Die schöne Rächerin

Es ist eine Geschichte wie aus einem Thriller: Eine Frau betritt ein Konsulat, zückt eine Pistole und erschießt den Konsul. 1971 wollte sich Monika Ertl auf diese Weise am Verantwortlichen unter anderem für den Guevara-Mord rächen. Der Werdegang der Deutschen wird noch einmal neu in einem Sachbuch erzählt.
Monika Ertl ist die älteste Tochter von Hans Ertl, der als begnadeter Kameramann mit Leni Riefenstahl zusammenarbeitete und durch seine mutigen und unkonventionellen Aufnahmen im Zweiten Weltkrieg Kameramann an vorderster Front im NS-Staat war. Nach dem Krieg war der schneidige Mitläufer Hitlers enttäuscht über den Karrierebruch. Gekränkte Eitelkeit war es, die ihn mit seiner Familie nach Bolivien auswandern ließ. Nicht zum ersten Mal überließ der lebenslustige Frauenschwarm seine Frau und drei Töchter sich selbst, während er filmischen und privaten Abenteuern nachjagte.

Für Jürgen Schreiber liegt hier der Schlüssel für die spätere Entwicklung von Monika Ertl. Sie erkrankt an Jugendepilepsie, heiratet überstürzt. Auf eine unkritische Zeit in Boliviens Oberschicht, der unter anderen auch der von ihr "Onkel" genannte SS-Schlächter von Lyon, Klaus Barbie, angehört, folgt Monikas Wechsel in den Untergrund. Erst ist es nur das Mitgefühl mit den Armen, das sie antreibt, später die Zuneigung zum Rebellenführer Inti, der ebenso wie dessen Vorbild Che Guevara, von den bolivianischen Sicherheitskräften umgebracht wird.

Intis Tod will Monika Ertl rächen, deren Kampfname in der Befreiungsorganisation ELN Imilla, Indianermädchen, lautet. Für Jürgen Schreiber ist es auch die Rache am eigenen Vater, daran, dass er seiner Vaterrolle so schlecht nachgekommen ist und dass er sich der eigenen politischen Vergangenheit nie ehrlich gestellt hat.

Die inzwischen 34-Jährige rächt sich am Verantwortlichen für die Guevara- und Inti-Morde, dem grausamen Geheimdienstchef Roberto Qintanilla Pereira, der als Generalkonsul an den scheinbar sicheren Dienstort Hamburg versetzt worden ist. Dort spürt Monika Ertl ihn auf und erschießt ihn am 1. April 1971. Unmittelbar nach der Tat verlieren sich ihre Spuren, wenngleich bald feststeht, dass sie die Täterin gewesen sein muss. Monika Ertl stirbt zwei Jahre später durch die Kugeln bolivianischer Militärs in La Paz.

Jürgen Schreiber schildert die Geschichte dieser "umwerfend schönen" Frau wortgewaltig, nicht mit feinen Pinselstrichen, sondern in kräftigen Farben. Das gibt dem penibel recherchierten Buch das Reportagehafte. Wie zum Beweis für seine umfangreichen Recherchearbeiten führt der Autor Aktenzahlen und Registriernummern von Waffen an, beschreibt eingehend Schauplätze bis hin zu den Bildern im Tatortzimmer.

Schreibers Projekt leidet nämlich trotz aller journalistisch erzeugten Spannung unter einem erheblichen Nachteil: Es ist alles bekannt, lediglich Details konnte Schreiber aus der Geschichte ans Tageslicht schürfen. So etwa, dass sie nach der Tat vermutlich nicht davongelaufen, sondern in einer Wohngemeinschaft, ausgerechnet ein Stockwerk über dem bolivianischen Konsulat, untergetaucht sein soll; und dass es Helfer aus Kuba, Italien und Deutschland gab, es also nicht die Tat einer Einzelnen war, sondern mehr Menschen davon wussten, als bisher vermutet wurde.

Schreiber versucht, sich den handelnden Personen psychologisch anzunähern, ihre Vorgangs- und Denkweisen mit deren mutmaßlichem Seelenzustand zu interpretieren, weit ins Umfeld von Monika Ertl auszugreifen und Wahrscheinlichkeiten aufgrund von Gefühlslagen zu konstruieren. Schreiber geht nicht chronologisch vor, sondern springt in den kurzen Kapiteln zwischen Zeiten und Orten hin und her, kommt aber immer wieder auf den Tag der Ermordung Quintanillas zurück. Ein interessanter Lesestoff, aufgrund der neu recherchierten Faktenlage aber wohl kein Grund, die Akten des bis heute juristisch nicht geklärten Falles wieder zu öffnen.

Jürgen Schreiber: "Sie starb wie Che Guevara – Die Geschichte der Monika Ertl",
Artemis&Winkler, Düsseldorf, 2009, 288 Seiten, 19,90 €


Rezensiert von Stefan May