"Die Subventionen sind natürlich Gift"
Fairer Handel hilft nach Ansicht des Vereins Transfair, die Bedingungen bei den Produzenten vor Ort zu verbessern. Es gehe um eine verbesserte Infrastruktur, Wissensvermittlung und die Vergabe von Saatgut vor Ort, sagte der Geschäftsführer von Transfair, Dieter Overath.
Leonie March: Vielleicht haben Sie sich schon auch gefragt, woher der Kaffee eigentlich stammt, den Sie morgens trinken, was diejenigen, die ihn anbauen und ernten, daran verdienen. Oft ist das nicht viel, denn der Kaffee soll hierzulande besonders günstig sein. Leidtragende des Preisdrucks sind meistens Kleinbauern und Arbeiter in den Entwicklungsländern. Aus diesem Grund greifen einige von Ihnen vielleicht schon zu fair gehandelten Kaffee. Inzwischen gibt es den nicht nur sogenannte Dritte-Welt-Läden, sondern auch in etlichen Supermärkten neben vielen anderen Lebensmitteln, die das Fair-Trade-Siegel tragen. Das wiederum vergibt der gemeinnützige Verein Transfair, dessen Geschäftsführer ist Dieter Overath. Er hat Transfair 1992 gegründet. Guten Morgen, Herr Overath!
Dieter Overath: Guten Morgen nach Berlin!
March: Welche Bedingungen muss ein Produzent denn erfüllen, damit sein Kaffee mit Ihrem Fair-Trade-Siegel ausgezeichnet wird?
Overath: Wir haben neben Sozialbedingungen, wozu das Verbot der Kinderarbeit gehört, Organisationsfreiheit inzwischen, auch eine Reihe von Umweltbedingungen, weil dies wenigstens genauso wichtig ist wie die Sozialbedingungen. Es geht auch um Reduktion von Pestiziden, Gewässerschutz usw. Aber bei den Kleinbauern, beim Kaffee, die größtenteils in höheren Gebirgsregionen anbauen, bauen die sowieso sehr naturnah an.
March: Ihr Verein Transfair stellt ja heute seinen Jahresbericht 2007 vor. Ein Ergebnis können wir schon verraten. Der Absatz von Produkten mit dem Fair-Trade-Siegel ist im vergangenen Jahr um 33 Prozent gestiegen. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Overath: Er hat mehrere Gründe. Zum einen glaube, dass die Konsumenten immer mehr zu schätzen wissen, dass man auch was Konkretes tun kann. All die Fragen um Globalisierung, Nachteile, auch jetzt Ernährungssicherung, bringen ja immer wieder die Frage mit sich, und was kann ich konkret dafür oder dagegen tun. Und da ist der faire Handel beim Einkaufen eigentlich eine relativ simple Geschichte. Der nächste Punkt ist, dass die Handelsketten endlich aufgeschlossener sind, diese Produkte auch ins Regal zu stellen und auch zu bewerben. Es reicht eben sehr oft nicht nur, es ins Regal zu stellen. Das sind zwei Elemente. Und wir haben immer mehr Sorten, dass es auch mehr Auswahl gibt.
March: Sind denn damit Ihrer Meinung nach die Wachstumsgrenzen für Fair-Trade-Produkte langsam erreicht, oder rechnen Sie damit, dass die Nachfrage weiter steigt?
Overath: Das will ich doch hoffen. Wenn ich in die Nachbarländer schaue, nach England, in die Schweiz, in die Niederlande, in Österreich, selbst in Finnland, in Skandinavien haben wir schon ungleich höhere Marktanteilzahlen. Fair-Trade-Bananen in der Schweiz haben über 50 Prozent Marktanteil. Und das zeigt, es ist noch sehr viel Potenzial da. Der deutsche Lebensmittelmarkt ist der preisaggressivste und der billigste, und das macht es einem trotz aller Erfolge, das Leben, nicht gerade schwer. Hier braucht man noch mehr einen Bewusstseinswandel.
March: Und Ihre Produzenten können eine solche große Nachfrage ohne Probleme stellen?
Overath: Die, die im System drin sind, ja. Aber wir sind zurzeit dabei, auch viele neue Gruppen zu zertifizieren, bei den Rosen oder Bananen, die sich sehr erfolgreich entwickeln, speziell gerade in Afrika, auch dabei, neue Produzentengruppen ins System zu bringen.
March: Nun wurde angesichts der steigenden Preise für Grundnahrungsmittel, wie zum Beispiel Getreide, in den vergangenen Wochen ja über Wege diskutiert, die die Versorgung der Menschen in den Entwicklungsländern sicherstellen sollen. Inwiefern leistet denn Fair Trade jetzt schon einen Beitrag zur Ernährungssicherheit?
Overath: Wir sorgen vor Ort, und nicht umsonst sind für Mikrokredite ja der Friedensnobelpreis vergeben worden, für Entwicklung. Es fehlt ja an Infrastruktur, es fehlt an Wissen, es fehlt an Saatgut. Und die Kleinbauern, die sich in Kooperativen organisieren, sorgen mit dem Fair-Trade-Premium dafür, dass sie in diesen Mangelsituationen sich verbessern können. Straßen bauen, Saatgut vergeben, der ja auch dem Eigenbedarf dann gilt. Und wir haben viele Pflanzen, wo sie dann auch Ergänzungspflanzen anbauen können über den fairen Handel, wo eben auch der Eigenbedarf und der Lokalmarkt versorgt werden kann.
March: Das heißt, die besseren Preise, die wir hier zahlen, schlagen sich da wirklich in Infrastruktur dann auch nieder?
Overath: In den Fair-Trade-Kooperativen sind diese katastrophalen Bedingungen, wie wir sie von Haiti und anderen Ländern derzeit mitbekommen, ist das nicht der Fall. Das ist insofern sehr konkret vor Ort, an dem Aufbau zu arbeiten, und da können wir als Konsument dazu beitragen.
March: Viele Experten fordern ja vor diesem Hintergrund von den Industriestaaten, dass sie den Aufbau landwirtschaftlicher Infrastrukturen in den Entwicklungsländern fördern sollen. Sollten sie sich dabei an dem Fair-Trade-Konzept orientieren?
Overath: Ich denke ja, weil das ist ein Fördern vor Ort, und es geht nicht über staatliche oder andere Institutionen, wo leider eben auch sehr viel versickert. Wenn Sie die Leute vor Ort nicht mitnehmen, wenn Sie aber auch nicht in ihrer Eigeninitiative fördern, und die haben ihren Stolz und die sagen, wir machen hier eine harte Arbeit für die Produkte, da wollen wir auch ein vernünftiges Geld für haben. Und das, denke ich, ist der beste Entwicklungsansatz gegenüber der Gießkanne, die sich dann über Länder ergießt, und bis es nach unten durchsickert, vergeht leider zu viel Zeit.
March: Aber wie realistisch ist solcher Fair Trade im großen Stil, wenn ich da an Subventionen denke?
Overath: Die Subventionen sind natürlich Gift. Bei der Baumwolle, wo wir ja auch angefangen haben, führt ja dazu, dass die Subventionen auch größtenteils USA und EU dem Lokalmarkt um 20, 30 Prozent die Preise nach unten gibt. Man kann nicht nur diese Hilfe machen, sondern man muss gleichzeitig auch die Subventionen abbauen, damit die Bauern vor Ort, egal, ob bei Zucker, Baumwolle oder anderen Produkten, auch einen vernünftigem Preis bekommen. Da sind wir nicht naiv, dass wir über Fair Trade die Probleme der Welt lösen können, da muss an vielen Schrauben gestellt werden.
March: Aber sehen Sie Anzeichen dafür, dass sich das Bewusstsein in der Politik langsam wandelt?
Overath: Ich denke ja. An diesen Szenen kommt keiner mehr vorbei. Und das ist hoffentlich keine sogenannte Trendfrage, wo man dann in drei Wochen sich wieder anderen Themen hinzufügt. Hier muss entschlossen und vor allen Dingen nachhaltig gehandelt werden. Und der faire Handel hat, glaube ich, sehr gute Ansätze, wie man vor Ort die Infrastruktur und die Situation der Bauern und Arbeiter vergessen kann. Und da, denke ich, kann sich die Politik eine Scheibe von abschneiden.
Dieter Overath: Guten Morgen nach Berlin!
March: Welche Bedingungen muss ein Produzent denn erfüllen, damit sein Kaffee mit Ihrem Fair-Trade-Siegel ausgezeichnet wird?
Overath: Wir haben neben Sozialbedingungen, wozu das Verbot der Kinderarbeit gehört, Organisationsfreiheit inzwischen, auch eine Reihe von Umweltbedingungen, weil dies wenigstens genauso wichtig ist wie die Sozialbedingungen. Es geht auch um Reduktion von Pestiziden, Gewässerschutz usw. Aber bei den Kleinbauern, beim Kaffee, die größtenteils in höheren Gebirgsregionen anbauen, bauen die sowieso sehr naturnah an.
March: Ihr Verein Transfair stellt ja heute seinen Jahresbericht 2007 vor. Ein Ergebnis können wir schon verraten. Der Absatz von Produkten mit dem Fair-Trade-Siegel ist im vergangenen Jahr um 33 Prozent gestiegen. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Overath: Er hat mehrere Gründe. Zum einen glaube, dass die Konsumenten immer mehr zu schätzen wissen, dass man auch was Konkretes tun kann. All die Fragen um Globalisierung, Nachteile, auch jetzt Ernährungssicherung, bringen ja immer wieder die Frage mit sich, und was kann ich konkret dafür oder dagegen tun. Und da ist der faire Handel beim Einkaufen eigentlich eine relativ simple Geschichte. Der nächste Punkt ist, dass die Handelsketten endlich aufgeschlossener sind, diese Produkte auch ins Regal zu stellen und auch zu bewerben. Es reicht eben sehr oft nicht nur, es ins Regal zu stellen. Das sind zwei Elemente. Und wir haben immer mehr Sorten, dass es auch mehr Auswahl gibt.
March: Sind denn damit Ihrer Meinung nach die Wachstumsgrenzen für Fair-Trade-Produkte langsam erreicht, oder rechnen Sie damit, dass die Nachfrage weiter steigt?
Overath: Das will ich doch hoffen. Wenn ich in die Nachbarländer schaue, nach England, in die Schweiz, in die Niederlande, in Österreich, selbst in Finnland, in Skandinavien haben wir schon ungleich höhere Marktanteilzahlen. Fair-Trade-Bananen in der Schweiz haben über 50 Prozent Marktanteil. Und das zeigt, es ist noch sehr viel Potenzial da. Der deutsche Lebensmittelmarkt ist der preisaggressivste und der billigste, und das macht es einem trotz aller Erfolge, das Leben, nicht gerade schwer. Hier braucht man noch mehr einen Bewusstseinswandel.
March: Und Ihre Produzenten können eine solche große Nachfrage ohne Probleme stellen?
Overath: Die, die im System drin sind, ja. Aber wir sind zurzeit dabei, auch viele neue Gruppen zu zertifizieren, bei den Rosen oder Bananen, die sich sehr erfolgreich entwickeln, speziell gerade in Afrika, auch dabei, neue Produzentengruppen ins System zu bringen.
March: Nun wurde angesichts der steigenden Preise für Grundnahrungsmittel, wie zum Beispiel Getreide, in den vergangenen Wochen ja über Wege diskutiert, die die Versorgung der Menschen in den Entwicklungsländern sicherstellen sollen. Inwiefern leistet denn Fair Trade jetzt schon einen Beitrag zur Ernährungssicherheit?
Overath: Wir sorgen vor Ort, und nicht umsonst sind für Mikrokredite ja der Friedensnobelpreis vergeben worden, für Entwicklung. Es fehlt ja an Infrastruktur, es fehlt an Wissen, es fehlt an Saatgut. Und die Kleinbauern, die sich in Kooperativen organisieren, sorgen mit dem Fair-Trade-Premium dafür, dass sie in diesen Mangelsituationen sich verbessern können. Straßen bauen, Saatgut vergeben, der ja auch dem Eigenbedarf dann gilt. Und wir haben viele Pflanzen, wo sie dann auch Ergänzungspflanzen anbauen können über den fairen Handel, wo eben auch der Eigenbedarf und der Lokalmarkt versorgt werden kann.
March: Das heißt, die besseren Preise, die wir hier zahlen, schlagen sich da wirklich in Infrastruktur dann auch nieder?
Overath: In den Fair-Trade-Kooperativen sind diese katastrophalen Bedingungen, wie wir sie von Haiti und anderen Ländern derzeit mitbekommen, ist das nicht der Fall. Das ist insofern sehr konkret vor Ort, an dem Aufbau zu arbeiten, und da können wir als Konsument dazu beitragen.
March: Viele Experten fordern ja vor diesem Hintergrund von den Industriestaaten, dass sie den Aufbau landwirtschaftlicher Infrastrukturen in den Entwicklungsländern fördern sollen. Sollten sie sich dabei an dem Fair-Trade-Konzept orientieren?
Overath: Ich denke ja, weil das ist ein Fördern vor Ort, und es geht nicht über staatliche oder andere Institutionen, wo leider eben auch sehr viel versickert. Wenn Sie die Leute vor Ort nicht mitnehmen, wenn Sie aber auch nicht in ihrer Eigeninitiative fördern, und die haben ihren Stolz und die sagen, wir machen hier eine harte Arbeit für die Produkte, da wollen wir auch ein vernünftiges Geld für haben. Und das, denke ich, ist der beste Entwicklungsansatz gegenüber der Gießkanne, die sich dann über Länder ergießt, und bis es nach unten durchsickert, vergeht leider zu viel Zeit.
March: Aber wie realistisch ist solcher Fair Trade im großen Stil, wenn ich da an Subventionen denke?
Overath: Die Subventionen sind natürlich Gift. Bei der Baumwolle, wo wir ja auch angefangen haben, führt ja dazu, dass die Subventionen auch größtenteils USA und EU dem Lokalmarkt um 20, 30 Prozent die Preise nach unten gibt. Man kann nicht nur diese Hilfe machen, sondern man muss gleichzeitig auch die Subventionen abbauen, damit die Bauern vor Ort, egal, ob bei Zucker, Baumwolle oder anderen Produkten, auch einen vernünftigem Preis bekommen. Da sind wir nicht naiv, dass wir über Fair Trade die Probleme der Welt lösen können, da muss an vielen Schrauben gestellt werden.
March: Aber sehen Sie Anzeichen dafür, dass sich das Bewusstsein in der Politik langsam wandelt?
Overath: Ich denke ja. An diesen Szenen kommt keiner mehr vorbei. Und das ist hoffentlich keine sogenannte Trendfrage, wo man dann in drei Wochen sich wieder anderen Themen hinzufügt. Hier muss entschlossen und vor allen Dingen nachhaltig gehandelt werden. Und der faire Handel hat, glaube ich, sehr gute Ansätze, wie man vor Ort die Infrastruktur und die Situation der Bauern und Arbeiter vergessen kann. Und da, denke ich, kann sich die Politik eine Scheibe von abschneiden.