Die Tyrannei des Schweigens
Wer Flemming Rose kennt, der weiß: Die letzten Jahre waren hart für ihn. Immer wieder wurden er und seine Zeitung als dumpfe Provokateure, als geistige Brandstifter, ja von Intellektuellen wie Günter Grass gar als rechtsradikal bezeichnet. Gerade für Rose könnten derlei Attribute falscher nicht sein.
Der 52-jährige ist ein engagierter Liberaler, der viele Jahre in der Sowjetunion und in Russland lebte und dort mit eigenen Augen sah, wie eine Gesellschaft die freie Meinungsäußerung unterdrückt. Auch deshalb initiierte er 2005 die Karikaturen und verfasste deren Begleittext. Denn Rose hatte eine steigende Berührungsangst gegenüber dem Islam sowie zahlreiche Beispiele künstlerischer Selbstzensur auch in den europäischen Gesellschaften beobachtet.
"Ich schrieb, in einer säkularen Demokratie müssen alle Individuen und gesellschaftliche Gruppen Hohn, Spott und Lächerlichmachung akzeptieren - auch Muslime. Sie müssen nicht weniger oder mehr, sondern genau das gleiche Maß an öffentlicher Kritik, Satire, etc. akzeptieren, wie alle anderen auch. Für mich ist das eine Form von Anerkennung und Inklusion - wir sagen: Ihr seid weder Gäste, Fremde noch eine Randgruppe, sondern ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft."
Denn, so Rose, wer anfängt, Tabus in der öffentlichen Debatte zu akzeptieren, gerät auf die schiefe Bahn. Dann könne jede gesellschaftliche Gruppe bestimmte Tabus für sich beanspruchen - am Ende sei die Meinungsfreiheit eine Karikatur ihrer selbst, die Tyrannei des Schweigens setze sich durch, und keiner könne mehr etwas Provokantes sagen, ohne irgendjemanden zu kränken. Eine Meinung, die der dänische Verfassungsexperte Henning Koch - einer von Roses schärfsten Kritikern - nicht teilt.
"Wer verhöhnende oder erniedrigende Bemerkungen zulässt, schafft ein Klima, das den sozialen Frieden gefährdet und letztendlich zur Auflösung der Gesellschaft führen könnte. Es entsteht ein Klima des Hasses, das hasserfüllte Taten nach sich zieht. Wer sämtliche Blasphemieparagrafen abschaffen möchte, legalisiert Äußerungen wie Schwarze sind Affen, Muslime Ratten, Juden Schweine, Katholiken pädophil - und damit werden sie alle quasi vogelfrei."
Eine Argumentation, die Rose kritisiert und als Kränkungsfundamentalismus bezeichnet. Man müsse zwischen Worten und Taten unterscheiden, Demokratien müssten diskriminierende Taten verfolgen, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken. Eben das sei die Lehre auch aus der deutschen Geschichte. Nicht der Antisemitismus der Weimarer Republik habe in den Holocaust geführt. Sondern der Kollaps der staatlichen Institutionen, die Juden vor Hitlers Verbrechen zu schützen. Nein, so Rose, Worte gehörten mit Worten bekämpft. Wo die Argumente aufhörten, beginne oftmals die Gewalt - auch das belege der Karikaturenstreit.
"Ich bedauere nicht, dass wir die Karikaturen veröffentlicht haben. Niemand von uns denkt, dass eine Zeichnung ein Menschenleben wert ist. Doch gibt es offensichtlich genug Personen, die genau das finden. Wer fragt, ob ich die Zeichnungen bedauere, der könnte auch einem Vergewaltigungsopfer die Frage stellen, ob es ihr leidtue, einen Minirock getragen zu haben. Religiöse Satire ist in Dänemark kein Verbrechen und schon gar keine Einladung zur Gewalt. Ebenso wenig wie zur Vergewaltigung einlädt, wer in die Disco geht und sich leicht kleidet. Beides sind völlig legale Handlungen innerhalb des akzeptierten Rahmens unserer Gesellschaft."
Bleibt zu hoffen, dass Roses Buch schnell einen deutschen Verlag findet, denn es würde die öffentliche Debatte hierzulande bereichern. Wie gehen wir um mit all jenen, die wie jüngst Thilo Sarrazin öffentliche Tabus verletzen, die immer wieder als geistige Brandstifter bezeichnet werden? Begnügen wir uns mit Parteiausschlüssen, Gesten des Entsetzens und öffentlicher Verfemung? Oder hören wir zu und konfrontieren wir - vertrauend auf unsere demokratischen Grundwerte - ihre Thesen mit Argumenten? All jene, die derlei Grundsatzfragen noch zu stellen wagen, kommen um den Karikaturenstreit, schon gar nicht um Flemming Roses "Tyrannei des Schweigens" herum.
"Ich schrieb, in einer säkularen Demokratie müssen alle Individuen und gesellschaftliche Gruppen Hohn, Spott und Lächerlichmachung akzeptieren - auch Muslime. Sie müssen nicht weniger oder mehr, sondern genau das gleiche Maß an öffentlicher Kritik, Satire, etc. akzeptieren, wie alle anderen auch. Für mich ist das eine Form von Anerkennung und Inklusion - wir sagen: Ihr seid weder Gäste, Fremde noch eine Randgruppe, sondern ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft."
Denn, so Rose, wer anfängt, Tabus in der öffentlichen Debatte zu akzeptieren, gerät auf die schiefe Bahn. Dann könne jede gesellschaftliche Gruppe bestimmte Tabus für sich beanspruchen - am Ende sei die Meinungsfreiheit eine Karikatur ihrer selbst, die Tyrannei des Schweigens setze sich durch, und keiner könne mehr etwas Provokantes sagen, ohne irgendjemanden zu kränken. Eine Meinung, die der dänische Verfassungsexperte Henning Koch - einer von Roses schärfsten Kritikern - nicht teilt.
"Wer verhöhnende oder erniedrigende Bemerkungen zulässt, schafft ein Klima, das den sozialen Frieden gefährdet und letztendlich zur Auflösung der Gesellschaft führen könnte. Es entsteht ein Klima des Hasses, das hasserfüllte Taten nach sich zieht. Wer sämtliche Blasphemieparagrafen abschaffen möchte, legalisiert Äußerungen wie Schwarze sind Affen, Muslime Ratten, Juden Schweine, Katholiken pädophil - und damit werden sie alle quasi vogelfrei."
Eine Argumentation, die Rose kritisiert und als Kränkungsfundamentalismus bezeichnet. Man müsse zwischen Worten und Taten unterscheiden, Demokratien müssten diskriminierende Taten verfolgen, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken. Eben das sei die Lehre auch aus der deutschen Geschichte. Nicht der Antisemitismus der Weimarer Republik habe in den Holocaust geführt. Sondern der Kollaps der staatlichen Institutionen, die Juden vor Hitlers Verbrechen zu schützen. Nein, so Rose, Worte gehörten mit Worten bekämpft. Wo die Argumente aufhörten, beginne oftmals die Gewalt - auch das belege der Karikaturenstreit.
"Ich bedauere nicht, dass wir die Karikaturen veröffentlicht haben. Niemand von uns denkt, dass eine Zeichnung ein Menschenleben wert ist. Doch gibt es offensichtlich genug Personen, die genau das finden. Wer fragt, ob ich die Zeichnungen bedauere, der könnte auch einem Vergewaltigungsopfer die Frage stellen, ob es ihr leidtue, einen Minirock getragen zu haben. Religiöse Satire ist in Dänemark kein Verbrechen und schon gar keine Einladung zur Gewalt. Ebenso wenig wie zur Vergewaltigung einlädt, wer in die Disco geht und sich leicht kleidet. Beides sind völlig legale Handlungen innerhalb des akzeptierten Rahmens unserer Gesellschaft."
Bleibt zu hoffen, dass Roses Buch schnell einen deutschen Verlag findet, denn es würde die öffentliche Debatte hierzulande bereichern. Wie gehen wir um mit all jenen, die wie jüngst Thilo Sarrazin öffentliche Tabus verletzen, die immer wieder als geistige Brandstifter bezeichnet werden? Begnügen wir uns mit Parteiausschlüssen, Gesten des Entsetzens und öffentlicher Verfemung? Oder hören wir zu und konfrontieren wir - vertrauend auf unsere demokratischen Grundwerte - ihre Thesen mit Argumenten? All jene, die derlei Grundsatzfragen noch zu stellen wagen, kommen um den Karikaturenstreit, schon gar nicht um Flemming Roses "Tyrannei des Schweigens" herum.