Die Schule der Filmemacher
Es besteht seit 1982 und ist das Schaufenster des türkischen Kinos: das Filmfestival von Istanbul. Die Generation der jetzt 40- bis 50-jährigen Regisseure, die international Preise gewinnen, ist hier sozialisiert worden.
Eine Japanerin singt das berühmte Lied "Norwegian Wood" der Beatles, und so heißt auch der Film des Vietnamesen Tran Ahn Hung, der im Internationalen Wettbewerb der Filmfestspiele von Istanbul, die heute Abend zu Ende gingen, gleich mehrere Preise gewonnen hat.
Ihm zugrunde liegt der gleichnamige Roman des Japaners Haruki Murakami, der bei uns "Naokos Lächeln" heißt. Es ist die Geschichte eines unentschlossenen Mannes zwischen mehreren Frauen und der japanischen 68er-Generation, die mit den Beatles und der westlichen Popkultur auch den Geschmack der Freiheit, der Liebe und der Trauer kennenlernen.
Im Kino ist dieser als unverfilmbar geltende Roman von Tran Ahn Hung jetzt zu einem flanierend-fragmentarischen Filmteppich aus prächtigen Bilder und wunderschöner Musik verwoben worden. Ein Film, der in seinem Ton auch an die Werke von Sofia Coppola und Gus Van Sant erinnert.
Um Literaturverfilmungen wie diese oder Filme, die die Kunst und die Künstler ins Zentrum stellen, muss es sich bei allen Filmen handeln, die im Internationalen Wettbewerb um die "Goldene Tulpe" konkurrieren - das schreibt das Reglement vor. Dieser Brückenschlag zwischen Kino und klassischen Künsten ist das Einzigartige dieses Wettbewerbs.
In diesem Jahr gewann ihn der ägyptische Film "Microphone" vom Regisseur Ahmad Abdalla. Der Film erzählt eine Heimkehrergeschichte: Im Zentrum steht Khalid, ein junger Mann, der nach mehrjährigem USA-Aufenthalt in seine Heimatstadt Alexandria zurückkommt, dort Familie und Freunde wiedertrifft und zunächst erkennen muss, wie sehr er sich verändert hat. Es scheint sich um die allzu bekannte Geschichte des Zusammenpralls von Moderne und Tradition, von jugendlichem Elan und der Resignation der Älteren zu handeln. Doch dann entdeckt Khalid die künstlerische Subkultur von Alexandria, wo man Hip Hop und Rock-Musik ebenso kennt, wie Grafitti und Videokunst.
Ahmad Abdallas Film, gedreht im vergangenen Jahr zeigt den tosenden Underground des vermeintlich in pharaonischer Ruhe verharrenden Ägypten, eine faszinierende Momentaufnahme der ägyptischen Gesellschaft unmittelbar vor jenem Sturm, der vor wenigen Wochen das alte Regime hinwegfegte - in der sich die Unruhe und das Veränderungsverlangen der ägyptischen Jugend aber bereits ankündigt.
Aber Istanbul ist viel mehr als nur sein Wettbewerb. In diesem Jahr feierte das Festival am Bosporus bereits sein 30-jähriges Jubiläum.
"Das Festival wurde 1982 gegründet, zwei Jahre nach dem Militärputsch. Ich war damals noch ein Kind. Aber die Situation war: Es kein soziales Leben. Die Kultur lag darnieder und die starke türkische Kinotradition existierte nicht mehr. Es gab nur noch Sexfilme. Der Hunger des Publikums nach guten Filmen war enorm","
erinnert sich Festivaldirektorin Azize Tan. Seit damals hat sich viel verändert und besonders in den letzten Jahren hat sich das Festival zu einem der besten der Welt gemausert. Das hat gewiss auch etwas mit der gewachsenen Bedeutung des türkischen Films zu tun.
Im vergangenen Jahr gewann der Film "Bal" (Honig) von Semih Kaplanoglu sogar den Goldenen Bär auf der Berlinale. Aber auch viele andere türkische Regisseure sind inzwischen Stammgäste auf den internationalen Filmfestivals und gewannen dort wichtige Preise. Diese Generation der heute zwischen 40- und 50-jährigen türkischen Filmemacher kam in der Regel beim Istanbuler Festival erstmals mit dem europäischen Autorenkino in Kontakt und wurde dort sozusagen künstlerisch sozialisiert: Hier sahen sie Filme von Antonioni und Bergman, von Kubrick und Godard, die in der einheimischen Diktatur noch zensiert waren. Das Festival funktionierte als Schule der Filmemacher. Noch einmal Azize Tan:
""Das Festival hatte über viele Jahre eine enorme Rolle als einziger Ort, wo man ausländische Filme sehen konnte. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Wir können uns nicht nur auf unserer tollen Vergangenheit ausruhen."
Zum Jubiläum erschien jetzt ein Buch, in dem 30 türkische Filmemacher diese Erfahrungen Revue passieren lassen. In einem zweiten Wettbewerb werden die neuesten Produktionen aus der Türkei gezeigt, und so funktioniert das Festival für seine Gäste aus aller Welt auch als ein Schaufenster des türkischen Kinos.
So vielfältig dieses Kino ist, so leidet es doch immer noch unter manchen Begrenzungen. Stellvertretend für viele türkische Beobachter beschreibt der Istanbuler Filmkritiker Engin Ertan die Lage:
"In den letzten Jahren werden viel mehr türkische Filme gezeigt auf dem Festival, darunter auch viele Dokumentarfilme. Und diese Dokumentarfilme beschäftigen sich mit der Politik, mit Minderheiten oder Gentrifizierung - solchen Fragen, die heute in der Türkei wichtig sind."
Es gibt also durchaus eine neue Generation türkischer Filmemacher, die sich allmählich aus dem Schatten der Berühmtheiten löst und im Gegensatz zu den Älteren auch politische Tabuthemen ins Zentrum ihrer Arbeit rückt. Dazu noch einmal der Istanbuler Filmkritiker Engin Ertan.
"In der Türkei wird in den letzten Jahren öffentlich über viel Politisches geredet, was früher nicht möglich war. Und natürlich sind die Filmemacher davon sehr beeinflusst. Sie wollen Filme über diese Probleme, über die Vergangenheit, aber auch über heute machen: über Folter, über das kurdische Problem, über diese Konflikte machen. Ich glaube diese jüngere Generation wird zu einem eigenen Stil und einem eigenen Ton kommen. Und ich finde das schon positiv."
Die Türkei, das beweisen die allermeisten der in Istanbul gezeigten Filme, fügt sich nicht den oft zu einfachen Maßstäben, mit denen man sie hierzulande begreifen will. So wie das Land sind auch die Filme vielfältig und eigenwillig. Weltkino, das auch deutschen Zuschauern viel zu sagen hat.
Ihm zugrunde liegt der gleichnamige Roman des Japaners Haruki Murakami, der bei uns "Naokos Lächeln" heißt. Es ist die Geschichte eines unentschlossenen Mannes zwischen mehreren Frauen und der japanischen 68er-Generation, die mit den Beatles und der westlichen Popkultur auch den Geschmack der Freiheit, der Liebe und der Trauer kennenlernen.
Im Kino ist dieser als unverfilmbar geltende Roman von Tran Ahn Hung jetzt zu einem flanierend-fragmentarischen Filmteppich aus prächtigen Bilder und wunderschöner Musik verwoben worden. Ein Film, der in seinem Ton auch an die Werke von Sofia Coppola und Gus Van Sant erinnert.
Um Literaturverfilmungen wie diese oder Filme, die die Kunst und die Künstler ins Zentrum stellen, muss es sich bei allen Filmen handeln, die im Internationalen Wettbewerb um die "Goldene Tulpe" konkurrieren - das schreibt das Reglement vor. Dieser Brückenschlag zwischen Kino und klassischen Künsten ist das Einzigartige dieses Wettbewerbs.
In diesem Jahr gewann ihn der ägyptische Film "Microphone" vom Regisseur Ahmad Abdalla. Der Film erzählt eine Heimkehrergeschichte: Im Zentrum steht Khalid, ein junger Mann, der nach mehrjährigem USA-Aufenthalt in seine Heimatstadt Alexandria zurückkommt, dort Familie und Freunde wiedertrifft und zunächst erkennen muss, wie sehr er sich verändert hat. Es scheint sich um die allzu bekannte Geschichte des Zusammenpralls von Moderne und Tradition, von jugendlichem Elan und der Resignation der Älteren zu handeln. Doch dann entdeckt Khalid die künstlerische Subkultur von Alexandria, wo man Hip Hop und Rock-Musik ebenso kennt, wie Grafitti und Videokunst.
Ahmad Abdallas Film, gedreht im vergangenen Jahr zeigt den tosenden Underground des vermeintlich in pharaonischer Ruhe verharrenden Ägypten, eine faszinierende Momentaufnahme der ägyptischen Gesellschaft unmittelbar vor jenem Sturm, der vor wenigen Wochen das alte Regime hinwegfegte - in der sich die Unruhe und das Veränderungsverlangen der ägyptischen Jugend aber bereits ankündigt.
Aber Istanbul ist viel mehr als nur sein Wettbewerb. In diesem Jahr feierte das Festival am Bosporus bereits sein 30-jähriges Jubiläum.
"Das Festival wurde 1982 gegründet, zwei Jahre nach dem Militärputsch. Ich war damals noch ein Kind. Aber die Situation war: Es kein soziales Leben. Die Kultur lag darnieder und die starke türkische Kinotradition existierte nicht mehr. Es gab nur noch Sexfilme. Der Hunger des Publikums nach guten Filmen war enorm","
erinnert sich Festivaldirektorin Azize Tan. Seit damals hat sich viel verändert und besonders in den letzten Jahren hat sich das Festival zu einem der besten der Welt gemausert. Das hat gewiss auch etwas mit der gewachsenen Bedeutung des türkischen Films zu tun.
Im vergangenen Jahr gewann der Film "Bal" (Honig) von Semih Kaplanoglu sogar den Goldenen Bär auf der Berlinale. Aber auch viele andere türkische Regisseure sind inzwischen Stammgäste auf den internationalen Filmfestivals und gewannen dort wichtige Preise. Diese Generation der heute zwischen 40- und 50-jährigen türkischen Filmemacher kam in der Regel beim Istanbuler Festival erstmals mit dem europäischen Autorenkino in Kontakt und wurde dort sozusagen künstlerisch sozialisiert: Hier sahen sie Filme von Antonioni und Bergman, von Kubrick und Godard, die in der einheimischen Diktatur noch zensiert waren. Das Festival funktionierte als Schule der Filmemacher. Noch einmal Azize Tan:
""Das Festival hatte über viele Jahre eine enorme Rolle als einziger Ort, wo man ausländische Filme sehen konnte. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Wir können uns nicht nur auf unserer tollen Vergangenheit ausruhen."
Zum Jubiläum erschien jetzt ein Buch, in dem 30 türkische Filmemacher diese Erfahrungen Revue passieren lassen. In einem zweiten Wettbewerb werden die neuesten Produktionen aus der Türkei gezeigt, und so funktioniert das Festival für seine Gäste aus aller Welt auch als ein Schaufenster des türkischen Kinos.
So vielfältig dieses Kino ist, so leidet es doch immer noch unter manchen Begrenzungen. Stellvertretend für viele türkische Beobachter beschreibt der Istanbuler Filmkritiker Engin Ertan die Lage:
"In den letzten Jahren werden viel mehr türkische Filme gezeigt auf dem Festival, darunter auch viele Dokumentarfilme. Und diese Dokumentarfilme beschäftigen sich mit der Politik, mit Minderheiten oder Gentrifizierung - solchen Fragen, die heute in der Türkei wichtig sind."
Es gibt also durchaus eine neue Generation türkischer Filmemacher, die sich allmählich aus dem Schatten der Berühmtheiten löst und im Gegensatz zu den Älteren auch politische Tabuthemen ins Zentrum ihrer Arbeit rückt. Dazu noch einmal der Istanbuler Filmkritiker Engin Ertan.
"In der Türkei wird in den letzten Jahren öffentlich über viel Politisches geredet, was früher nicht möglich war. Und natürlich sind die Filmemacher davon sehr beeinflusst. Sie wollen Filme über diese Probleme, über die Vergangenheit, aber auch über heute machen: über Folter, über das kurdische Problem, über diese Konflikte machen. Ich glaube diese jüngere Generation wird zu einem eigenen Stil und einem eigenen Ton kommen. Und ich finde das schon positiv."
Die Türkei, das beweisen die allermeisten der in Istanbul gezeigten Filme, fügt sich nicht den oft zu einfachen Maßstäben, mit denen man sie hierzulande begreifen will. So wie das Land sind auch die Filme vielfältig und eigenwillig. Weltkino, das auch deutschen Zuschauern viel zu sagen hat.