Literatur und Kunst vereint
Toll, toller, die Tollen Hefte: Die Reihe der Edition Büchergilde ist ein buchkünstlerisches Kleinod. Gerade erschienen ist H. G. Wells Erzählung "Die seltsame Orchidee" mit Zeichnungen von Katja Spitzer. Verlegerin Rotraut Susanne Berner erklärt das Besondere.
"Haben Sie schon mal ein Tolles Heft gesehen? Ein ganzes in der Hand gehabt?"
Fragt im Lärm der Druckmaschinen die Verlegerin der Tollen Hefte, Rotraut Susanne Berner. Sie geht zwischen den Maschinen und Papierstapeln hin und her, ist konzentriert, ganz in ihrem Element. In der Luft der Druckerei Hensel im Süden von Leipzig liegt dieser unverkennbare Geruch nach Farbe, ein wenig Maschinenöl, dessen Intensität mich fast ein bisschen schwindlig werden lässt. Berner:
"Schade, dass man den Geruch nicht auch aufnehmen kann."
Und da ist es dann auf einmal, dieses satte Gelb auf den Bögen, die den Schutzumschlag für das nächste Tolle Heft bilden. Die Farbe wirkt so voll und intensiv, als würde sie über dem Blatt schweben.
Nicht nur der aufwändige Druck macht die Tollen Hefte besonders – auch das Format des Schulheftes, das Literatur und Kunst vereint. Das 42. Heft der 1991 von Comicfan Armin Abmeier gegründeten Reihe, die seit seinem Tod die Künstlerin Susanne Rotraut Berner herausgibt, hat Katja Spitzer gestaltet. Es enthält eine alte Geschichte, neu illustriert.
"Ich war begeistert"
Spitzer: "Stammt von Ende des 19. Jahrhunderts von H.G. Wells. Es war relativ früh klar, dass ich von ihm eine Geschichte machen will. Von Susanne hatte ich den Tipp bekommen, dass sich diese Geschichte sehr lohnt."
Berner: "Katja hatte mir das vorgeschlagen. Ich war begeistert. der Erfinder der Tollen Hefte, der war ja Science-Fiction-Fan. Auch H.G. Wells. Aber er hat nie eine Geschichte von H. G. Wells gemacht."
Spitzer: "Mein Vater war Orchideen-Züchter. Deswegen kannte ich das von klein auf. Ich kannte die ganzen Orchideen mit Namen."
H. G. Wells Erzählung "Die seltsame Orchidee", eine Mischung aus Science Fiction und Horror, handelt von einem einsamen Sammler der Königin der Blumen. Katja Spitzer begleitet sie mit klarem Strich in überdreht naivem Gestus - ein bisschen so, als ob Henri Gauguin beim Malen auf dem Trip gewesen sei.
Jeder Künstler darf für die "Tollen Hefte" aus den Sonderfarben von Pantone, darunter auch Neon- oder Metalltöne, fünf auswählen. Sie ergeben eine andere Optik als die üblichen Drucke, die mit den vier genormten Skalenfarben angefertigt werden:
"Wenn man draufguckt, sind das lauter kleine Punkte. Aber wir haben hier ein reines Türkis. Das ist ohne Mischung. Das ist wie eine Lithografie, oder wie beim Siebdruck. Das ist eine grafische Technik."
Handwerk und Kunst zugleich
Der Druck ist Handwerk und Kunst zugleich: Denn bei Flachdruck-Grafiken wird Farbe für Farbe addiert. Das ist eine besondere Herausforderung für die Illustratoren: Beim Entwerfen müssen sie im Kopf die Farben trennen und auf einzelne Folien zeichnen. Erst im Druck finden Schicht auf Schicht wieder zusammen. Wie jetzt, da krabbeln auf gelber Grundierung Heuschrecken im satten Purpur, da leuchten Blüten in kräftigem Grün. Jörg Hensel, der die Druckerei schon seit 1987 führt, ist mit dem Ergebnis zufrieden. Er hat daran mitgearbeitet. Für ihn ist das Wichtigste:
"Das Vermitteln zwischen dem Wunsch des Illustrators und der technischen Machbarkeit."
"Am Anfang war das Grün zu hell. Und dann hat der Drucker das in vier Schritten dunkler gemacht. Das ist ja das Schöne, hier in der Druckerei. Da kann man als Künstler sagen, das hab ich mir anders vorgestellt. Und da sagt der Drucker, kein Problem, da machen wir ein bisschen mehr Power, ein bisschen mehr Blau."
Katja Spitzer steht neben dem Drucker und der Verlegerin.
Zu dritt begutachten sie im hellen Licht den eben gedruckten Bogen. Es ist nicht der erste Auftrag, den Hensel in seinen Kellerräumen für die Edition Büchergilde druckt. Auch die Leipziger Hochschule für Grafik und Kunst schätzt die Zusammenarbeit mit ihm.
"Ich hab ja in Leipzig studiert und die Tradition ist schon da. Und dass der Herr Hensel da ist mit den ganzen Maschinen, das ist schon spezifisch für die Stadt."
Heute kommen nur zwei Farben aufs Papier
Im Hintergrund rattern die Druckmaschinen, 6500 Blatt Papier in der Stunde laufen durch.
An diesem Nachmittag kommen nur zwei Farben aufs Papier. Dann müssen die Bögen ruhen und trocknen. Erst in den nächsten Tagen werden Schicht um Schicht die nächsten Farben aufgetragen. Die Bilder wachsen mit der Zeit.
"Normalerweise ist man als Künstler ein bisschen weg vom Prozess des Druckens. Wenn ich ein normales Buch mache, dann gebe ich die Bilder ab. Dann macht der Hersteller das alles mit den Bildern. Das ist hier anders. Hier ist die Aufregung da. [...] Das Emotionale, das da im Prozess der Arbeit kommt."
Zwischen Farbeimern, Papierstapeln und Maschinen wird die Freude am Werk greifbar, von der die Verlegerin Susanne Rotraut Berner spricht. Einige Tage dauert es noch, dann werden die Druckbögen gebunden und an die Buchhandlungen ausgeliefert. 2000 bis 3000 Stück gibt es von jeder der zwei jährlichen Ausgaben. Es wird nur einmal und nie wieder gedruckt. Der aufwändige Prozess der Zusammenarbeit ist einmalig, sein Ergebnis nicht wiederholbar. Vergriffen ist dann vergriffen.