Die revolutionäre Kraft der Musik
Seine politischen Überzeugungen führten den Komponisten Hanns Eisler um die Welt: Er schrieb sozialistische Kantaten für die Arbeiter im "roten Wedding" und Kampflieder für die Brigaden im spanischen Bürgerkrieg. In ihrer Biografie geht Friederike Wißman seinem Treiben auf den Grund.
"Are you now or have you ever been a communist?"
Hanns Eisler vor dem "Ausschuss für unamerikanische Tätigkeiten", 1947, im Blitzlichtgewitter der Reporter: das vielleicht bekannteste Bild des Komponisten.
Hanns Eisler: "I am not now a communist and I remember I made when I was a young man 1926 an application for the german communists, but I could not combine my artistic activities with the demand of any political party."
"Ich fühle mich wie ein Eingeborener," so Eisler, "der versucht, sich mit Pfeil und Bogen gegen eine Atombombe zur Wehr zu setzen." Trotz Protestaktionen bekannter Künstler wie Thomas Mann, Charlie Chaplin oder Pablo Picasso ist er in den USA nicht mehr erwünscht. Über Umwege gelangt der einst vor den Nazis geflohene Jude und Kommunist 1949 in die DDR. Hier entsteht das Lied, das zur Nationalhymne des jungen Staates werden sollte.
Spätestens mit der im Westen als "Spalterhymne" diffamierten Komposition war Eisler, dessen Arbeit auch in der DDR bald auf heftigen Widerspruch stoßen sollte, im bundesrepublikanischen Westen zur Persona non grata geworden.
Hanns Eisler - ein Musiker zwischen den Stühlen. Je nach geografischer oder ideologischer Blickrichtung hat sich dies auch in der Literatur über ihn stets bemerkbar gemacht. Die Biografie von Friederike Wissmann ist der Versuch, Eislers Leben aus seiner Musik heraus zu deuten, nicht umgekehrt.
Ihre Methode hat zur Folge, dass Phasen intensiver künstlerischer Produktion mehr Raum einnehmen als Zeiten, in denen verhältnismäßig wenig entstand. So sind etwa die hinsichtlich der Schülerschaft Eislers bei Arnold Schönberg wichtigen Jahre von 1918 bis 26 eher schwach belichtet, ähnliches gilt für die erste Zeit der Emigration von 1933 bis 36.
Die Endphase der Weimarer Republik dagegen, die Arbeiterchöre, Eislers Abkehr vom bürgerlichen Konzertbetrieb, die Arbeit mit Ernst Busch und Bert Brecht, erscheinen überaus plastisch.
Als Beispiel seien die "Zeitungsausschnitte" erwähnt. Hierbei handelt es sich um einen 1927 entstandenen Zyklus von kurzen Klavierliedern, die eben nicht, wie etwa bei Schönberg noch selbstverständlich, hehre Dichtung zur Grundlage haben. In den "Zeitungsausschnitten" findet, so die Autorin, ein Bruch mit der Tradition insofern statt, als …
"… diese eine Perspektivverschiebung markieren, nämlich von der Subjektivität und Innerlichkeit des romantischen Liedes hin zu einer kommentierenden Draufsicht, die als Antilyrik in die in die Literaturgeschichte einging."
Wissmann belegt dies durch eine genaue Analyse des Liedes "Mariechen". Es folgt die Beobachtung, dass Eisler in jener Zeit auch innerlich gefestigt erscheint, persönliche Probleme sein berufliches Tun kaum beeinflussen und er sogar politisch bei der KPD eine Heimat gefunden zu haben scheint.
Dennoch hinterlässt das flüssig und stilsicher geschriebene, von Fachjargon weitgehend freie Buch einen zwiespältigen Eindruck. Wir erfahren nicht viel über Eislers Arbeit für den kommerziellen Film - eine Arbeit, die übrigens in einen eher glücklichen Lebensabschnitt fällt.
Gelegentliche Ungenauigkeiten erzeugen Misstrauen. Das Dictum vom "Karl Marx des Kommunismus auf dem Gebiet der Musik" wird auf Eislers erste Tournee durch die USA im Jahre 1935 bezogen, obwohl dieser Satz erst zwölf Jahre später, zu Beginn der McCarthy-Ära, entstand. Auch wäre es möglich gewesen, Aussagen gründlicher zu belegen, ohne eine Überlast an Fußnoten zu produzieren.
Sehr lesenswert ist das Vorwort von Peter Hamm. Er berichtet von seiner persönlichen Eisler-Erfahrung, die er im Zusammenhang einer Filmrecherche in den 60er-Jahren machte. Etwa davon, wie man sich im kleinen Kreis Tonbandaufzeichnungen von Gesprächen mit Eisler anhörte, bei denen dieser Hölderlins Wort von der "bleiernen Zeit" zitierte. Unter den Zuhörern dieser Runde: die Filmemacherin Margarethe von Trotta, durch die dieser Begriff zur Signatur einer Epoche werden sollte.
Auch wenn es Wißmanns Buch mitunter an Konsequenz mangelt, zu dem gewählten Ansatz zu stehen, enthält es manch kluge Analyse und vermeidet eine Überschätzung des Persönlichen. Wo ihr Ansatz überzeugt, vor allem in den Kapiteln über die späten 20er, die Einsamkeit in Hollywood und die Faust-Kontoverse in der DDR, entsteht beim Leser große Neugier - Neugier darauf, dem vielfältigen und spannenden Werk dieses Komponisten neu zu begegnen.
Friederike Wissmann: Hanns Eisler - Komponist, Weltbürger, Revolutionär
Mit einem Vorwort von Peter Hamm
Edition Elke Heidenreich bei C.Bertelsmann, München 2012
Hanns Eisler vor dem "Ausschuss für unamerikanische Tätigkeiten", 1947, im Blitzlichtgewitter der Reporter: das vielleicht bekannteste Bild des Komponisten.
Hanns Eisler: "I am not now a communist and I remember I made when I was a young man 1926 an application for the german communists, but I could not combine my artistic activities with the demand of any political party."
"Ich fühle mich wie ein Eingeborener," so Eisler, "der versucht, sich mit Pfeil und Bogen gegen eine Atombombe zur Wehr zu setzen." Trotz Protestaktionen bekannter Künstler wie Thomas Mann, Charlie Chaplin oder Pablo Picasso ist er in den USA nicht mehr erwünscht. Über Umwege gelangt der einst vor den Nazis geflohene Jude und Kommunist 1949 in die DDR. Hier entsteht das Lied, das zur Nationalhymne des jungen Staates werden sollte.
Spätestens mit der im Westen als "Spalterhymne" diffamierten Komposition war Eisler, dessen Arbeit auch in der DDR bald auf heftigen Widerspruch stoßen sollte, im bundesrepublikanischen Westen zur Persona non grata geworden.
Hanns Eisler - ein Musiker zwischen den Stühlen. Je nach geografischer oder ideologischer Blickrichtung hat sich dies auch in der Literatur über ihn stets bemerkbar gemacht. Die Biografie von Friederike Wissmann ist der Versuch, Eislers Leben aus seiner Musik heraus zu deuten, nicht umgekehrt.
Ihre Methode hat zur Folge, dass Phasen intensiver künstlerischer Produktion mehr Raum einnehmen als Zeiten, in denen verhältnismäßig wenig entstand. So sind etwa die hinsichtlich der Schülerschaft Eislers bei Arnold Schönberg wichtigen Jahre von 1918 bis 26 eher schwach belichtet, ähnliches gilt für die erste Zeit der Emigration von 1933 bis 36.
Die Endphase der Weimarer Republik dagegen, die Arbeiterchöre, Eislers Abkehr vom bürgerlichen Konzertbetrieb, die Arbeit mit Ernst Busch und Bert Brecht, erscheinen überaus plastisch.
Als Beispiel seien die "Zeitungsausschnitte" erwähnt. Hierbei handelt es sich um einen 1927 entstandenen Zyklus von kurzen Klavierliedern, die eben nicht, wie etwa bei Schönberg noch selbstverständlich, hehre Dichtung zur Grundlage haben. In den "Zeitungsausschnitten" findet, so die Autorin, ein Bruch mit der Tradition insofern statt, als …
"… diese eine Perspektivverschiebung markieren, nämlich von der Subjektivität und Innerlichkeit des romantischen Liedes hin zu einer kommentierenden Draufsicht, die als Antilyrik in die in die Literaturgeschichte einging."
Wissmann belegt dies durch eine genaue Analyse des Liedes "Mariechen". Es folgt die Beobachtung, dass Eisler in jener Zeit auch innerlich gefestigt erscheint, persönliche Probleme sein berufliches Tun kaum beeinflussen und er sogar politisch bei der KPD eine Heimat gefunden zu haben scheint.
Dennoch hinterlässt das flüssig und stilsicher geschriebene, von Fachjargon weitgehend freie Buch einen zwiespältigen Eindruck. Wir erfahren nicht viel über Eislers Arbeit für den kommerziellen Film - eine Arbeit, die übrigens in einen eher glücklichen Lebensabschnitt fällt.
Gelegentliche Ungenauigkeiten erzeugen Misstrauen. Das Dictum vom "Karl Marx des Kommunismus auf dem Gebiet der Musik" wird auf Eislers erste Tournee durch die USA im Jahre 1935 bezogen, obwohl dieser Satz erst zwölf Jahre später, zu Beginn der McCarthy-Ära, entstand. Auch wäre es möglich gewesen, Aussagen gründlicher zu belegen, ohne eine Überlast an Fußnoten zu produzieren.
Sehr lesenswert ist das Vorwort von Peter Hamm. Er berichtet von seiner persönlichen Eisler-Erfahrung, die er im Zusammenhang einer Filmrecherche in den 60er-Jahren machte. Etwa davon, wie man sich im kleinen Kreis Tonbandaufzeichnungen von Gesprächen mit Eisler anhörte, bei denen dieser Hölderlins Wort von der "bleiernen Zeit" zitierte. Unter den Zuhörern dieser Runde: die Filmemacherin Margarethe von Trotta, durch die dieser Begriff zur Signatur einer Epoche werden sollte.
Auch wenn es Wißmanns Buch mitunter an Konsequenz mangelt, zu dem gewählten Ansatz zu stehen, enthält es manch kluge Analyse und vermeidet eine Überschätzung des Persönlichen. Wo ihr Ansatz überzeugt, vor allem in den Kapiteln über die späten 20er, die Einsamkeit in Hollywood und die Faust-Kontoverse in der DDR, entsteht beim Leser große Neugier - Neugier darauf, dem vielfältigen und spannenden Werk dieses Komponisten neu zu begegnen.
Friederike Wissmann: Hanns Eisler - Komponist, Weltbürger, Revolutionär
Mit einem Vorwort von Peter Hamm
Edition Elke Heidenreich bei C.Bertelsmann, München 2012