Die Suche nach Ort und Idee für das Einheits-Denkmal

Von Erich Loest |
Die Debatte über ein Doppel-Denkmal zur Erinnerung an die deutsche Einheit von 1989/90 wird wieder aufgenommen, sie wurde schon einmal ohne Ergebnis abgebrochen.
Für eine Hälfte steht Berlins Schlossplatz fest, für die andere wird Leipzig favorisiert. Dagegen argumentierten selbst Leipziger, ich unter ihnen, wir hätten bereits ein wunderbares begehbares Denkmal: die Nikolaikirche und den Platz davor mit Säule, Brunnen und Leuchtsteinen im Pflaster.

Die Dresdener bringen vor, beim Besuch von Helmut Kohl im Dezember 1989 sei vor den Trümmern der Frauenkirche zum ersten Mal dominierend die Forderung erhoben worden: "Wir sind ein Volk" und habe den Bundeskanzler zur Überzeugung gebracht, die Stunde sei gekommen, über Zehnpunkte-Plan und andere Zwischenlösungen hinaus aufs Ganze zu gehen. Von da an avancierte Kohl zum "Kanzler der Einheit" und dürfte mit diesem Beiwort in die Geschichte eingehen.

Oder sollte der Zwilling des Hauptstadt-Monuments an der langen Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten der Nachkriegszeit entstehen, bei Herleshausen etwa, nahe Eisenach also, im Blickkontakt mit der Wartburg? Man möge sich erinnern: Als im 19. Jahrhundert der Befreiungsschlacht von Leipzig gedacht werden sollte, forderte Ernst Moritz Arndt, Dichter und Spitzenpatriot, ein weithin sichtbares Wahrzeichen, vergleichbar den ägyptischen Pyramiden und dem Dom zu Köln. So entstand das Völkerschlachtdenkmal, auf das nicht nur wir Leipziger stolz sind. In drei Jahren werden wir den Sieg über Napoleon vor 200 und die Weihe des Denkmals vor 100 Jahren feiern, europaweit. Die Idee des Monumentalen zieht eine weitere Überlegung nach sich: Ist denn im Berliner Zentrum überhaupt so viel Platz für ein Mal vergleichbarer Wucht?

Das zeigt, dass vom Standort auch die Gestaltung abhängt. Über unterschiedliche Baustile seit der Antike wurde nachgedacht, jedoch wird ein originaler Wurf nötig sein, dorische Säule oder Schinkel-Verschnitt helfen nicht. Zu erinnern sei an die ebenso schlichten wie einprägsamen Luftbrücken-Symbole, die eine Wölbung in Berlin, die andere in Frankfurt am Main, beide aufeinander zu. Da muss man Zehnjährigen nichts erklären.

Wieder werden Kommissionen tagen, es kann nicht anders sein. Kostengünstiger und zeitsparender wäre es, ein Künstler träte morgen früh aus seinem Atelier, eine Mappe unter dem Arm, in ihr der überzeugende Vorschlag. Nie waren Genies so wertvoll wie heute.


Erich Loest, geboren 1926 in Mittweida/Sachsen, ist ein deutscher Schriftsteller. 1947 Eintritt in die SED, 1957 von der DDR-Justiz wegen angeblicher "konterrevolutionärer Gruppenbildung" zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. 1981 Ausreise in die BRD. 1994-1997 Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller. Werke u. a.: "Völkerschlachtdenkmal" (1984), "Nikolaikirche" (1995)"Sommergewitter" (2005). Erich Loest lebt in Leipzig.
Der Schriftsteller Erich Loest beim Forum "Starker Osten" zum Auftakt der Programminitiative des Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in Leipzig.
Erich Loest© AP Archiv
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