Nathan Harris: "Die Süße von Wasser"

Reiche weiße Menschen, zu gütig für Rassismus

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Das Cover zeigt die Illustration eines Feuers. Darüber Buchtitel und Autorenname.
© Eichborn Verlag

Nathan Harris

Aus dem amerikanischen Englisch von Tobias Schnettler

Die Süße von WasserEichborn, Köln 2022

448 Seiten

25,00 Euro

Von Stefan Mesch |
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Der Roman spielt in der Zeit nach der Abschaffung der Sklaverei in den USA. Im Mittelpunkt stehen aber weniger die ehemaligen Sklaven und deren Umgang mit ihrer neuen Situation als gütige Weiße, die einigen von ihnen das Leben retten.
1865 verlieren die US-Südstaaten den Bürgerkrieg. Die Sklaverei wird abgeschafft und Menschen können die Plantagen, als deren Besitz sie galten, erstmals verlassen.
Nathan Harris, geboren 1991 in Oregon, mag Historien-Bestseller wie "Vom Winde verweht" und "Unterwegs nach Cold Mountain". Sein Debütroman "Die Süße von Wasser" zeigt vor allem weiße Figuren, die sich ab Frühling 1865 für befreite Sklaven stark machen, auch gegen den Widerstand ihrer Gemeinde.

Schwarze bleiben Randfiguren

Aufregend an den recht blumig und konventionell erzählten 450 Seiten sind vor allem die Perspektivwechsel und die Psychologie: Erst scheint ein älterer weißer Landbesitzer die Hauptfigur zu sein, der introvertierte, unpolitische und melancholische George Walker. Später wird seine Frau immer wichtiger: die introvertierte, unpolitische und melancholische Isabella.
Zwei erst seit Tagen freie Ex-Sklaven kampieren heimlich in den riesigen Wäldern des Ehepaars. Landry ist durch schwere Züchtigungen traumatisiert und bleibt eine Randfigur. Auch sein Bruder Prentiss spielt im Roman eine enttäuschend kleine, meist passive Rolle: Er erfährt Leid und viel Hilfe, doch äußert dazu keine tieferen Gedanken und erhält kaum Platz in "seiner" Geschichte. Dass er drei gütigen weißen Hauptfiguren vertraut, rettet ihm wiederholt das Leben.

"Die Süße von Wasser" wurde für Oprah Winfreys Lesezirkel ausgewählt, stand dann auf der Longlist des Booker-Preises und wurde von Barack Obama empfohlen.
Autor Nathan Harris genießt es, in überlangen und gesucht poetischen Szenen zu beschreiben, wie scheue Figuren sich langsam über ein Waldstück freuen oder über einen Hausgast, wie Vertrautheit mit der Natur und anderen Menschen entsteht und ganz persönliche Zugehörigkeitsgefühle wachsen.

Nur der Reichtum schützt vor Rassismus

"Die Süße von Wasser" zeigt Rassismus als persönliche Entscheidung: Der gütige George hat reich geerbt und fand sich nie unter Druck, selbst Sklaven zu halten. Er zahlt den schwarzen Arbeitern einen gerechten Lohn; und als Plantagenbesitzer und Politiker der Kleinstadt wütend werden, kann es sich George lange leisten, autark auf seiner eigenen, von Gier, Geldnot, Sachzwängen, Politik und Rassismus enthobenen Farm zu bleiben.
Was Menschen verschiedener Schichten im ländlichen Georgia 1865 über Sklaverei dachten, will und kann der Roman in keiner Weise politisch erklären. "Die Süße von Wasser" ist nicht einmal ein Buch darüber, wie sich schwarze Menschen in einer Gesellschaft bewegen, die sie bis gestern als Eigentum behandelte und noch heute unterdrücken will.

Sympathisch sind fast alle Rollen, doch leider vor allem, weil sie meist handeln und denken wie Figuren aus 1970 oder 2022. Figuren also, die innerlich so weit fort sind von allen rassistischen Strukturen 1865, die sie offenbar kaum prägten und denen sie sich enthoben fühlen, dass sie oft klingen wie Zeitreisende, die einfach nur einen schönen Sommer in einem Blockhaus mit Gemüsegarten verbringen wollen.

 

 
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