe Oberrabbinat den Anschlag verurteilte. Mehr und mehr sähen Orthodoxe in Israel ein, dass Homosexualität sich nicht leugnen lässt. Und in Deutschland? Offiziell verdammen alle orthodoxen Rabbiner Homosexualität. Doch die Kölner jüdische Gemeinde ist sehr orthodox geprägt und wird sich trotzdem an der Regenbogenbrücke beteiligen. Auch die Vorsitzende der Berliner Einheitsgemeinde ist mit von der Partie. Deren Vorsitzende Lala Süskind:
"Ich kann von einem orthodoxen Menschen verlangen, dass er Toleranz zeigt und dass er das an seine Beter weitergibt. Ich verdamme orthodoxe Menschen, die von der Kanzel sagen, diese Menschen sind verdammenswert. Das ist verdammenswert, finde ich, aber nicht die Menschen tatsächlich homosexuell sind."
Elf schwule und lesbische Jugendliche aus der Agudah werden ab heute deutsche Jugendliche kennenlernen, werden Berlin und Köln besuchen - Schwulenbars inklusive. Auch die gehören zu einem Urlaub für traumatisierte Menschen.
Daneben treffen sich Fachleute aus israelischen Antigewaltprojekten mit deutschen Kollegen. Und ein Vertreter der Berliner Polizei trifft auf kompetente deutsche Ansprechpartner. Bastian Finke:
"Wir haben hier in Berlin zwei eigene Ansprechpartner der Polizei für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, das ist ja schon in Deutschland einzigartig, weshalb ja auch viele andere Repräsentanten der Polizei nach Berlin kommen, um sich vor Ort zu informieren."
Der Vorteil der Spezialisten liegt auf der Hand: Sie sollen in der Schwulenszene Vertrauen zur Polizei schaffen. Und sie bilden andere Polizisten fort: Wer als lesbische Frau oder schwuler Mann angepöbelt, bedrängt, geschlagen, getreten oder beraubt wurde, soll auf der Wache keine unsensiblen Fragen oder rüpelhaften Antworten befürchten müssen – weder in Deutschland noch in Israel.