"Die tote Stadt" in Magdeburg

Wenig Raum für Zwischentöne

Das Theater der Landeshauptstadt am Universitätsplatz in Magdeburg,
Das Magdeburger Theater hat sich unter der Intendantin Karen Stone einen Ruf für das größer dimensionierte Repertoire erarbeitet, © dpa / picture alliance / Jens Wolf
Von Uwe Friedrich |
Erich Wolfgang Korngolds "Die tote Stadt" ist ein anspruchsvoller Brocken. Unter Intendantin Karen Stone wagte sich Magdeburg immer wieder an solch schwierige Stoffe - doch dieses Mal überzeugt die Aufführung nicht. Das kann auch an Dirigent Kimbo Ishii liegen. Der setzt durchweg auf den großen Ton - was ermüdend wirkt.
Von den Erfolgsopern der zwanziger Jahre hat Erich Wolfgang Korngolds "Die tote Stadt" nach Jahren des Dornröschenschlafs wohl das glanzvollste Comeback geschafft. Allein in dieser Spielzeit wird die Oper in Madgeburg, Kassel und Hamburg gespielt, auch kleine Häuser wie Görlitz und Hof haben sich in letzter Zeit an den anspruchsvollen Brocken gewagt. Filmmusikhaft, überinstrumentiert und mit extrem anspruchsvollen Hauptrollen ist die Oper jedoch eine Herausforderung für jedes Opernhaus.
Das Magdeburger Theater hat sich unter der Intendantin Karen Stone kontinuierlich einen Ruf auch für das größer dimensionierte Repertoire erarbeitet, zuletzt überzeugte eine alptraumhaft-surreale "Elektra" von Richard Strauss, auch die Premieren in der kleinen Spielstätte waren bei Publikum und Kritik gleichermaßen erfolgreich.
Eine riesige Vitrine mit Erinnerungsstücken an seine früh verstorbene Frau Marie beherrscht In Magdeburg das Wohnzimmer des Witwers Paul in Brügge. Er hat sich von der Welt zurückgezogen, um sich ungestört in seine Trauer hineinsteigern zu können. Doch nun hat er eine Unbekannte getroffen, die seiner Marie aufs Haar gleicht, lädt sie zu sich ein und verliert sich in Erinnerungen. Die Grundkonstellation des Romans "Bruges-la-morte" von Georges Rodenbach hat Erich Wolfgang Korngold ebenso zu seiner Oper "Die tote Stadt" inspiriert wie das Schriftstellerduo Boileau/Narcejac zu seinem Thriller "Vertigo" und Alfred Hitchcock schließlich zum gleichnamigen Film. Der Regisseur Jakob Peters-Messer hat in Magdeburg das versöhnlich Ende der Oper verändert und das Werk wieder in die Nähe der Vorlage gerückt, in der Paul die Doppelgängerin tatsächlich mit einem Haarstrang erdrosselt und nicht, wie eigentlich in der Oper, alles nur geträumt hat.
In einem robusten Einheitston gesungen
Im Hintergrund warten schon Polizist und Psychiater, um den unzurechnungsfähigen Mörder festzunehmen. Das kann man machen, wirkt aber recht willkürlich, da der größte Teil der vorhergehenden drei Akte handwerklich solide und konventionell über die Bühne gingen. Die geräumige Altbauwohnung Pauls hat einen weiten Durchgang zum Nachbarzimmer, der als Theaterproszenium den angemessenen Rahmen für die Visionen Pauls gibt. Graue Gazeschleier sind in Guido Petzolds Bühnenbild allgegenwärtig, auch hier ein Bezug zur Vorlage, in der pausenlos Nieselregen über der Stadt Brügge niedergeht.
Wahrnehmungs- und Zeitebenen verschwimmen, unter den Gazeschleiern zucken die auferstandenen Nonnen aus Meyerbeers "Robert le diable", den Korngold im zweiten Akt zitiert, aus dem Nichts zieht die berühmte Heilig-Blut-Prozession des dritten Akts über die Bühne. Mit dem Tenor Wolfgang Schwaninger steht ein nicht mehr junger Witwer auf der Bühne, der diese Rolle bereits landauf, landab gesungen hat. Er bringt großes Können, Wissen und Routine mit, die ihm helfen, die Schwierigkeiten der Rolle zu absolvieren. Allerdings singt er alles mit einem robusten Einheitston, der keine unterschiedlichen Farben für melancholische Erinnerung und sexuelle Extase kennt, sondern dessen einzige Differenzierung in mittellaut und ziemlich laut besteht.
Seine Partnerin Noa Danon singt und spielt die kokette Marietta überzeugend, in der großen Beichte im dritten Akt auch recht anrührend. Der Bariton Thomas Florio bleibt als Pierrot Fritz im sentimentalen Rheinlied seltsam blass, was aber auch am Dirigenten Kimbo Ishii liegen kann. Der setzt nämlich mit der Magdeburgischen Philharmonie recht pauschal auf einen großen Ton, der zwar beeindruckt, aber auch ermüdet. Für die in dieser überreichen, zweifellos auch überinstrumentierten Partitur durchaus auch vorhandenen Zwischentöne, für die delikate Lautmalerei bleibt nur wenig Raum. Noch im letzten Oktober hat dasselbe Orchester unter dem Dirigenten Michael Balke in Richard Strauss "Elektra" ganz andere Ergebnisse erzielen können. Dem Publikumsjubel tat das keinen Abbruch.
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