Die SPD muss "klarere Position" beziehen
Der Historiker Hans Mommsen wirft den Sozialdemokraten fehlenden Mut in der Auseinandersetzung mit der Linkspartei vor.
Katrin Heise: Wandel durch Annäherung, so war das Motto von Willy Brandts Ostpolitik. Wandel durch Annäherung, das wünscht sich zurzeit so mancher Wähler links der Mitte, Annäherung zwischen der SPD und der Linkspartei. Kräfte bündeln gegen CDU und FDP. Aber ist das tatsächlich denkbar, so eine Zusammenarbeit? Oder steht da die Geschichte bis zurück zu 1917, als sich die USPD von der SPD trennte und zur KPD wurde, steht also diese Geschichte einer Zusammenarbeit oder gar Wiedervereinigung entgegen? In der "Süddeutschen Zeitung" äußerte sich Heribert Prantl kürzlich in diese Richtung. Ich spreche nun mit Hans Mommsen, Historiker, Mitbegründer des Instituts zur Geschichte der Arbeiterbewegung, nicht zu vergessen auch SPD-Mitglied. Herr Mommsen, ich grüße Sie!
Hans Mommsen: Danke, hallo!
Heise: Die sozialdemokratische Spitze, die hat eine bundespolitische Zusammenarbeit mit der Linkspartei für die nächste Legislaturperiode ausgeschlossen. Ihnen ist das alles, wenn ich das richtig gelesen habe, viel zu hysterisch, Sie sind eigentlich für eine Zusammenarbeit. Warum?
Mommsen: Ich bin nicht unbedingt für die Zusammenarbeit. Ich halte es für verhängnisvoll, immer darüber zu reden und sich die Möglichkeiten einer Koalitionsbildung dann zu versperren. Ich glaube auch, dass es zurzeit kaum möglich ist, sich mit der Linkspartei auf Bundesebene zu einigen. Das Hauptproblem ist, dass die Linkspartei sich noch nicht hinsichtlich der notwendigen Optionen einer deutschen Außenpolitik gemausert hat und immer noch Ladenhüter einer reinen Prinzipienpolitik hinter sich her schleift.
Heise: Also da würde ich mal nennen zum Beispiel die Position der Linkspartei zum EU-Vertrag oder eben aus der NATO aussteigen, Truppen aus Afghanistan, das alles außenpolitische Ziele der Linkspartei, die Sie eben auch nicht als Kleinigkeit bezeichnen würden, sondern sagen würden, das geht nicht zusammen?
Mommsen: Na ja, das Grundproblem ist natürlich, dass aus lauter Taktik man dann plötzlich eine nationalistische Position einnimmt und die europäische Linie, die für die Bundesrepublik grundlegend war und ist, dann plötzlich abstreitet. Das ist einfach unglaubwürdig. Und ich glaube auch, dass die Linkspartei als Gesamtpartei erstens sich wohl noch mausern wird und zweitens vielleicht in verschiedene Richtungen zerfällt, wobei wir ja eine bisschen andere Optik haben sollten. Die Linkspartei ist ja auch einer der Nachfolger der alten SED, und gucken wir in die übrigen ost- und ostmitteleuropäischen Länder, dann ist ja dann doch die alte kommunistische Partei in irgendeiner Form erhalten geblieben. Und das wirkt hier weiter. Ich glaube, das ist viel wichtiger, diese Erfahrung, als der innenpolitische Streit der Linken und der Rechten in der frühen Weimarer Republik und noch am Anfang der 30er-Jahre.
Heise: Ja, lassen Sie uns da mal drauf zurückkommen, lassen Sie uns mal tiefer in die Emotionen und die Geschichte eintauchen. Die SPD und ihr Umgang eben mit linken Strömungen – 1917 spaltete sich die USPD von der SPD ab, wird zur KPD –, da hatte die Linke also dann keine Kraft mehr, sich gegen den heranziehenden Hitler, seine NSDAP zu wehren. Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" sieht darin ein Trauma, das die SPD bis heute mit sich rumschleppt. Hat er recht Ihrer Meinung nach?
Mommsen: Das Trauma, letzten Endes die Demokratie in Weimar nicht hinreichend verteidigt zu haben, spielt sicher eine Rolle, aber ich glaube, dass die Hauptfaktoren für die Schwächung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik sowohl in der Gesamtentwicklung angelegt waren wie in der innenpolitischen Situation der Weimarer Republik, die ja doch durch die Gründung, durch das Festhalten an den alten Eliten wenig beweglich war. Und hier hat sicherlich die Ebert’sche Sozialdemokratie eine Reihe von großen Fehlern gemacht, indem sie sich doch frühzeitig mit den alten Eliten und nicht zuletzt den Militärs verbündete. Da liegt natürlich ein Stück Trauma, aber ich glaube, dass das nicht der entscheidende Punkt ist. Entscheidend ist, dass Teile der Wählerschaft eben doch in der Nachfolge der SED-Diktatur und des Kommunismus dann eben doch eine Gesinnungspolitik zu machen versuchen, die theoretisch weit links von der SPD und allem dem, was möglich ist, steht, in der Praxis in einem Nationalismusumfeld oder zum Beispiel wie bei Lafontaine zu Argumenten führt, dass man das Sozialstaatliche und unser Sicherheitssystem weiter ausbauen muss, wofür aber die finanziellen Mittel völlig fehlen.
Heise: Herr Mommsen, Christoph Matschies thüringische SPD ist 1989 als SDP noch gegen die herrschende SED gegründet worden. Sie haben vorhin die Parteien in Osteuropa erwähnt, aber kann so jemand wie Matschie tatsächlich als Juniorpartner mit der Linkspartei zusammenarbeiten, einer in Teilen Nachfolgepartei der SED?
Mommsen: Na ja, ich meine, an sich ist in der Politik einiges möglich, und diese Selbstfestlegung in diesem Falle ist ziemlich schädlich, jedenfalls kann man nicht das parlamentarische System unterstützen und gleichzeitig der Mehrheitspartei, der Linkspartei in diesem Fall, den Posten des Ministerpräsidenten in einer rot-roten Koalition verweigern. Das halte ich für nicht machbar. Insofern ist diese Position eher rückwärts gewandt und wird uns wahrscheinlich bescheren eine so langweilige große Koalition, dass die Wähler sich freuen, wenn es mal wieder Wahlen haben wird.
Heise: Schauen wir mal auf die Linken innerhalb der SPD, auf zum Beispiel Andrea Nahles, die ja auch in der Führungsriege ist. Die Politologin Christine Landfried, die sagte dazu im Deutschlandradio Kultur:
Christine Landfried: Es gibt schon ein Lager, was eher dazu tendiert zu sagen, wir müssten mit der Linkspartei zusammengehen, es gibt aber auch eine ganz relevante Gruppe, die das nicht möchte. Und meines Erachtens ist es nicht nur eine Generationenfrage. Also auch wenn die jetzt beteiligten Personen einmal aus der aktiven Politik zurückgetreten sein werden, wird dieses Problem, dass die SPD eben doch gespalten ist, zwischen einem eher linken Lager und einem eher reformorientierten, sozialdemokratischen Lager, dieses wird bestehen bleiben.
Heise: Herr Mommsen, was meinen Sie dazu?
Mommsen: Ja, das ist völlig richtig, diese, Spaltung würde ich das nicht nennen, aber ist die Flügelbildung immer schon da gewesen und wird auch bleiben. Ich glaube, dass Frau Landfried insoweit vollkommen recht hat. Nur was ich eben als Problem sehe, dass die SPD-Führung nicht in der Lage war, sich gegenüber der Linkspartei zu behaupten. Man hat keine Wahlkämpfe gegen sie gemacht, ist immer eingeknickt, wenn die Auseinandersetzung mit der Linkspartei geführt werden musste. Und das Spektakel, was sie in dieser Hinsicht mit Frankfurt und Ypsilanti gehabt haben, zeigt nur, dass die SPD selbst nicht weiß, was sie eigentlich mit der Linkspartei anfangen soll und keinen Mut hat, diese Linkspartei zu bekämpfen, obwohl ihre Politik in vielen Punkten nicht akzeptabel ist.
Heise: Wie kommt denn das aber, dass da der Mut fehlt, der Mut in einer alten Sozialdemokratie, die ja ansonsten sehr stolz auf sich ist.
Mommsen: Ja, das mag sehr eigentümlich mit dieser Weimarer und der NS-Erfahrung zusammenhängen und damit, dass man dann eben doch den letzten Schritt einer Partei der Mitte zu gehen, nicht ganz bereit ist.
Heise: Andererseits kann die SPD doch eigentlich seit 1989 von sich behaupten, sie habe damals, eben 1917, eigentlich recht damit gehabt, den Kommunismus in seiner radikalen Form abzulehnen. Also auch da kann man ja sagen, die Geschichte hat uns doch bestätigt.
Mommsen: Ja schön, das ist ja richtig, aber es ist ihr damals nicht gelungen, Teile der Opposition in der Industriearbeiterschaft zu überwinden und die zurückzugewinnen. Und hier liegen dann natürlich noch politische Fehlleistungen der Weimarer Zeit, die heute zwar nicht mehr voll im Bewusstsein liegen, aber es wäre nicht nötig gewesen, dass sich nun diese Spaltung zwischen politischer Linker und der Rolle dann der Komintern und des demokratischen Sozialismus hätte vollziehen müssen. Hier liegen zweifellos Fehler der alten Weimarer SPD vor.
Heise: Das heißt, was wünschen Sie sich von einer SPD, die jetzt sich als Partei der Mitte geriert, auf der anderen Seite aber eben auch linke Flügel hat?
Mommsen: Also jedenfalls müsste sie eine klarere Position gegen die Vertreter der Linkspartei einnehmen. Ich habe nie verstanden, dass man mit dem Mittel des Parteiausschlusses nicht frühzeitig gearbeitet hat und dass man etwa im Falle Lafontaines eine doch immer noch matte Position statt einer sehr klaren Zurückweisung eingenommen hat. Da wird die SPD wohl auch etwas tun müssen, dass sich innerhalb der Linkspartei die sehr unterschiedlichen Kräfte stärker trennen und vielleicht – Sie haben das ja auch angedeutet –, dass mit der Veränderung der Generationen vielleicht dann auch das Verhältnis zwischen Rot-Rot eine neue Färbung annehmen kann. Man hat eigentlich vernachlässigt, die mittlere Führungsschicht stärker an die Parteiziele zu binden und zu integrieren, sodass eigentlich Nachwuchs in dieser Partei in noch stärkerem Maße fehlt als bei den übrigen rückläufigen Volksparteien in der Bundesrepublik.
Heise: Sagt der Historiker Hans Mommsen. Herr Mommsen, ich danke Ihnen recht herzlich für das Gespräch!
Hans Mommsen: Danke, hallo!
Heise: Die sozialdemokratische Spitze, die hat eine bundespolitische Zusammenarbeit mit der Linkspartei für die nächste Legislaturperiode ausgeschlossen. Ihnen ist das alles, wenn ich das richtig gelesen habe, viel zu hysterisch, Sie sind eigentlich für eine Zusammenarbeit. Warum?
Mommsen: Ich bin nicht unbedingt für die Zusammenarbeit. Ich halte es für verhängnisvoll, immer darüber zu reden und sich die Möglichkeiten einer Koalitionsbildung dann zu versperren. Ich glaube auch, dass es zurzeit kaum möglich ist, sich mit der Linkspartei auf Bundesebene zu einigen. Das Hauptproblem ist, dass die Linkspartei sich noch nicht hinsichtlich der notwendigen Optionen einer deutschen Außenpolitik gemausert hat und immer noch Ladenhüter einer reinen Prinzipienpolitik hinter sich her schleift.
Heise: Also da würde ich mal nennen zum Beispiel die Position der Linkspartei zum EU-Vertrag oder eben aus der NATO aussteigen, Truppen aus Afghanistan, das alles außenpolitische Ziele der Linkspartei, die Sie eben auch nicht als Kleinigkeit bezeichnen würden, sondern sagen würden, das geht nicht zusammen?
Mommsen: Na ja, das Grundproblem ist natürlich, dass aus lauter Taktik man dann plötzlich eine nationalistische Position einnimmt und die europäische Linie, die für die Bundesrepublik grundlegend war und ist, dann plötzlich abstreitet. Das ist einfach unglaubwürdig. Und ich glaube auch, dass die Linkspartei als Gesamtpartei erstens sich wohl noch mausern wird und zweitens vielleicht in verschiedene Richtungen zerfällt, wobei wir ja eine bisschen andere Optik haben sollten. Die Linkspartei ist ja auch einer der Nachfolger der alten SED, und gucken wir in die übrigen ost- und ostmitteleuropäischen Länder, dann ist ja dann doch die alte kommunistische Partei in irgendeiner Form erhalten geblieben. Und das wirkt hier weiter. Ich glaube, das ist viel wichtiger, diese Erfahrung, als der innenpolitische Streit der Linken und der Rechten in der frühen Weimarer Republik und noch am Anfang der 30er-Jahre.
Heise: Ja, lassen Sie uns da mal drauf zurückkommen, lassen Sie uns mal tiefer in die Emotionen und die Geschichte eintauchen. Die SPD und ihr Umgang eben mit linken Strömungen – 1917 spaltete sich die USPD von der SPD ab, wird zur KPD –, da hatte die Linke also dann keine Kraft mehr, sich gegen den heranziehenden Hitler, seine NSDAP zu wehren. Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" sieht darin ein Trauma, das die SPD bis heute mit sich rumschleppt. Hat er recht Ihrer Meinung nach?
Mommsen: Das Trauma, letzten Endes die Demokratie in Weimar nicht hinreichend verteidigt zu haben, spielt sicher eine Rolle, aber ich glaube, dass die Hauptfaktoren für die Schwächung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik sowohl in der Gesamtentwicklung angelegt waren wie in der innenpolitischen Situation der Weimarer Republik, die ja doch durch die Gründung, durch das Festhalten an den alten Eliten wenig beweglich war. Und hier hat sicherlich die Ebert’sche Sozialdemokratie eine Reihe von großen Fehlern gemacht, indem sie sich doch frühzeitig mit den alten Eliten und nicht zuletzt den Militärs verbündete. Da liegt natürlich ein Stück Trauma, aber ich glaube, dass das nicht der entscheidende Punkt ist. Entscheidend ist, dass Teile der Wählerschaft eben doch in der Nachfolge der SED-Diktatur und des Kommunismus dann eben doch eine Gesinnungspolitik zu machen versuchen, die theoretisch weit links von der SPD und allem dem, was möglich ist, steht, in der Praxis in einem Nationalismusumfeld oder zum Beispiel wie bei Lafontaine zu Argumenten führt, dass man das Sozialstaatliche und unser Sicherheitssystem weiter ausbauen muss, wofür aber die finanziellen Mittel völlig fehlen.
Heise: Herr Mommsen, Christoph Matschies thüringische SPD ist 1989 als SDP noch gegen die herrschende SED gegründet worden. Sie haben vorhin die Parteien in Osteuropa erwähnt, aber kann so jemand wie Matschie tatsächlich als Juniorpartner mit der Linkspartei zusammenarbeiten, einer in Teilen Nachfolgepartei der SED?
Mommsen: Na ja, ich meine, an sich ist in der Politik einiges möglich, und diese Selbstfestlegung in diesem Falle ist ziemlich schädlich, jedenfalls kann man nicht das parlamentarische System unterstützen und gleichzeitig der Mehrheitspartei, der Linkspartei in diesem Fall, den Posten des Ministerpräsidenten in einer rot-roten Koalition verweigern. Das halte ich für nicht machbar. Insofern ist diese Position eher rückwärts gewandt und wird uns wahrscheinlich bescheren eine so langweilige große Koalition, dass die Wähler sich freuen, wenn es mal wieder Wahlen haben wird.
Heise: Schauen wir mal auf die Linken innerhalb der SPD, auf zum Beispiel Andrea Nahles, die ja auch in der Führungsriege ist. Die Politologin Christine Landfried, die sagte dazu im Deutschlandradio Kultur:
Christine Landfried: Es gibt schon ein Lager, was eher dazu tendiert zu sagen, wir müssten mit der Linkspartei zusammengehen, es gibt aber auch eine ganz relevante Gruppe, die das nicht möchte. Und meines Erachtens ist es nicht nur eine Generationenfrage. Also auch wenn die jetzt beteiligten Personen einmal aus der aktiven Politik zurückgetreten sein werden, wird dieses Problem, dass die SPD eben doch gespalten ist, zwischen einem eher linken Lager und einem eher reformorientierten, sozialdemokratischen Lager, dieses wird bestehen bleiben.
Heise: Herr Mommsen, was meinen Sie dazu?
Mommsen: Ja, das ist völlig richtig, diese, Spaltung würde ich das nicht nennen, aber ist die Flügelbildung immer schon da gewesen und wird auch bleiben. Ich glaube, dass Frau Landfried insoweit vollkommen recht hat. Nur was ich eben als Problem sehe, dass die SPD-Führung nicht in der Lage war, sich gegenüber der Linkspartei zu behaupten. Man hat keine Wahlkämpfe gegen sie gemacht, ist immer eingeknickt, wenn die Auseinandersetzung mit der Linkspartei geführt werden musste. Und das Spektakel, was sie in dieser Hinsicht mit Frankfurt und Ypsilanti gehabt haben, zeigt nur, dass die SPD selbst nicht weiß, was sie eigentlich mit der Linkspartei anfangen soll und keinen Mut hat, diese Linkspartei zu bekämpfen, obwohl ihre Politik in vielen Punkten nicht akzeptabel ist.
Heise: Wie kommt denn das aber, dass da der Mut fehlt, der Mut in einer alten Sozialdemokratie, die ja ansonsten sehr stolz auf sich ist.
Mommsen: Ja, das mag sehr eigentümlich mit dieser Weimarer und der NS-Erfahrung zusammenhängen und damit, dass man dann eben doch den letzten Schritt einer Partei der Mitte zu gehen, nicht ganz bereit ist.
Heise: Andererseits kann die SPD doch eigentlich seit 1989 von sich behaupten, sie habe damals, eben 1917, eigentlich recht damit gehabt, den Kommunismus in seiner radikalen Form abzulehnen. Also auch da kann man ja sagen, die Geschichte hat uns doch bestätigt.
Mommsen: Ja schön, das ist ja richtig, aber es ist ihr damals nicht gelungen, Teile der Opposition in der Industriearbeiterschaft zu überwinden und die zurückzugewinnen. Und hier liegen dann natürlich noch politische Fehlleistungen der Weimarer Zeit, die heute zwar nicht mehr voll im Bewusstsein liegen, aber es wäre nicht nötig gewesen, dass sich nun diese Spaltung zwischen politischer Linker und der Rolle dann der Komintern und des demokratischen Sozialismus hätte vollziehen müssen. Hier liegen zweifellos Fehler der alten Weimarer SPD vor.
Heise: Das heißt, was wünschen Sie sich von einer SPD, die jetzt sich als Partei der Mitte geriert, auf der anderen Seite aber eben auch linke Flügel hat?
Mommsen: Also jedenfalls müsste sie eine klarere Position gegen die Vertreter der Linkspartei einnehmen. Ich habe nie verstanden, dass man mit dem Mittel des Parteiausschlusses nicht frühzeitig gearbeitet hat und dass man etwa im Falle Lafontaines eine doch immer noch matte Position statt einer sehr klaren Zurückweisung eingenommen hat. Da wird die SPD wohl auch etwas tun müssen, dass sich innerhalb der Linkspartei die sehr unterschiedlichen Kräfte stärker trennen und vielleicht – Sie haben das ja auch angedeutet –, dass mit der Veränderung der Generationen vielleicht dann auch das Verhältnis zwischen Rot-Rot eine neue Färbung annehmen kann. Man hat eigentlich vernachlässigt, die mittlere Führungsschicht stärker an die Parteiziele zu binden und zu integrieren, sodass eigentlich Nachwuchs in dieser Partei in noch stärkerem Maße fehlt als bei den übrigen rückläufigen Volksparteien in der Bundesrepublik.
Heise: Sagt der Historiker Hans Mommsen. Herr Mommsen, ich danke Ihnen recht herzlich für das Gespräch!