Die Rente und die SPD im Wahlkampfmodus

"Bizarr, weltentrückt und esoterisch"

Zwei grauhaarige Männer verfolgen eine Wahlkampfveranstaltung der SPD am 2017 auf dem Nikolaikirchhof in Leipzig, auf der Bühne stehen die drei großen roten Buchstanden "SPD"
Die Sozialdemokraten drängen darauf, das Rentenniveau bis 2040 festzuschreiben. © dpa-Zentralbild / Jan Woitas
Harald Welzer im Gespräch mit Anke Schaefer |
Die SPD will mit dem Thema Rente punkten. Der Sozialpsychologe Harald Welzer kann darüber nur den Kopf schütteln. Die Partei nehme alle unter 50 nicht mehr zu Kenntnis, kritisiert er. Zudem sei es absurd, Prognosen für das Jahr 2040 abzugeben.
Die Rente sichern - das wollen natürlich alle. Doch die SPD möchte das bis 2040 tun, verabredet mit der Union war 2025. Deswegen gibt es nun Streit, und die Sozialdemokraten machen Druck. Er erwarte von der Union ein Bekenntnis, ob sie auch eine Stabilisierung des Rentenniveaus wolle, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil im ZDF.

Thema sofort wieder fallen lassen

Für den Sozialpsychologen Harald Welzer sind die Sozialdemokraten momentan völlig auf dem Holzweg. Welzer sagte im Deutschlandfunk Kultur, wenn es hier um Wahlkampf gehe, würde er der SPD empfehlen, das Thema sofort wieder fallen zu lassen. Erstens interessiere es wahrscheinlich nicht allzu viele Leute, die heute 40-Jährigen seien in der Familien- und Karrierephase und an allem "vital" interessiert außer am Renten-Thema. Und zweitens sei es absurd, im Jahr 2018 ein Rentenkonzept bis 2040 vorzulegen: "Das ist einfach völlig unmöglich."
Der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer, aufgenommen am 13.10.2011 auf der Frankfurter Buchmesse.
Der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer: Die Zukunft ist uneindeutig.© picture-alliance / dpa / Arno Burgi
Der SPD warf Welzer vor, nur noch auf "Geronto-Themen" zu setzen. Wenn die Sozialdemokraten sich denn profilieren wollten, hätten sie dazu beispielsweise beim Thema Migration oder bei den Angriffen der CSU auf Kanzlerin Merkel genug Gelegenheit gehabt. Auch der Anstieg der Mieten oder die Klima-Problematik könnten Themen für die SPD sein.
Doch dass es in Deutschland Menschen unter 50 gebe, scheine die Sozialdemokraten überhaupt nicht mehr zu interessieren, sagte Welzer. Die Partei nehme die Existenz von jungen Menschen nicht mehr zur Kenntnis. Selbst Generalsekretär Klingbeil als "junger Hoffnungsträger" der Partei habe "alle diese Themen überhaupt nicht drauf", kritisierte er scharf. "Ich verstehe nicht, was mit dieser Partei los ist", sagte der Soziologe.

Finanztransaktionssteuer, Robotersteuern, Vermögenssteuer

Welzer monierte zudem, dass es schwierig ist, gesicherte Prognose bis 2040 abzugeben. Er sprach von einer fragilen Berechnungsgrundlage: "Was für einen Arbeitsmarkt haben wir dann? Was für eine Berufsstruktur haben wir dann? Was für ein Steuersystem? Gibt es die Bundesrepublik überhaupt noch?" Ein Renten-Plan bis 2040 sei "bizarr", "weltentrückt" und "esoterisch", weil die gesellschaftlichen Verhältnisse so volatil seien wie lange nicht mehr, betonte er. Die Zukunft sei uneindeutig.
Mehrere ältere Personen sitzen am 31.05.2016 auf einer Parkbank im Schlosspark Pillnitz (Sachsen). Foto: Arno Burgi
Szene aus dem Schlosspark Pillnitz (Sachsen): Werden künftige Rentner genauso ihren Lebensabend genießen können?© picture alliance / ZB / Arno Burgi
Allein die Digitalisierung werde dafür sorgen, dass bis zu 40 Prozent aller Jobs verloren gingen, sagte Welzer. Das werfe grundsätzliche Fragen zur Finanzierung des Sozial- und Rentensystems auf. Völlig klar sei, dass das künftig nicht über die Besteuerung von Arbeit funktionieren könne. Finanztransaktionssteuer, Robotersteuern, Vermögenssteuer: Das wären alles "Super-Themen" für Sozialdemokraten. Doch die täten momentan lieber so, als werde die Welt 2040 noch genauso sein wie heute. (ahe)
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