Die SPD und Afghanistan

Von Sabine Adler, Hauptstadtstudio |
Die SPD will die Zahl der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan nicht erhöhen, lässt ihr Vorsitzender Siegmar Gabriel wissen. Will sich die SPD aus Afghanistan davonstehlen? Ergebnis einer breiten parteiinternen Diskussion ist Gabriels Haltung nicht. Lenkt er vielleicht nur ab von der Verantwortung, die SPD-Fraktionschef Frank Walter Steinmeier in der Kundus-Affäre zumindest mit trägt?
Denn anders als die SPD glauben machen möchte, geht es darin nur am Rande um den Streit zwischen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg von der CSU und den Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Schneiderhan.

Es geht um jene Nacht vom 3. auf den 4. September und darum, ob der Bundeswehroberst Klein wusste, dass Zivilsten an den gekaperten Tanklastzügen kostenlos Benzin ergattern wollten, im Beisein von örtlichen anwesenden Taliban-Führern. Darum, dass er trotz der Anwesenheit der Zivilisten die Bomben anforderte. Ob er Feindberührung vorgegeben hat, um die F-15-Jagdbomber zu bekommen, wo es keine gab, um die Taliban-Führer zu vernichten. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe überprüft derzeit, inwieweit das laut Einsatzregeln erlaubt gewesen wäre.

Wenn Oberst Klein seinen Auftrag darin sah, Taliban-Führer auszuschalten, würde das bedeuten, dass die Bundeswehr inzwischen Ziele in Afghanistan verfolgt, nämlich die gezielte Vernichtung von Aufständischen, die der breiten deutschen Öffentlichkeit nicht bewusst sind, die sie im Zweifel auch nicht gutheißt.

Zwar wurden im Juli dieses Jahres die Einsatzregeln für die Soldaten in Afghanistan verändert. Wer feindliche Handlungen plant, vorbereitet oder durchführt, darf demnach bekämpft werden. Doch zum Zeitpunkt der Änderung war Wahlkampf in Deutschland und niemand in der Großen Koalition verspürte einen sonderlich großen Drang, diese neuen Regeln breit zu diskutieren. Die CDU nicht, aber auch nicht die SPD und ihr damaliger Kanzlerkandidat, Ex-Außenminister Frank Walter Steinmeier. Für den wird es jetzt immer enger.

Steinmeier hatte nicht nur über den von ihm eingesetzten Sonderbotschafter für Afghanistan und Pakistan eigenen Zugang zu Informationen, sondern auch über den Vertreter des Auswärtigen Amtes im Wiederaufbauteam in Kundus. Der hatte am Nachmittag nach dem Bombenangriff auf die Tanklaster auf einer Besprechung erfahren, dass es verletzte und tote Zivilisten gegeben hat. Wenig später sprach auch Steinmeier ganz kurz und vage, vor allem aber sehr leise davon. Wohl aus Sorge darüber, dass derjenige die Bundestagswahl verliert, der am meisten mit dem ungeliebten Thema Afghanistan in Verbindung gebracht wird.

CDU/CSU und SPD, Kanzlerin Merkel und Ex-Verteidigungsminister Jung wie auch Steinmeier hätten das Thema wohl am liebsten bis heute tot geschwiegen, anstatt endlich die Diskussion darüber zu führen, was Bundeswehrsoldaten in Afghanistan können und dürfen sollen. So beginnt sie jetzt, eingeleitet mit Lügen und Vertuschungen und soll Anfang nächsten Jahres zur Afghanistan-Konferenz in London doch schon ein Ergebnis vorweisen.