Die Sprache der Bilder
Aby Warburg hat als Kunstwissenschaftler Geschichte geschrieben. Er begründete die Ikonographie - die wissenschaftliche Erklärung von Bildern. Der Band "Aby Warburg - Bilderreihen und Ausstellungen" illustriert seine Forschungsarbeit.
Am 4. September 1928 besuchte Aby Warburg, heute eine Ikone der Kunstwissenschaft, Albert Einstein in seinem Sommerhaus in Scharbeutz. In einem vierstündigen Vortrag setzte der Kulturwissenschaftler Warburg dem Nobelpreisträger für Physik die Bedeutung astrologischer Bilder auseinander. Die Bilderreihe, die er für diesen Vortrag zusammenstellte, ist leider nicht erhalten geblieben. Den Herausgebern des Bandes "Bilderreihen und Ausstellungen" ist es allerdings gelungen, über ein Dutzend andere Bilderreihen und Ausstellungskonzepte von Warburg zu rekonstruieren. Sie legen damit im Rahmen der "Gesammelten Schriften" Warburgs die Ergebnisse einer mehrjährigen Forschungsarbeit vor, die neue Einblicke in die faszinierenden Denk- und Bilderwelten des Begründers der Ikonographie erlauben.
Verschiedene Bilderreihen, zu Themen wie "Orientalisierende Astrologie" (1926), "Die Funktion des Briefmarkenbildes im Geistesverkehr der Welt" (1927) oder "Manet und die italienische Antike" (1929), sollen dem betrachtenden Zuhörer Themen vor 'Augen führen' und ihm 'auf einen Blick' Zusammenhänge verdeutlichen. Erstmals bietet der sorgfältig edierte und sehr informative Band das vollständige Bildmaterial dieser Bilderreihen, insgesamt über 400 Abbildungen. Für die einzelnen, wissenschaftlich fundierten Einleitungen stützen sich die Herausgeber auf Materialien aus Warburgs Nachlass, ausführlich werden sie zitiert und kommentiert.
Aby Warburg, seit 1921 in einem Sanatorium in Kreuzlingen in psychiatrischer Behandlung, publizierte nach seiner 1924 erfolgten Entlassung nur wenige, nicht sehr umfangreiche Aufsätze. Dennoch war er in seinen letzten fünf Lebensjahren – er starb 1929 – äußerst produktiv. Insbesondere konzipierte er verschiedene Bilderreihen sowie Ausstellungen, die als Vorstufen für den unvollendet gebliebenen "Mnemosyne-Atlas" angesehen werden können.
Für die Zusammenstellung seiner Bilderreihen griff Warburg auf fotografische Abbildungen aus der Bildenden Kunst, aber auch auf Pressefotos, Briefmarken und Werbeplakate zurück, die er zusammenstellte, um Motivketten und Motivbrüche zeigen zu können. Dabei korrespondierten die Bilderreihen mit Vorträgen. Wort und Bild standen, so Herausgeber Fleckner, in einem "emblematischen Verhältnis zueinander". Warburg wollte nicht nur mit Worten argumentativ überzeugen, sondern die Bildreihen sollten ihre eigene "Sprache" sprechen. Im günstigsten Fall sollte das Zusammenspiel beim Betrachter einen Erkenntnisfunken auslösen. Warburg hat dazu an technischen Mitteln alles aufgeboten, was es zu seiner Zeit gab.
Innerhalb der Bilderreihen kann die fünfte der insgesamt sieben Bildtafeln für den Vortrag "Die Funktion der nachlebenden Antike bei der Ausprägung energetischer Symbolik" (1927) als typisch angesehen werden. Warburg hielt den Vortrag zum 60. Geburtstag seines Bruders Max und zog bei dieser Gelegenheit ein Resümee der eigenen Arbeit. Er zitierte seinen gesamten, bislang erschaffenen Bilderkosmos. Sein besonderes Interesse galt dem Nachhall der Antike in der Moderne. Dies war das zentrale Thema von Aby Warburgs Forschungstätigkeit. Das visuelle Phänomen der 'Pathosformel' - auf das er in dem 1905 erschienenen Aufsatz "Dürer und die Antike" zu sprechen kam – stand dabei im Mittelpunkt.
Der Gratulant bedankte sich beim Jubilar, indem er vor dessen Geburtstagsgästen sein eigenes kulturwissenschaftliches Lebensprojekt erläuterte – denn ermöglicht wurde es durch die großzügige finanzielle Unterstützung des Bruders, des Bankiers Max Warburg.
Besprochen von Michael Opitz
"Aby Warburg - Bilderreihen und Ausstellungen",
Hrsgg. v. Uwe Fleckner und Isabella Woldt,
Akademie Verlag, Berlin 2012,
471 Seiten, 434 schwarz-weiß Abbildungen, 248,- Euro
Links bei dradio.de:
Politische Wirkungsmacht von Bildern
Fleckner, Warnke, Ziegler (Hrsg.): "Handbuch der politischen Ikonographie"
Kurz und kritisch:
Sigrid Weigel, Martin Treml und Perdita Ladwig (Hrsg.): "Aby Warburg. Werke"
Bildersuche auf gespenstischen Wegen
Georges Didi-Huberman: "Das Nachleben der Bilder. Kunstgeschichte und Phantomzeit nach Aby Warburg"
Verschiedene Bilderreihen, zu Themen wie "Orientalisierende Astrologie" (1926), "Die Funktion des Briefmarkenbildes im Geistesverkehr der Welt" (1927) oder "Manet und die italienische Antike" (1929), sollen dem betrachtenden Zuhörer Themen vor 'Augen führen' und ihm 'auf einen Blick' Zusammenhänge verdeutlichen. Erstmals bietet der sorgfältig edierte und sehr informative Band das vollständige Bildmaterial dieser Bilderreihen, insgesamt über 400 Abbildungen. Für die einzelnen, wissenschaftlich fundierten Einleitungen stützen sich die Herausgeber auf Materialien aus Warburgs Nachlass, ausführlich werden sie zitiert und kommentiert.
Aby Warburg, seit 1921 in einem Sanatorium in Kreuzlingen in psychiatrischer Behandlung, publizierte nach seiner 1924 erfolgten Entlassung nur wenige, nicht sehr umfangreiche Aufsätze. Dennoch war er in seinen letzten fünf Lebensjahren – er starb 1929 – äußerst produktiv. Insbesondere konzipierte er verschiedene Bilderreihen sowie Ausstellungen, die als Vorstufen für den unvollendet gebliebenen "Mnemosyne-Atlas" angesehen werden können.
Für die Zusammenstellung seiner Bilderreihen griff Warburg auf fotografische Abbildungen aus der Bildenden Kunst, aber auch auf Pressefotos, Briefmarken und Werbeplakate zurück, die er zusammenstellte, um Motivketten und Motivbrüche zeigen zu können. Dabei korrespondierten die Bilderreihen mit Vorträgen. Wort und Bild standen, so Herausgeber Fleckner, in einem "emblematischen Verhältnis zueinander". Warburg wollte nicht nur mit Worten argumentativ überzeugen, sondern die Bildreihen sollten ihre eigene "Sprache" sprechen. Im günstigsten Fall sollte das Zusammenspiel beim Betrachter einen Erkenntnisfunken auslösen. Warburg hat dazu an technischen Mitteln alles aufgeboten, was es zu seiner Zeit gab.
Innerhalb der Bilderreihen kann die fünfte der insgesamt sieben Bildtafeln für den Vortrag "Die Funktion der nachlebenden Antike bei der Ausprägung energetischer Symbolik" (1927) als typisch angesehen werden. Warburg hielt den Vortrag zum 60. Geburtstag seines Bruders Max und zog bei dieser Gelegenheit ein Resümee der eigenen Arbeit. Er zitierte seinen gesamten, bislang erschaffenen Bilderkosmos. Sein besonderes Interesse galt dem Nachhall der Antike in der Moderne. Dies war das zentrale Thema von Aby Warburgs Forschungstätigkeit. Das visuelle Phänomen der 'Pathosformel' - auf das er in dem 1905 erschienenen Aufsatz "Dürer und die Antike" zu sprechen kam – stand dabei im Mittelpunkt.
Der Gratulant bedankte sich beim Jubilar, indem er vor dessen Geburtstagsgästen sein eigenes kulturwissenschaftliches Lebensprojekt erläuterte – denn ermöglicht wurde es durch die großzügige finanzielle Unterstützung des Bruders, des Bankiers Max Warburg.
Besprochen von Michael Opitz
"Aby Warburg - Bilderreihen und Ausstellungen",
Hrsgg. v. Uwe Fleckner und Isabella Woldt,
Akademie Verlag, Berlin 2012,
471 Seiten, 434 schwarz-weiß Abbildungen, 248,- Euro
Links bei dradio.de:
Politische Wirkungsmacht von Bildern
Fleckner, Warnke, Ziegler (Hrsg.): "Handbuch der politischen Ikonographie"
Kurz und kritisch:
Sigrid Weigel, Martin Treml und Perdita Ladwig (Hrsg.): "Aby Warburg. Werke"
Bildersuche auf gespenstischen Wegen
Georges Didi-Huberman: "Das Nachleben der Bilder. Kunstgeschichte und Phantomzeit nach Aby Warburg"