Die Tücken des höfischen Lebens
Mit den Romanen um Thomas Cromwell, den Sekretär des englischen Königs Heinrich VIII., erobert Hilary Mantel die Bestsellerlisten. In "Falken" wird die Geschichte weitergesponnen - mit subtiler Psychologie, drehbuchreifen Dialogen und intimen Einblicken in die Welt der Renaissance.
Mit den Romanen um Thomas Cromwell, den finsteren Sekretär eines finsteren Königs, hat Hilary Mantel die Bestsellerlisten erobert und zweimal – als erste Frau – den Booker-Prize erhalten. Heinrich VIII. und seine sechs Frauen, von denen er sich jeweils auf rüde Weise trennte, ist der berühmteste unter den englischen Königen. Dass er sich an der Macht halten konnte, verdankt er einem Parvenü, der klüger war als all seine Höflinge.
Thomas Cromwell, Sohn eines Hufschmiedes, setzte die Scheidung des Königs von dessen erster Ehefrau durch, damit der Weg für eine Heirat mit Anne Boleyn frei war - gegen den Papst und die katholischen Großmächte in Europa, gegen das eigene Volk. Davon handelt der erste Roman "Wölfe". Dieses Geschehen läuft als roter Faden auch durch den zweiten Roman "Falken", weshalb man den Vorgänger nicht unbedingt zu kennen braucht.
"Falken" spielt in einem einzigen Jahr, 1536. Wie ihre abgesetzte Rivalin hat auch Anne Boleyn dem König nur eine Tochter und keinen männlichen Erben geboren. Doch ein Mädchen auf dem Thron der Tudors - undenkbar. Aus Staatsraison, vor allem aber weil er für die junge Jane Seymour entflammt ist, plant Heinrich zum dritten Mal zu heiraten. Will Cromwell nicht seine Position gefährden, ficht er auch diese Scheidung durch und bringt die Königin aufs Schafott.
Thomas Cromwell, Sohn eines Hufschmiedes, setzte die Scheidung des Königs von dessen erster Ehefrau durch, damit der Weg für eine Heirat mit Anne Boleyn frei war - gegen den Papst und die katholischen Großmächte in Europa, gegen das eigene Volk. Davon handelt der erste Roman "Wölfe". Dieses Geschehen läuft als roter Faden auch durch den zweiten Roman "Falken", weshalb man den Vorgänger nicht unbedingt zu kennen braucht.
"Falken" spielt in einem einzigen Jahr, 1536. Wie ihre abgesetzte Rivalin hat auch Anne Boleyn dem König nur eine Tochter und keinen männlichen Erben geboren. Doch ein Mädchen auf dem Thron der Tudors - undenkbar. Aus Staatsraison, vor allem aber weil er für die junge Jane Seymour entflammt ist, plant Heinrich zum dritten Mal zu heiraten. Will Cromwell nicht seine Position gefährden, ficht er auch diese Scheidung durch und bringt die Königin aufs Schafott.
Auf genretypische Weichzeichner verzichtet Mantel
Ungewöhnlich für einen historischen Roman erzählt Hilary Mantel im Präsens, unmittelbar aus der Perspektive der Hauptfigur. Cromwell ist ein scharfer Beobachter mit ausgeprägter Kombinationsgabe. Ebenso minutiös wie er den Faltenwurf des königlichen Gewands nach ersten Anzeichen einer verheimlichten Schwangerschaft absucht, liest er im Mienenspiel seiner Kontrahenten, schleicht sich in das Vertrauen korrupter Höflinge und Kleriker, um sie zu Fall zu bringen. Signale blitzschnell zu deuten, ist lebenswichtig. Und wenn es darauf ankommt, "ist sein Ausdruck so achtsam leer wie eine frisch gestrichene Wand".
Der Blick, den wir mit Cromwell auf die Renaissancewelt richten, ist hart, er kennt keine genretypischen Weichzeichner. Entsprechend werden keine überflüssigen Landschaftsbilder gemalt, kein opulentes Festgetümmel. Gezeigt werden die Tücken höfischen Lebens in intimen Szenen; die eigentlichen Schlachten spielen sich rhetorisch ab, mittels subtilster Psychologie in drehbuchreifen Dialogen.
Auch sprachlich unterlässt die Autorin jedes Tudor-Pastiche. Kunstvoll hält sie die Balance zwischen wohldosierter Renaissance-Metaphorik (sein Blick - "gleitet zur Seite wie ein Stück Seide über Glas") und einem maßvoll heutigen Ton, knapp, schlank, ab und zu verhalten ironisch.
Durch seinen schillernden Protagonisten entziffert der Roman die Welt der Politik als ein System beweglicher Zeichen: Was eben noch als moralisch verwerflich galt, kann im Handumdrehen ‚common sense’ werden. Darin ist der Roman sehr modern. Und wohl einer der Gründe, weshalb er über das royalistische England hinaus so fulminant gefeiert wird. Zurecht, führt er doch klug und ganz nebenbei mitten in die Debatte darüber, was von Königinnen und ihren Steigbügelhaltern erwartet wird – bis heute.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Der Blick, den wir mit Cromwell auf die Renaissancewelt richten, ist hart, er kennt keine genretypischen Weichzeichner. Entsprechend werden keine überflüssigen Landschaftsbilder gemalt, kein opulentes Festgetümmel. Gezeigt werden die Tücken höfischen Lebens in intimen Szenen; die eigentlichen Schlachten spielen sich rhetorisch ab, mittels subtilster Psychologie in drehbuchreifen Dialogen.
Auch sprachlich unterlässt die Autorin jedes Tudor-Pastiche. Kunstvoll hält sie die Balance zwischen wohldosierter Renaissance-Metaphorik (sein Blick - "gleitet zur Seite wie ein Stück Seide über Glas") und einem maßvoll heutigen Ton, knapp, schlank, ab und zu verhalten ironisch.
Durch seinen schillernden Protagonisten entziffert der Roman die Welt der Politik als ein System beweglicher Zeichen: Was eben noch als moralisch verwerflich galt, kann im Handumdrehen ‚common sense’ werden. Darin ist der Roman sehr modern. Und wohl einer der Gründe, weshalb er über das royalistische England hinaus so fulminant gefeiert wird. Zurecht, führt er doch klug und ganz nebenbei mitten in die Debatte darüber, was von Königinnen und ihren Steigbügelhaltern erwartet wird – bis heute.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Hilary Mantel: Falken
Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
DuMont-Verlag, Köln 2013
480 Seiten, 22,99 Euro
Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
DuMont-Verlag, Köln 2013
480 Seiten, 22,99 Euro