Malerin Martha Jungwirth
Der Große Österreichische Staatspreis sei für sie auch eine späte Genugtuung, sagt Martha Jungwirth. © picture alliance / Herbert Neubauer / APA / picturedesk.com
Die Übersehene
34:33 Minuten
Nach frühen Erfolgen war es jahrzehntelang ruhig um Martha Jungwirth, doch gemalt hat die heute 81-Jährige immer. Nun erlangt sie mit ihren Bildern späten Ruhm: Gerade wurde der Wiener Malerin der Große Österreichische Staatspreis verliehen.
Mit dem Großen Österreichischen Staatspreis habe sie nun wirklich nicht gerechnet, sagt Martha Jungwirth, die im November mit dieser höchsten künstlerischen Auszeichnung Österreichs gewürdigt wurde. Neben der Freude über den Preis sei es auch eine späte Genugtuung gewesen. „Ich habe es noch erlebt – das ist ja auch ein Triumph über die Ignoranz.“
Kunstmarkt "schon nicht mehr normal"
Denn nach frühen Erfolgen, wie etwa einer Ausstellung auf der documenta 6 im Jahr 1977, wurde die Malerin jahrzehntelang vom Kunstmarkt weitgehend übersehen oder ignoriert. Währenddessen arbeitete sie kontinuierlich und fern der öffentlichen Aufmerksamkeit in ihrem Wiener Atelier weiter. Vor zehn Jahren entdeckte der Künstler Albert Oehlen ihre Bilder, die seitdem unter anderem in Ausstellungen in der Kunsthalle Krems, der Wiener Albertina und kürzlich in der Pariser Galerie von Thaddaeus Ropac zu sehen waren. Mittlerweile erzielen ihre Werke Rekordpreise.
Martha Jungwirth sagt, sie könne da „nur mit den Achseln zucken“. Der Kunstmarkt sei „ja so eigenartig und überzogen, das ist ja schon nicht mehr normal“. Nun verkaufen manche Sammler ihre Bilder zu Höchstpreisen, die sie selbst vor Jahrzehnten für einen Bruchteil erworben haben. „Die Qualität sehen sie nach wie vor nicht, aber wenns mit Geld aufgewogen wird, dann ist es plötzlich was wert.“ Sie sehe die hohen Verkaufspreise als „eine Reklame, aber irgendwie berührt es mich auch nicht mehr.“
Malen im Erregungszustand
So unbeeindruckt wie von dem derzeitigen Trubel ist die 81-Jährige auch zeitlebens von den Trends des Kunstmarkts geblieben. Bevorzugt arbeitet sie mit Aquarellfarben und mittlerweile vermehrt auch mit Öl. In kräftigen Tönen, vor allem Rot in allen Abstufungen, malt sie „Flecken, intelligente Flecken“, die sie „mit einer Geste aus dem Körper heraus auf die Fläche“ schleudert. Verdichtungen, die auf dem Papier zu schweben scheinen, ringsherum Leerstellen. „Mein ganzer Körper, meine Empfindungen fließen in diese Gesten und in die Malerei ein.“
In diesem Erregungszustand, wie sie ihn nennt, müsse sie durchlässig sein für Empfindungen, aber auch der Zufall, den es zuzulassen und weiterzuführen gelte, spiele „eine ganz große Rolle“ in ihrer Arbeit. „Der glückliche Moment, so nenne ich das, ist, wenn alles zusammenkommt.“
„Auf Reisen ist man ein anderer Mensch“
Geboren 1940 in Wien, will Martha Jungwirth schon als Jugendliche auf die Kunstakademie gehen. Ihre Mutter und die Großmutter haben Bedenken, weil Maler bekanntlich „verhungern oder sich ein Ohr abschneiden.“ Am Ende unterstützen sie die 16-Jährige aber auf ihrem Weg.
Inspiration holt sich die Künstlerin später in ausgedehnten Ausstellungsbesuchen, durch Bilder in der Zeitung, aber auch auf Reisen, etwa nach Istrien, Burma, Mexiko und besonders in Griechenland, wohin sie seit 20 Jahren immer wieder zurückkehrt. Beim Reisen sei „man ein anderer Mensch. Da ist man weg von der Realität. Man ist durchlässiger und interessierter.“
Die Verzweiflung auf Papier bringen
Die derzeitige Weltlage sieht Martha Jungwirth nicht nur wegen des Wütens der Pandemie düster. Einige ihrer neueren Bilder sind beeinflusst von den Waldbränden in Australien, bei denen auch Millionen Tiere zugrunde gingen. „Das war das Thema: das Sterben der Menschen und das Sterben und Vernichten der Tiere.“ Sie habe viel Verständnis für „die jungen Leute“, die auf die Straße gingen und sich wehrten. Aber „ich habe nicht mehr die Kraft zu glauben, dass wir da noch günstig herauskommen“, sagt die Wienerin.
„Meine private Grundstimmung ist gar nicht trostvoll." Aber sie versuche, diese Gefühle zu bändigen, indem sie sie auf Papier bringe. „Ich gebe dem eine Form.“
(era)