Die Stimmen der Natur
Bernie Krause sammelt seit 40 Jahren Naturgeräusche. Vor allem interessieren ihn die Klänge in unberührten Lebensräumen, etwa im Amazonas oder auf Borneo. Sie seien ein wichtiges akustisches kulturelles Erbe, sagt er und mahnt: Der Lärm des Menschen wirke sich direkt auf das Leben der Tiere aus.
So könnte es vor etwa 16.000 Jahren auf der Welt geklungen haben, nach dem Ende der letzten Eiszeit. Dicht bevölkert mit unzähligen Kreaturen, erreichte die Anzahl der Arten und der Geschöpfe einen in der Geschichte der Erde wohl einmaligen Höhepunkt.
Nur fünf bis zehn Millionen Menschen verteilten sich damals auf der Welt, sie waren akustisch noch ohne großen Einfluss. Die Fülle der Klänge um sie herum dagegen war die große klangliche Inspiration, sagt der Bioakustiker Bernie Krause:
"”Die Tiere brachten uns das Tanzen und das Singen bei. Menschen sind von Natur aus Imitatoren, wir lernen durch Nachahmung. Als wir in den Lebensräumen, in denen wir einst mit den Tieren zusammen lebten, ihre Stimmen hörten, da haben wir ihre Rhythmen, ihre Klänge, ihre Melodien imitiert und daraus unsere menschliche Musikalität geformt. Auch unsere Sprache entwickelte sich aus dieser Nachahmung.""
Als es noch keine Musik auf der Welt gab, aber schon Menschen, blieb ihnen nichts, als der Natur und den Tieren zu lauschen, etwa dem Orpheuszaunkönig oder dem Urutau-Tagschläfer.
Bernie Krause ist nicht der erste, der in den Geräuschen der Natur Vorbilder für menschliche Musik erkennt. Dass er das Thema aber vertiefte, ist sicher kein Zufall. 1938 geboren, lernte er schon früh klassische Komposition und das Spiel auf diversen Instrumenten. In den 60ern war er als Studiomusiker beim berühmten Detroiter Motown-Label aktiv, er arbeitete aber auch mit Bands wie den Byrds und den Doors zusammen, wirkte an Soundtracks zu Filmen wie Apocalypse Now und Rosemarys Baby mit und führte den Synthesizer in die moderne Musik mit ein. Als er schließlich für eine Platte moderne Klänge mit Naturgeräuschen verbinden wollte, ging er nach draußen, um diese aufzunehmen.
Krause: "”Ich war nie so richtig glücklich, bis ich mit dieser Arbeit begann. Die Verbindung mit der Tierwelt hat den großen Unterschied ausgemacht.""
Nur fünf bis zehn Millionen Menschen verteilten sich damals auf der Welt, sie waren akustisch noch ohne großen Einfluss. Die Fülle der Klänge um sie herum dagegen war die große klangliche Inspiration, sagt der Bioakustiker Bernie Krause:
"”Die Tiere brachten uns das Tanzen und das Singen bei. Menschen sind von Natur aus Imitatoren, wir lernen durch Nachahmung. Als wir in den Lebensräumen, in denen wir einst mit den Tieren zusammen lebten, ihre Stimmen hörten, da haben wir ihre Rhythmen, ihre Klänge, ihre Melodien imitiert und daraus unsere menschliche Musikalität geformt. Auch unsere Sprache entwickelte sich aus dieser Nachahmung.""
Als es noch keine Musik auf der Welt gab, aber schon Menschen, blieb ihnen nichts, als der Natur und den Tieren zu lauschen, etwa dem Orpheuszaunkönig oder dem Urutau-Tagschläfer.
Bernie Krause ist nicht der erste, der in den Geräuschen der Natur Vorbilder für menschliche Musik erkennt. Dass er das Thema aber vertiefte, ist sicher kein Zufall. 1938 geboren, lernte er schon früh klassische Komposition und das Spiel auf diversen Instrumenten. In den 60ern war er als Studiomusiker beim berühmten Detroiter Motown-Label aktiv, er arbeitete aber auch mit Bands wie den Byrds und den Doors zusammen, wirkte an Soundtracks zu Filmen wie Apocalypse Now und Rosemarys Baby mit und führte den Synthesizer in die moderne Musik mit ein. Als er schließlich für eine Platte moderne Klänge mit Naturgeräuschen verbinden wollte, ging er nach draußen, um diese aufzunehmen.
Krause: "”Ich war nie so richtig glücklich, bis ich mit dieser Arbeit begann. Die Verbindung mit der Tierwelt hat den großen Unterschied ausgemacht.""
Krause prägte neue Begriffe für die hörbare Umwelt
Er ließ das Musik-Business hinter sich, ging auf die Uni und promovierte mit einer Arbeit über Bio-Akustik, dem Forschungsfeld der Tierstimmenforschung. Während es hier traditionell um einzelne Tierstimmen geht, macht Bernie Krause hauptsächlich Tonaufnahmen von der gesamten hörbaren Umwelt eines Lebensraums. Die Klanglandschaften unterteilt er dabei in drei Gruppen: Zum einen in die Biophonie, wie er die Lautäußerungen von Tieren nennt.
Deren Klang wird ergänzt und beeinflusst von der Geophonie, Geräuschen nichtbiologischen Ursprungs, also von Wind, Wetter und der räumlichen Struktur der Umgebung. Hinzu kommt heutzutage fast überall der menschliche Einfluss, die Anthropophonie. Dieses von Krause erdachte Vokabular wurde von der Wissenschaft übernommen, etwa von der Soundscape Ecology, die sich mit dem Gesamtklang eines Ökosystems beschäftigt, um dessen Zustand beurteilen zu können.
Am Wichtigsten sind Bernie Krause die wenigen verbliebenen Lebensräume, in denen komplexe Biophonien ohne menschlichen Einfluss zu hören sind. Klanglandschaften, in denen sich seit zehntausenden von Jahren nur wenig verändert hat. Sie finden sich noch in entlegenen Gebieten des Amazonas, in Papua-Neuguinea, Borneo und in Afrika, zum Beispiel in einem Naturschutzgebiet in der Zentralafrikanischen Republik.
Krause: "Der Wald hat sich über die Zeit nicht verändert, er hat immer noch die Dichte und Vielfalt an Lebewesen und dieselbe räumliche Struktur. Daher ist auch die Biophonie immer noch intakt."
Bernie Krause war an diesen Orten, um Aufnahmen zu machen. In den Spektrogrammen dazu - also der optischen Darstellung des Verlaufs der Lautäußerungen - hat er eine klar umrissene akustische Anatomie erkannt und daraus seine "Nischen-Hypothese" entwickelt. Jede Stimme hat demnach ihren Platz, die eigene akustische Nische, in der sie jeweils von Artgenossen wahrgenommen werden kann – für Partnerfindung und Revierverteidigung, für Gruppenschutz, Spiel und sozialen Kontakt. Die Stimmen der Tierarten verhielten sich dabei wie die Instrumente in einem Orchester, sind getrennt voneinander wahrzunehmen, überlagern sich aber auch. Eine komplexe Biophonie ließe sich wie Musik erleben, schreibt Bernie Krause in seinem Buch "Das große Orchester der Tiere".
"Jede einzelne Stimme schien mit ihrer akustischen Bandbreite ihren Platz zu haben – so sorgfältig ausgewählt, dass ich mich an Mozarts bis zur Vollendung durchgestaltete Sinfonie Nr. 41 in C-Dur erinnert fühlte. Woody Allen meinte einmal, dieses Werk sei der Beweis
für die Existenz Gottes. Als ich an jenem Abend einer Klanglandschaft lauschte, wie ich sie
bislang noch nicht erlebt hatte, war ich einer solchen Offenbarung sehr nahe."
Deren Klang wird ergänzt und beeinflusst von der Geophonie, Geräuschen nichtbiologischen Ursprungs, also von Wind, Wetter und der räumlichen Struktur der Umgebung. Hinzu kommt heutzutage fast überall der menschliche Einfluss, die Anthropophonie. Dieses von Krause erdachte Vokabular wurde von der Wissenschaft übernommen, etwa von der Soundscape Ecology, die sich mit dem Gesamtklang eines Ökosystems beschäftigt, um dessen Zustand beurteilen zu können.
Am Wichtigsten sind Bernie Krause die wenigen verbliebenen Lebensräume, in denen komplexe Biophonien ohne menschlichen Einfluss zu hören sind. Klanglandschaften, in denen sich seit zehntausenden von Jahren nur wenig verändert hat. Sie finden sich noch in entlegenen Gebieten des Amazonas, in Papua-Neuguinea, Borneo und in Afrika, zum Beispiel in einem Naturschutzgebiet in der Zentralafrikanischen Republik.
Krause: "Der Wald hat sich über die Zeit nicht verändert, er hat immer noch die Dichte und Vielfalt an Lebewesen und dieselbe räumliche Struktur. Daher ist auch die Biophonie immer noch intakt."
Bernie Krause war an diesen Orten, um Aufnahmen zu machen. In den Spektrogrammen dazu - also der optischen Darstellung des Verlaufs der Lautäußerungen - hat er eine klar umrissene akustische Anatomie erkannt und daraus seine "Nischen-Hypothese" entwickelt. Jede Stimme hat demnach ihren Platz, die eigene akustische Nische, in der sie jeweils von Artgenossen wahrgenommen werden kann – für Partnerfindung und Revierverteidigung, für Gruppenschutz, Spiel und sozialen Kontakt. Die Stimmen der Tierarten verhielten sich dabei wie die Instrumente in einem Orchester, sind getrennt voneinander wahrzunehmen, überlagern sich aber auch. Eine komplexe Biophonie ließe sich wie Musik erleben, schreibt Bernie Krause in seinem Buch "Das große Orchester der Tiere".
"Jede einzelne Stimme schien mit ihrer akustischen Bandbreite ihren Platz zu haben – so sorgfältig ausgewählt, dass ich mich an Mozarts bis zur Vollendung durchgestaltete Sinfonie Nr. 41 in C-Dur erinnert fühlte. Woody Allen meinte einmal, dieses Werk sei der Beweis
für die Existenz Gottes. Als ich an jenem Abend einer Klanglandschaft lauschte, wie ich sie
bislang noch nicht erlebt hatte, war ich einer solchen Offenbarung sehr nahe."
Singen im Chor hält Raubtiere fern
Bernie Krause ist Wissenschaftler, aber er ist auch Künstler, er entdeckt Strukturen, erforscht sie, er vermittelt aber ganz einfach auch Hörerlebnisse und macht so bewusst, dass neben der ursprünglichen Natur an sich auch deren Klanglandschaft erhaltenswert ist.
"”Wenn wir Lärm in einen Lebensraum eintragen, hat es eine direkte Auswirkung auf das Verhalten und das Leben der Kreaturen im jeweiligen Habitat. Manchmal ermöglicht erst unser Lärm, das Raubtiere zuschlagen, wo es sonst nicht möglich gewesen wäre. An anderen Orten verursacht der Lärm großen Stress bei den Tieren.""
Der gemeinsame Gesang der Schaufelfußkröten zum Beispiel hat eine Schutzfunktion: Akustisch orientierte Raubtiere tun sich sehr schwer, ein Opfer anzugreifen, weil die Tiere als Einzelne für sie nicht auszumachen sind. Wenn aber die pulsierende, rhythmische Struktur verloren geht, beispielsweise durch den Überflug eines Flugzeugs, werden einzelne Kröten identifizierbar. Das Singen im Chor dient also auch dazu, Raubtiere fernzuhalten. Der menschliche Einfluss auf Biophonien ist anhand von Tonaufnahmen messbar.
Krause: "”Ich mache seit vielen Jahren Aufnahmen in Lincoln Meadow, einer idyllischen Gegend mit alten Mammutbäumen und einer einst intakten Klanglandschaft in den Bergen der Sierra Nevada. Eine Holzfirma bekam dort die Genehmigung, Bäume zu fällen. Der Gemeinde wurde versprochen, dass es durch die neue Methode des selektiven Holzeinschlags keine negativen Folgen für das Habitat gäbe, nur hie und da würden ein paar Bäume gefällt. Ich machte vorher und nachher Aufnahmen, und der Unterschied war erstaunlich. Man sieht es auch im Vergleich der beiden Spektrogramme: In dem vor den Fällungen sind in der unteren Hälfte der fließende Bach zu sehen und im oberen Frequenzbereich die Stimmen der verschiedenen Vögel.
Nach der Abholzung ist der Bach genauso zu sehen, aber die Vögel fehlen in der oberen Hälfte. Man sieht die direkten Folgen des Holzeinschlags. Für das Auge sieht der Ort tatsächlich aus wie vorher, unsere Ohren aber erzählen eine andere Geschichte.""
Die Aufnahmen fanden Ende der 80er-Jahre statt. Seitdem ist Bernie Krause immer mal wieder dorthin, um Aufnahmen zu machen, doch die bioakustische Vitalität, wie er sie vor der
Abholzung eingefangen hatte, hat sich nicht wieder eingestellt.
Auch unter Wasser herrscht lautes Treiben. So klingt ein gesundes Korallenriff, und hier ein paar Hundert Meter weiter das sterbende. Im heutigen, deutlich visuell orientierten Dasein sind akustische Informationen manchmal nur eine selbstverständlich hingenommene Begleiterscheinung, dabei liefern sie präzise Informationen, können zum Beispiel innerhalb von Sekunden verraten, ob ein Lebensraum intakt ist oder nicht.
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Nach der Abholzung ist der Bach genauso zu sehen, aber die Vögel fehlen in der oberen Hälfte. Man sieht die direkten Folgen des Holzeinschlags. Für das Auge sieht der Ort tatsächlich aus wie vorher, unsere Ohren aber erzählen eine andere Geschichte.""
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