Die starke Frau der CDU
Mit fast 98 Prozent wurde Parteivorsitzende Angela Merkel beim CDU-Bundesparteitag erneut im Amt bestätigt. Harmonisch, einig und geschlossen präsentierten sich die Delegierten in Hannover. Ob mit dieser Merkel-Euphorie aber auch zukünftig Wahlen gewonnen werden können, bewertet Lorenz Maroldt vom "Tagesspiegel" kritisch.
Die Union - nur ein Kanzlerwahlverein? Das hängt an der Partei aus der Zeit der starken Männer. Aber gemessen daran, wie damals, auch unter Helmut Kohl, noch gekämpft und gerungen wurde um Positionen und Posten, auf dass die Fetzen flogen - gemessen daran ist die CDU heute tatsächlich eine reine Akklamationspartei. Nicht einmal bei der Besetzung des Präsidiums hatten die Delegierten die Wahl: Es gab exakt so viele Kandidaten wie Plätze. So viel vermeintlicher Frieden - das gab`s wirklich noch nie. Und nur Zyniker werden Frau Merkel Recht geben, wenn sie sagt, das liege eben daran, dass diese Bundesregierung die beste sei, die Deutschland seit der Wiedervereinigung hatte. Dennoch ergab sich die Partei mit Wonne dem Wahn, es sei alles gut, was sie tut. Selbst CSU-Chef Horst Seehofer nahm als Gast das Wort vom Kanzlerwahlverein auf und drehte es einfach mal um: lieber das, als ein Kandidatenwahlverein, rief er den Delegierten zu und grüßte zugleich höhnisch die SPD. Sogar von "unserer" Vorsitzenden Merkel sprach Seehofer, als seien die ansonsten streitbaren Unionsparteien friedlich unter Merkels Führung vereint.
Einerseits ist das alles verständlich. Nie wirkte Merkel souveräner, nie war die CDU ihrem Anspruch näher, tatsächlich Volkspartei zu sein. Wenn es einen gesellschaftlichen Mainstream gibt, dann erscheint er hier repräsentiert: Zurückhaltend beim Einsatz des Militärs, kühl kalkulierend in der Eurokrise, mit einer Energiepolitik ohne Atomkraft, wirtschaftsfreundlich, auf sozialen Ausgleich bedacht, tolerant gegenüber verschiedenen Lebensweisen, anpassungsbereit. Und wenn es tatsächlich doch einmal knirscht, auf Ausgleich bedacht: Mehr Kitas, aber auch Betreuungsgeld, eine Frauenquote, aber flexibel, mehr Rechte für gleichgeschlechtliche Paare, aber keine Steuergleichheit. Die Opposition müht sich gequält, hieraus ein paar Funken zu schlagen. Doch das Betreuungsgeld sehen auch viele Grüne und Sozialdemokraten gar nicht mehr so ideologisch; eine starre Quote für Frauen gilt längst nicht mehr als der Königinnenweg; und dass vierzig Prozent der CDU-Delegierten für die vollständige Gleichstellung homosexueller Paare stimmten, sollte auch die empörtesten Kritiker der knappen Entscheidung dagegen etwas nachdenklich stimmen. Die CDU ist viel weniger konservativ, als ihre Gegner sie gerne hätten, und viel moderner, als ihnen recht ist.
Doch was wird es ihr nützen, der CDU, über den Tag, über die Euphorie des Parteitags hinaus? Nüchtern betrachtet, hat die Partei allen Grund zu ernsthafter Sorge. Sie verliert eine Stadt nach der nächsten an Sozialdemokraten und Grüne. Und sie verliert womöglich auch ihren Koalitionspartner, die FDP. Bereits im Januar, bei der Wahl in Niedersachsen, könnte es soweit sein. Die Umfragen sehen die CDU zwar vorne. Die FDP aber draußen. Rot-Grün hätte zur Zeit eine Mehrheit. Und das wäre erst der Anfang: In zwei weiteren Ländern wird noch gewählt, und dann, natürlich, im Bund. Wer aufmerksam zugehört hat beim Parteitag, wird festgestellt haben, wie groß die Unsicherheit unter der strahlenden Oberfläche ist. Nicht an der SPD, nein, an den Grünen haben sich die wichtigsten Redner abgearbeitet. Die SPD fand nur Erwähnung am Rande. Und die Liberalen? Für die blieben pflichtschuldig erbrachte Freundschaftsgesten – und auch etwas Hähme. So sagte die Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union, Gott habe die FDP nur erschaffen, - Zitat – "um uns zu prüfen".
Ja, auch Witz kann sie haben, diese Angela Merkel, bei aller Härte, auch gegen sich selbst. Was täte ihre Partei nur ohne sie? Auf diese Frage hat die CDU keine Antwort. Nur eine Ahnung: Sie könnte zerfallen in schwach vertretene Partikularinteressen. Der klare Kompass, von dem Merkel sagt, dass er sie leite, der würde wohl durchdrehen ohne sie. Die CDU, das ist Merkel, sonst nichts. Das kann, ja das darf einer Partei nicht gefallen.
Mehr Informationen zu dem Thema finden Sie unter dradio.de:
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Einerseits ist das alles verständlich. Nie wirkte Merkel souveräner, nie war die CDU ihrem Anspruch näher, tatsächlich Volkspartei zu sein. Wenn es einen gesellschaftlichen Mainstream gibt, dann erscheint er hier repräsentiert: Zurückhaltend beim Einsatz des Militärs, kühl kalkulierend in der Eurokrise, mit einer Energiepolitik ohne Atomkraft, wirtschaftsfreundlich, auf sozialen Ausgleich bedacht, tolerant gegenüber verschiedenen Lebensweisen, anpassungsbereit. Und wenn es tatsächlich doch einmal knirscht, auf Ausgleich bedacht: Mehr Kitas, aber auch Betreuungsgeld, eine Frauenquote, aber flexibel, mehr Rechte für gleichgeschlechtliche Paare, aber keine Steuergleichheit. Die Opposition müht sich gequält, hieraus ein paar Funken zu schlagen. Doch das Betreuungsgeld sehen auch viele Grüne und Sozialdemokraten gar nicht mehr so ideologisch; eine starre Quote für Frauen gilt längst nicht mehr als der Königinnenweg; und dass vierzig Prozent der CDU-Delegierten für die vollständige Gleichstellung homosexueller Paare stimmten, sollte auch die empörtesten Kritiker der knappen Entscheidung dagegen etwas nachdenklich stimmen. Die CDU ist viel weniger konservativ, als ihre Gegner sie gerne hätten, und viel moderner, als ihnen recht ist.
Doch was wird es ihr nützen, der CDU, über den Tag, über die Euphorie des Parteitags hinaus? Nüchtern betrachtet, hat die Partei allen Grund zu ernsthafter Sorge. Sie verliert eine Stadt nach der nächsten an Sozialdemokraten und Grüne. Und sie verliert womöglich auch ihren Koalitionspartner, die FDP. Bereits im Januar, bei der Wahl in Niedersachsen, könnte es soweit sein. Die Umfragen sehen die CDU zwar vorne. Die FDP aber draußen. Rot-Grün hätte zur Zeit eine Mehrheit. Und das wäre erst der Anfang: In zwei weiteren Ländern wird noch gewählt, und dann, natürlich, im Bund. Wer aufmerksam zugehört hat beim Parteitag, wird festgestellt haben, wie groß die Unsicherheit unter der strahlenden Oberfläche ist. Nicht an der SPD, nein, an den Grünen haben sich die wichtigsten Redner abgearbeitet. Die SPD fand nur Erwähnung am Rande. Und die Liberalen? Für die blieben pflichtschuldig erbrachte Freundschaftsgesten – und auch etwas Hähme. So sagte die Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union, Gott habe die FDP nur erschaffen, - Zitat – "um uns zu prüfen".
Ja, auch Witz kann sie haben, diese Angela Merkel, bei aller Härte, auch gegen sich selbst. Was täte ihre Partei nur ohne sie? Auf diese Frage hat die CDU keine Antwort. Nur eine Ahnung: Sie könnte zerfallen in schwach vertretene Partikularinteressen. Der klare Kompass, von dem Merkel sagt, dass er sie leite, der würde wohl durchdrehen ohne sie. Die CDU, das ist Merkel, sonst nichts. Das kann, ja das darf einer Partei nicht gefallen.
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