Die Reichen und die Steuer

Von Klaus Schroeder |
Das Ende der rot-grünen Bundesregierung ist in erster Linie das Ergebnis ihres Versagens in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sie wollte mehr Arbeitsplätze schaffen und hat mehr Arbeitslose produziert, sie wollte den Sozialstaat sichern und hat seine finanziellen Grundlagen beschädigt. Aber nun - angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes - hat sie den Schuldigen gefunden: die Reichen. Sie sollen zukünftig mehr Steuern zahlen, damit endlich mehr Geld in Bildung und Forschung fließt und das Land wieder prosperieren kann.
Indes - diese so genannte Reichensteuer, die SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen gleichermaßen fordern, entpuppt sich bei näherem Hinsehen nicht nur als soziale Symbolpolitik, sondern auch als Gift für das politische und soziale Klima in unserem Land.

Ob die Einführung einer Sondersteuer auf Einkommen über 250.000 Euro bei Ledigen und 500.000 Euro bei Ehepaaren tatsächlich Mehreinnahmen bringt, steht in den Sternen. Werden von den ca. 60.000 betroffenen Steuerpflichtigen die Personengesellschaften abgezogen, verbleiben nur einige Tausend, und die Mehreinnahmen würden nicht einmal eine Milliarde Euro erbringen. Besteuert man auch die Selbstständigen, könnten Investitionen und Arbeitsplätze verloren gehen, da gerade Kleinunternehmen sehr arbeitsintensiv sind. Darüber hinaus stehen dieser Gruppe Möglichkeiten zur Steuerflucht offen, die vermehrt genutzt werden könnten. Im schlechtesten Fall käme es nach Einführung der "Reichensteuer" sogar zu Mindereinnahmen, wie im Fall der Tabak- und Mineralölsteuer nach Erhöhungen bereits geschehen.

Die vorgeschlagenen Einkommensgrenzen liegen so hoch, dass nur wenige betroffen sind, aber wer kann ausschließen, dass dies den Einstieg in noch mehr Umverteilung bedeutet? Schließlich bezeichnet die rot-grüne Bundesregierung in ihrem kürzlich veröffentlichten Armuts- und Reichtumsbericht schon Haushalte mit jährlich mehr als 80.000 Euro brutto als reich. Warum sollten nicht auch diese mehr Steuern zahlen?

So wird ein Klima erzeugt, das Neid auf die Reichen schürt, anstatt für Bedingungen zu sorgen, die mehr Menschen zu Wohlstand kommen lassen. Laut einer Studie stieg in den letzten Jahren in vielen Ländern der Welt die Zahl der Millionäre, nur nicht in Deutschland. Die Reichen sind seit Anfang der 90er Jahre keineswegs immer reicher, die Armen nicht immer ärmer geworden. Die Steuersenkungen der letzten Jahre entlasteten Geringverdiener ebenso wie Reiche überproportional, nur mittlere Einkommensbezieher spürten durch die gleichzeitige Senkung der Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz und die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialbeiträge wenig davon.

Der Hinweis von Sozialdemokraten und Grünen, wonach etwa 70 Prozent der Bevölkerung die Einführung einer Reichensteuer befürworten, könnte sich schnell als Bumerang erweisen. Sicherlich würde auch eine breite Mehrheit eine Halbierung der Einkommen von Politikern begrüßen, eine drastische Senkung der Mineralölsteuer oder den Verzicht auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Eine solche Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Wer die Spirale von Neid und Gleichmacherei in Gang setzt, darf sich später nicht wundern, wenn dringend notwendige Strukturreformen auf Ablehnung stoßen. Zwar dämmert inzwischen vielen, dass Deutschland angesichts der Globalisierung ohne grundlegende Veränderungen nicht zukunftsfähig ist, dennoch sind die meisten nicht zu eigenen Opfern und mehr Leistung bereit.

Geradezu absurd ist die Aufforderung an die Reichen, ihren Patriotismus durch höhere Steuersätze zu demonstrieren - vor allem, wenn diese Worte aus dem Mund derer kommen, die ansonsten bereits die mildeste Form von Nationalgefühl als rechtsextreme Gesinnung diffamieren.

Nein, diese an dumpfe Gefühle appellierende Symbolpolitik schafft weder Arbeitsplätze noch mehr Gerechtigkeit. Der neuen Linkspartei unter Führung der begnadeten Sozialdemagogen Gysi und Lafontaine werden SPD und Grüne auf diese Weise auch nicht beikommen können. Sie leiten nur Wasser auf deren Mühlen. Sinnvoller wäre eine generelle Änderung des Steuersystems, die mehr Transparenz und Vereinfachung bringt. Ob die Reichen dann mehr oder weniger Steuern zahlen sollten, ist eine Frage, die Politik und Gesellschaft unter Berücksichtigung von Standortbedingungen und Auswirkungen diskutieren müssen. Ziel muss es sein, mehr Wohlstand für alle zu schaffen und nicht weniger Wohlstand für alle durch mehr Umverteilung.

Der 1949 in Lübeck geborene Klaus Schroeder lehrt an der Freien Universität Berlin Politische Wissenschaft. Der habilitierte Sozialwissenschaftler leitet an der FU den Forschungsverbund SED-Staat und die Arbeitstelle Politik und Technik. Letzte Veröffentlichungen: Der SED-Staat. Partei und Gesellschaft 1949 - 1990, Hanser-Verlag, München 1998; Der Preis der Einheit. Eine Bilanz, Hanser-Verlag, München 2000. Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland. Ein Ost-West-Vergleich, Schöningh-Verlag, Paderborn 2004.