Die sehr laute Nachtigall und andere Mitbewohner
Das riesige Regenwurmangebot sei dafür verantwortlich, dass die Amseln aus den Wäldern in die Stadt gezogen seien, erläutert der Biologe Bernhard Kegel: Weil es hier sehr große Rasenflächen gibt, wo sie genüsslich herumstochern können.
Katrin Heise: Mittlerweile kann es einem ja mitten in Berlin passieren, am hellichten Tag, dass man einem Fuchs auf der Straße begegnet oder dem Rudel Wildschweine im Vorgarten. Schon länger gibt es das Phänomen der Landflucht der Wildtiere. In Berlin gibt es mittlerweile über 50 frei lebende Säugetier- und 250 Brutvogelarten. Die Großstädte sind für einstmals bedrohte Arten wie beispielsweise Falken oder Kraniche geradezu zu Rettungsinseln geworden und die Vögel passen sich an an die neue Umgebung, und zwar auf ganz erstaunliche Art und Weise.
Lassen Sie sich also nicht irritieren, wenn es neben Ihnen piepst oder eben fiept, das kann ein Vogel sein, nicht unbedingt Ihr Handy! Wer Vögel beobachten will, und dazu ruft der NABU in dieser Woche wieder vermehrt auf, der muss gar nicht also die Stadt verlassen, sondern kann ganz einfach auf den Balkon treten oder vor die Haustür. Und so hat es wahrscheinlich auch Bernhard Kegel gemacht, der ist Biologe und hat als solcher sich mit Stadtökologie beschäftigt, außerdem ist er Schriftsteller vor allem. Er schreibt neben Romanen auch Sachbücher und zuletzt ist sein Buch "Tiere in der Stadt" erschienen. Bernhard Kegel, ich grüße Sie, schönen guten Tag!
Bernhard Kegel: Guten Morgen!
Heise: Sie sind mit dem Fahrrad hierher gekommen, also auch durch den Volkspark, der hier vor unserer Haustür liegt. Welchen Vögeln sind Sie denn auf dem Weg hierher begegnet?
Kegel: Ich würde sagen, Kohlmeisen und Spatzen.
Heise: Also denjenigen, denen man doch zuhauf begegnen kann. Wie haben die gezwitschert, irgendwie wie ein Handy oder wie eine Kohlmeise und wie ein Spatz?
Kegel: Nein, das war, wie es sich gehört, wie es ihrer Art entspricht!
Heise: Weil wir das aber gerade hier im Bericht gehört haben, das Handy-Zwitschern am Ende: Warum imitieren Vögel die Stadtgeräusche?
Kegel: Also, sie imitieren überhaupt Geräusche. Das sind ja auch nicht alle Arten, die das tun, sondern nur bestimmte Arten. Bei Staren ist das besonders bekannt und sie haben das auch schon außerhalb der Städte getan. Da imitieren sie eben andere Vogelarten oder irgendwelche Umweltgeräusche, die sie da hören, Froschquaken. Und in der Stadt ist natürlich ein anderes Geräuschangebot, also greifen sie auf diese Geräusche zurück. Das ist übrigens ganz allgemein eine Eigenschaft, dass viele der erstaunlichen Dinge, die man bei Vögeln in Städten beobachten kann, haben die Vögel schon außerhalb der Städte beherrscht, das ist nicht etwas, was sie erst in den Städten gelernt haben.
Lassen Sie sich also nicht irritieren, wenn es neben Ihnen piepst oder eben fiept, das kann ein Vogel sein, nicht unbedingt Ihr Handy! Wer Vögel beobachten will, und dazu ruft der NABU in dieser Woche wieder vermehrt auf, der muss gar nicht also die Stadt verlassen, sondern kann ganz einfach auf den Balkon treten oder vor die Haustür. Und so hat es wahrscheinlich auch Bernhard Kegel gemacht, der ist Biologe und hat als solcher sich mit Stadtökologie beschäftigt, außerdem ist er Schriftsteller vor allem. Er schreibt neben Romanen auch Sachbücher und zuletzt ist sein Buch "Tiere in der Stadt" erschienen. Bernhard Kegel, ich grüße Sie, schönen guten Tag!
Bernhard Kegel: Guten Morgen!
Heise: Sie sind mit dem Fahrrad hierher gekommen, also auch durch den Volkspark, der hier vor unserer Haustür liegt. Welchen Vögeln sind Sie denn auf dem Weg hierher begegnet?
Kegel: Ich würde sagen, Kohlmeisen und Spatzen.
Heise: Also denjenigen, denen man doch zuhauf begegnen kann. Wie haben die gezwitschert, irgendwie wie ein Handy oder wie eine Kohlmeise und wie ein Spatz?
Kegel: Nein, das war, wie es sich gehört, wie es ihrer Art entspricht!
Heise: Weil wir das aber gerade hier im Bericht gehört haben, das Handy-Zwitschern am Ende: Warum imitieren Vögel die Stadtgeräusche?
Kegel: Also, sie imitieren überhaupt Geräusche. Das sind ja auch nicht alle Arten, die das tun, sondern nur bestimmte Arten. Bei Staren ist das besonders bekannt und sie haben das auch schon außerhalb der Städte getan. Da imitieren sie eben andere Vogelarten oder irgendwelche Umweltgeräusche, die sie da hören, Froschquaken. Und in der Stadt ist natürlich ein anderes Geräuschangebot, also greifen sie auf diese Geräusche zurück. Das ist übrigens ganz allgemein eine Eigenschaft, dass viele der erstaunlichen Dinge, die man bei Vögeln in Städten beobachten kann, haben die Vögel schon außerhalb der Städte beherrscht, das ist nicht etwas, was sie erst in den Städten gelernt haben.
Heise: Wozu dient das, dieses Imitieren? Ist das zum Spaß oder hat das einen bestimmten Sinn?
Kegel: Also, es ist einfach eine besondere Eigenschaft dieser Vogelarten. Also, dem jetzt einen Sinn zuzuschreiben, finde ich sehr schwierig.
Heise: Wenn wir das Stadtleben uns mal anhören, da haben Sie eben den Geräuschpegel schon erwähnt, kann man ja auch als Lärm bezeichnen. Wie beeinflusst das eigentlich das Zwitschern, also, der Gesang, verändert der sich bei allen Vögeln? Einige sind ja auch erwähnt worden.
Kegel: Also, man muss zuerst einmal sagen, dass dieser Lärm Stress bedeutet, auch für die Vögel. Man kann das ganz eindeutig nachweisen, dass also besonders verlärmte Bereiche von Vögeln gemieden werden, sie ziehen da weniger Jungtiere auf. Also, das ist auch für die Vögel unangenehm. Aber natürlich, da sie nun in besonderer Weise auf akustische Kommunikation angewiesen sind, müssen sie sich diesem Lärmpegel irgendwie anpassen. Und sie haben verschiedene Methoden dafür entwickelt. Der auffälligste vielleicht ist der, den etwa die Nachtigallen, von denen ja im Beitrag eben schon die Rede war, bestritten sind, die eben viel lauter singen als sozusagen in freier Natur, in Anführungsstrichen. Das sind Geräusche, die sind wirklich erheblich. Das sind Untersuchungen, die in Berlin gemacht wurden. Da hat man also bei der lautesten Nachtigall einen Lärmpegel ermittelt von 91 Dezibel, das würde man messen, wenn man in zehn Meter Abstand an einer Hauptverkehrsstraße stehen würde.
Heise: Das ist tatsächlich erheblich, um eben drüber zu kommen über diesen Lärmpegel!
Kegel: Genau!
Heise: Sie sagen, sie sind ja auf die akustische Kommunikation angewiesen. Wenn die nicht so klappt oder so anstrengend wird, macht das die Vögel auch aggressiver?
Kegel: Primär besorgt, könnte es dazu führen, dass die Vögel eben nicht in der Stadt leben können. Eine zweite Methode ist die, das klang auch im Beitrag schon an, dass man höher singt als in freier Natur, dass man sozusagen den Störfrequenz der Stadt ausweicht, indem man den Gesangfrequenzmittel etwas nach oben verschiebt. Und man hat festgestellt, dass gerade größere Vogelarten eben eher in tieferen Frequenzen singen, die also – oder rufen, müsste man dann vielleicht sagen –, die gerade in der Stadt gestört werden. Und deswegen können größere Vögelarten möglicherweise in der Stadt nicht existieren oder haben dort besondere Probleme. Es sind eher die kleineren Vögel, die in die Städte kommen.
Heise: Trotzdem sprechen wir von der Vogelvielfalt in unseren Städten, die Stadtnatur erläutert uns hier im "Radiofeuilleton" Bernhard Kegel. Bei all diesen Nachteilen, die Sie jetzt genannt haben, warum aber kommen die Vögel in unsere Städte, und zwar wirklich vermehrt? Sprechen wir mal von denen, die kommen!
Kegel: Das ist ganz einfach. Wo es was zu holen gibt, da finden sich auch die entsprechenden Abnehmer. Und das Nahrungsangebot ist in der Stadt eben verglichen mit dem Land enorm. Im Beitrag hieß es eben, dass die Vögel deshalb kommen, weil sozusagen ihr natürlicher Lebensraum außerhalb der Städte eingeschränkt würde oder zerstört würde gerade, das hört man oft. Das ist aber sicherlich nur die halbe Wahrheit. Viel naheliegender ist es, auf das enorme Nahrungsangebot in den Städten zu gucken. Es gibt also zum Beispiel, das ist gerade für die Amsel enorm wichtig, diese riesigen gewässerten, gedüngten Rasenflächen, die es wirklich außerhalb der Städte nirgendwo gibt.
Heise: Und damit viele Regenwürmer.
Kegel: Mit ungeheuer vielen Regenwürmer, Regenwürmer sind der zweithäufigste Organismus in der Stadt nach den Menschen. Und dieses Regenwurmangebot, das lockt halt natürlich die entsprechenden Tiere an, auch Füchse zum Beispiel fressen in manchen Städten in hohem Maße Regenwürmer. Und die Amsel stochert also mit Vorliebe in diesen grünen Rasenflächen rum.
Heise: Die Temperaturen spielen eine Rolle, in der Stadt ist es einfach wärmer. Zum Teil gehen die Tiere gar nicht mehr in den Winterurlaub, sage ich mal, also ziehen nicht mehr weg.
Kegel: Genau, und die Vegetationsperiode verlängert sich, dadurch die Möglichkeit, mehrere Bruten pro Jahr zu haben. Die Stadtvögelarten, etwa die Amsel, aber auch andere, können zwei, drei Bruten in der Stadt erreichen und auf dem Land nur eine.
Heise: Wie geht aber so ein Umzug vonstatten? Sie haben die Amsel jetzt erwähnt, da ist ja nicht ... Ja, ich meine, dass jetzt so eine ganze Art sich quasi auch – nicht verlagert, die gibt's ja draußen auf dem Land genauso noch –, aber wie setzen die sich hier fest in der Stadt?
Kegel: Das finde ich eigentlich eins der spannendsten Themen, weil es ja etwas ist, was dauernd passiert und auch über die letzten Jahrhunderte immer wieder passiert ist: Die Amsel war im 19. Jahrhundert noch ein scheuer Waldvogel, und wie ist sie nun zum Stadtvogel geworden! Zuerst haben die Tiere in Parks, städtischen Parkanlagen überwintert und dann haben offenbar einzelne Tiere Brutversuche unternommen. Die haben sicherlich nicht sofort funktioniert, die ersten sind gescheitert, aber irgendwann klappte es dann und dann erhöhte sich sozusagen die Zahl dieser Tiere. Was ich besonders spannend finde, und das findet man auch bei vielen anderen Tierarten: Es ist jetzt nicht so, dass die Amseln in einer Stadt zu Stadtvögeln geworden sind und dann diese Stadtvögel nun ausgeschwärmt sind und andere Städte ...
Heise: Und andere Städte bevölkert haben dann, ja.
Kegel: Genau. Sondern die jeweiligen Amselpopulationen von Städten stammen – das kann man durch genetische Untersuchungen eindeutig zeigen – aus der jeweiligen Umgebung. Das heißt, dieser Prozess findet überall unabhängig voneinander statt.
Heise: Und dann verlieren sie aber auch zum Teil angeborene Instinkte, jedenfalls wirkt das auf mich so, wenn eben – Sie sagten, scheuer Waldvogel – der jetzt plötzlich auf einer Verkehrsinsel brütet!
Kegel: Das wirkt auf Menschen oft geradezu befremdlich, dass sie sozusagen ... Man hat in der Wissenschaft das unschöne Wort Wohlstandsverwahrlosung für solche Phänomene, was ich also ganz unangebracht finde. Wir gucken da mit einem menschlichen Blick drauf und sehen sozusagen nicht die Vorteile für die Vögel. Die Vorteile für die Vögel sind einfach Brutplätze und Nahrung, und alles andere können sie offenbar halbwegs erfolgreich ausblenden.
Heise: Wenn die so vielfältig in den Städten vertreten sind, heißt das eigentlich, dass die Lebensqualität in der Stadt einfach super ist?
Kegel: Genau gemessen in den Parametern, die ich eben genannt habe, ja, unübertroffen!
Heise: Wenn man insgesamt aber davon spricht, dass die Artenvielfalt abnimmt, hier nimmt sie zu – passt das zusammen?
Kegel: Da ist auch ein bisschen Etikettenschwindel mit im Spiel, muss man sagen. Also, Stadt ist ja nicht gleich Stadt. Der Riesenartenreichtum der Städte kommt dadurch zustande, dass Städte ein Lebensraummosaik sind. Wir haben also auf kleinsten Raum unterschiedlichste Lebensräume, das wird jeder Stadtbewohner wissen. Und die Artenzahl nimmt von außen nach innen, zur Richtung Innenstadt, stark ab. Also, in der Innenstadt – das ist ja das, was der normale Mensch eigentlich unter Stadt versteht – leben nur sehr wenige Vogelarten und brüten noch weniger. Das sind also die ehemaligen Felsenbewohner wie Tauben und Spatzen und Mauersegler, das sind eigentlich die Einzigen, die man in versiegelten Innenstädten noch findet, oder der Turmfalke, von dem eben die Rede war. Die meisten Vogelarten leben in dem Grünen, in den Gartenstädten, also relativ weit draußen oder eben in großen Parks. Städte, die große innerstädtische Parks haben, locken damit natürlich auch viele Tiere weit in die Zentren.
Heise: Vögel in der Stadt, in der Großstadt. Ich bedanke mich bei dem Biologen und Schriftsteller Bernhard Kegel! Herr Kegel, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag ...
Kegel: Danke schön, Ihnen auch!
Heise: Lauschen Sie draußen und beobachten Sie weiter die Vögel! Heute Nachmittag in unserer großen Vogelschau, da gucken wir uns die andere Seite der Medaille an, nämlich wie die Energiewende gerade dem Wiesenvogel zusetzt und, ja, ihn vielleicht irgendwann auch in die Stadt verdrängt!
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Links zum Thema:
Da fliegen sie wieder!
Vom 6.-12. Mai: Die große Vogelschau im Deutschlandradio Kultur