"Erdogan wird alle Möglichkeiten nutzen, um zu gewinnen"
Hat die türkische Opposition eine Chance gegen den amtierenden Präsidenten Erdogan? Nach Einschätzung des Türkeiexperten Yazar Aydin wird dieser alles daran setzen, das Oppositionsbündnis im Wahlkampf auszubremsen. Auch gebe es keine gemeinsame Linie gegen den Präsidenten.
Am 24. Juni finden in der Türkei die vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen statt – ursprünglich waren sie für den im November 2019 geplant. Die Opposition hat das ziemlich kalt erwischt. Nach Einschätzung des Hamburger Soziologen Yazar Aydin wird es schwierig für das Bündnis aus vier Oppositionsparteien, den amtierenden AKP-Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu schlagen – obwohl das Bündnis nach aktuellen Einschätzungen auf 40 Prozent der Stimmen käme und damit mit der Regierungspartei AKP und der verbündeten MHP gleichziehen könnte. In der Türkei gebe es noch immer viele Menschen, die sich nicht einschüchtern ließen, betonte Aydin im Deutschlandfunk Kultur.
Die Opposition kann sich kaum Gehör verschaffen
Fest stehe: Es werde keinen fairen Wahlkampf geben. Das habe zuletzt das Referendum über das Amt des Staatspräsidenten gezeigt. Aydin:"Es ist zu erwarten, dass Erdogan alles dransetzen wird, um die Wahlen zu gewinnen. Und er wird auf alle Infrastrukturen, auf alle Möglichkeiten des Staates zurückgreifen. Bis hin zur Berichterstattung." Die Opposition werde daran gehindert, sich in der Öffentlichkeit, speziell in den regierungskontrollierten, staatlichen Medien, Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Er glaube auch nicht, so Aydin, dass sich das Bündnis auf eine gemeinsame Linie verständigen werde. Die in sich heterogene Opposition tritt nicht mit einem Kandidaten an, sondern jede Partei stellt einen eigenen auf: Als Kandidat der sozialdemokratisch orientierten CHP wird der Abgeordnete Muharrem Ince ins Rennen gehen. Er hatte in den vergangenen Jahren wiederholt den CHP-Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu herausgefordert und gilt als guter Redner.
Jede Oppostionspartei mit einem eigenen Kandidaten
Die rechts-nationalistische IYI-Partei schickt ihre Vorsitzende Meral Aksener ins Rennen, während für die kleine proislamische Saadet-Partei – Partei der Glückseligkeit - Temel Karamollaoglu antritt. Die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) hat ihren früheren Vorsitzenden Selahattin Demirtas nominiert, obwohl er seit November 2016 unter Terrorvorwürfen in Haft sitzt. Ob seine Kandidatur tatsächlich zugelassen wird, ist noch offen.
In der vergangenen Woche hatte es intensive Gespräche über die Nominierung eines gemeinsamen Kandidaten gegen Erdogan gegeben. Unter anderem war der frühere Staatspräsident Abdullah Gül im Gespräch, der jedoch ablehnte.
(mkn)