Die unendliche Liste

Von Peggy Fuhrmann |
Es sind außergewöhnliche Zeugnisse vergangener Kulturen und einzigartiger Naturlandschaften, die von der UNESCO als Weltkulturerbe-Stätten deklariert werden. Dieser Status stellt sie unter die Obhut der Völkergemeinschaft, so hat es die UNESCO in ihrer Konvention, die vor 30 Jahren in Kraft trat, vereinbart. Inzwischen wurden 788 Denkmäler aus aller Welt zu Weltkulturerbe-Stätten erklärt - und jährlich kommen etwa 30 weitere hinzu. Am 24. Juni wird die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal die begehrte Urkunde erhalten.
In Dresden, unterhalb der Brühlschen Terrasse. Hier starten Ausflugsdampfer zur Fahrt durch das Dresdner Elbtal, elbaufwärts bis zum Schloss Pillnitz.

Ausflugsdampfer: "Werte Damen und Herren, wir werden während der gesamten Schlössertour uns im Stadtgebiet von Dresden bewegen und die Elbe durchfließt diese Landschaft, ..."

Dresdens Silhouette mit der wieder erbauten Frauenkirche zieht vorbei. Dann wird nach und nach die Bebauung lockerer.

Ausflugsdampfer: "... und wenn Sie links und rechts schauen, werden Sie bemerken, dass wir eine völlig intakte Flusslandschaft durchfahren."

Entlang der Ufer liegen Wiesen, deren hohes Gras im Wind wogt. Dahinter erheben sich linker Hand sanfte Hänge, viele bewaldet, manche mit Rebstöcken bepflanzt. Langsam rücken die auf den Anhöhen gelegenen Albrechtschlössern näher, und die dörflichen Vororte Dresdens mit ihren kleinen Wohnhäusern und schmucken Villen.

Ausflugsdampfer: "Eine derart intakte Flusslandschaft, unverbaut, nicht mit großen Straßen direkt am Fluss wie in Paris und Budapest, wie in Prag findet man nur ganz selten in einer großen Stadt in Europa."

"Es schien mir wie eine Landschaft auf einem Teppich gestickt, grüne Fluren, Dörfer, ein Strom, der sich schnell wendet, Dresden zu küssen und hat er es geküsst, schnell wieder flieht - und der prächtige Kranz von Bergen, der den Teppich wie eine Arabeskenborde umschließt - und der reine, blaue italische Himmel, der über die ganze Gegend schwebte ..."

... schwärmte einst Heinrich von Kleist.

Diese Landschaft hat die UNESCO gerade zum Weltkulturerbe ernannt.

Matthias Lerm: "Das Dresdner Elbtal verbindet die Schönheiten von Kultur und von Natur, es ist also in beiden Kategorien Welterbe geworden, wobei natürlich in Dresden der Kultur-Teil eindeutig überwiegt. "

... erklärt Dr. Matthias Lerm, Referent für Nachhaltigkeit der Stadt Dresden und Koordinator für das Welterbe "Dresdner Elbtal.”

Matthias Lerm: "Dieses gesamte Gebiet umfasst eine Fluss-Strecke von fast 20 Kilometern, beginnend beim Schloss Übigau im Westen der Stadt, setzt sich fort mit dem japanischen Palais mit seiner Wassertreppe, schließt die Innenstadt mit dem Gondelhafen von August dem Starken ein und erstreckt sich dann elbaufwärts bis zum Schloss Pillnitz."

Welterbe ist damit genau jener Fluss-Abschnitt, auf dem einst August der Starke, ab 1694 Kurfürst von Sachsen, Gondelfahrten für Festgesellschaften veranstaltete.

Das Welterbekomitee der UNESCO urteilte, diese Kulturlandschaft besitze einen "außergewöhnlichen und universellen Wert” und würdigte "die außergewöhnlich qualitätvolle und umsichtige Entwicklung und Gestaltung eines Stadtraumes”.

Mit der Ernennung des Dresdner Elbtals zum Welterbe folgt die UNESCO einem neuen Trend. Sie will künftig verstärkt solche Kulturlandschaften, also Verbindungen von Natur und menschlicher Kulturleistung, würdigen.

Schiffsfahrt / Ankunft Pillnitz: "So, meine Damen und Herren. Unsere Schlösserfahrt stromauf nähert sich nun ihrem Ziel und wir erreichen nun Pillnitz mit seinem berühmten Schloss, dessen Wasserpalais Sie ja schon über das Vorschiff an der Elbe sehen können."

788 Weltkulturerbestätten verzeichnet die UNESCO heute. Darunter sind Weltwunder wie die Pyramiden und Monumente wie der Aachener Dom, außergewöhnliche Naturräume wie der Yellowstone-Nationalpark und die Regenwälder von Sumatra, aber auch historische Stadtzentren in aller Welt: Die Altstadt von Quito in Equador gehört ebenso dazu wie die von Bamberg.

Der Gedanke, dass wertvolle Kulturgüter durch internationale Abkommen geschützt werden sollten, bewegte die UNESCO bereits vor 50 Jahren. Als eine Art Vorläufer des Weltkulturerbe-Abkommens verabschiedete sie 1954 die "Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten”. Darin heißt es:

"Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, das auf ihrem eigenen Gebiet oder auf dem Gebiet anderer Hoher Vertragsparteien befindliche Kulturgut zu respektieren, indem sie es unterlassen, dieses Gut und seine unmittelbare Umgebung ... für Zwecke zu benutzen, die es im Falle bewaffneter Konflikte der Vernichtung oder Beschädigung aussetzen könnten und indem sie von allen gegen dieses Gut gerichteten feindseligen Handlungen Abstand nehmen."

In der Präambel bekundeten die Vertragspartner ihre Überzeugung, ...

" ... dass jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit bedeutet, weil jedes Volk einen Beitrag zur Kultur der Welt leistet."

Wertvolle Kulturgüter nicht als Eigentum eines Landes, sondern als Erbe der gesamten Menschheit zu betrachten, diese Vorstellung findet sich also bereits im Haager Abkommen. Konsequenz dieser Einsicht war, ...

" ... dass die Erhaltung des kulturellen Erbes für alle Völker der Welt von großer Bedeutung ist und dass es wesentlich ist, dieses Erbe unter internationalen Schutz zu stellen."

Diese Willensbekundung hat leider nur begrenzte Wirkung, wie die jüngsten Zerstörungen kultureller Werke zeigen. Taliban vernichteten die Buddha-Statuen in Afghanistan, und auch im Irak fielen wertvolle Kulturgüter dem Krieg zum Opfer.

Und dass auch unabhängig von kriegerischen Auseinandersetzungen gravierende Eingriffe unser kulturelles Erbe gefährden, zeigte sich besonders drastisch, als in Ägypten der Assuan-Staudamm gebaut wurde.

"Oh, ihr Arbeiter
Ausgewählt, stark, in den Händen tüchtig,
die ihr für mich Denkmäler errichtet in jeder Zahl.
Oh ihr Tüchtigen und Fleißigen beim Bauen von Monumenten!
So lange wie sie werde ich leben!"

Mit diesen Worten würdigte Pharao Ramses II seine Arbeiter, die am Oberlauf des Nils die Tempel von Abu Simbel aus einem Felsen heraus meißelten: Ein 30 Meter hohes Bauwerk mit einem Innenraum, der 65 tief in den Felsen hinein reichte, geschaffen vor 3300 Jahren. Zu beiden Seiten des Eingangs sitzen vier 20 Meter hohe Statuen, Ebenbilder des Pharao.

Der Tempel hatte die Jahrtausende überstanden - doch nach dem Bau des Assuan-Staudamms hätten ihn die Fluten überschwemmt.

Dieter Offenhäußer: "Das war Anfang der 60er Jahre, und darauf hin hat sich die ägyptische Regierung an die Weltgemeinschaft in Gestalt der UNESCO gewendet und um ein Hilfsprogramm zur Rettung von Abu Simbel gebeten. "

Dieter Offenhäußer, Pressereferent der UNESCO Deutschland, blickt zurück.

Dieter Offenhäußer: "Dieses Hilfsprogramm hat dazu geführt, dass der Tempel 60 Meter weiter in einer etwas höheren Lage wieder errichtet wurde, und das war eine Anstrengung, an der Dutzende von Ländern weltweit beteiligt waren. Und daraus ist dann die Idee entstanden, dass das ja nun ein grundsätzliches Problem sei, dass es Welterbestätten gibt, dass es Zeugnisse der Menschheitskultur gibt, die allein der Verantwortung von Einzelstaaten zu überlassen, zu wenig ist. Also dass es Welterbestätten - denken Sie mal an die Pyramiden von Gizeh, denken Sie an die chinesische Mauer - dass es also Kulturstätten gibt, die quasi der gesamten Menschheit gehören und die auch diese Menschheit eigentlich bewahren sollte, auch für zukünftige Generationen."

Als Resultat dieser Überlegungen verabschiedete die UNESCO 1972 die "Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt”. 1975 trat das Abkommen in Kraft, nach dem Monumente, Ensembles von Bauwerken, Kulturlandschaften sowie Naturformationen und -regionen zum Weltkulturerbe ernannt werden können, die von "außergewöhnlichem universellem Wert” sind.

In welcher Gestalt sich dieser universelle Wert ausdrücken kann, hat die UNESCO in zehn Kriterien festgelegt. Mindestens eines der Kriterien muss eine Welterbestätte aufweisen. Für ein Bauwerk oder Ensemble bedeutet das beispielsweise:

"Das Objekt
- ist eine einzigartige künstlerische Leistung, ein Meisterwerk des schöpferischen Geistes,
- hat während einer Zeitspanne oder in einem Kulturgebiet der Erde beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung der Architektur, der Großplastik oder des Städtebaus und der Landschaftsgestaltung ausgeübt,
- ist ein heraus ragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden oder architektonischen Ensembles oder einer Landschaft, die einen bedeutsamen Abschnitt in der menschlichen Geschichte darstellt."

Natürlich haben viele Länder - und oft schon sehr lange - nationale Denkmal- und Naturschutzrichtlinien etabliert. In Deutschland etwa liegen die Anfänge der Denkmalpflege und des Naturschutzes bereits im 19. Jahrhundert.

Intention der UNESCO aber ist, unabhängig von den sehr unterschiedlichen nationalen Richtlinien Schutz und Pflege wertvoller Kulturgüter auf Dauer sicher zu stellen - auch dank der Autorität, die mit der internationalen Obhut und Aufmerksamkeit verbunden ist.

Jede Bewerbung um den Status als Weltkulturerbestätte wird im Auftrag der UNESCO intensiv vom Internationalen Rat für Denkmalpflege - kurz ICOMOS - geprüft. Wie diese Prüfungen ablaufen, erklärt Professor Jörg Haspel. Er ist Berlins Landeskonservator und Mitglied von ICOMOS.

Jörg Haspel: "ICOMOS sendet dann einen oder zwei Mitglieder des Internationalen Komitees von ICOMOS an die Welterbestätten. Das sind Spezialisten, die immer von außen kommen, also aus dem Ausland, insofern auch ein Stück Unabhängigkeit als Gutachter mit bringen, aber mit dem Gegenstand oder mit dem Thema oder mit der Epoche oder mit der Gattung in besonderer Weise vertraut sind und das findet in der Regel statt im Rahmen eines zwei- bis viertägigen Ortstermins, wo es zum einen darum geht, sich die Objekte oder die Stätten, die vorgeschlagen sind, anzusehen, dann aber auch das abzuprüfen mit den Unterlagen, zu sehen inwieweit das vervollständigt oder nachbegründet werden muss und gegebenenfalls nochmal Vorschläge zu machen für eine Veränderung um sicherzustellen, dass auch Beeinträchtigungen von außen auf das Welterbe ausgeschlossen sind. "

1978 wurden die ersten zwölf Weltkulturerbestätten ernannt. Dazu gehörten die Galapagosinseln und der Yellowstone-Nationalpark, die Altstädte von Quito und Krakau, und auch ein deutsches Monument: Der Aachener Dom. Ein Jahr später stand auch Abu Simbel auf der Welterbeliste.

Scheinbar unversehrt stehen die Tempel, zurück gesetzt vom Nilufer, und 65 Meter über dem Wasserspiegel, auf einem Ausläufer der lybischen Gebirgskette. Und wie einst blicken die monumentalen Statuen in der Front über den Nil Richtung Sonnenaufgang. Nur blasse Nahtstellen, gewissermaßen Narben, zeugen noch von der internationalen Rettungsaktion vor 40 Jahren. Die UNESCO hatte Teams aus aller Welt zusammen geholt, die die Tempelanlage in 1042 Blöcke zersägten, landeinwärts transportierten und wieder zusammensetzten.
Das Emblem "Weltkulturerbe” ist eine Art Gütesiegel. Es hebt international das Ansehen des Bauwerkes, Ensembles oder Naturraumes - und natürlich auch der Stadt oder Region, in der die Welterbestätte liegt. Damit sind große Vorteile verbunden: So erhalten die nationalen Denkmal- oder Naturschutzbehörden von ihrem eigenen Land oder auch von Stiftungen leichter Geld für Schutz oder Restaurierung für ein Kulturgut, das zum Welterbe erklärt wurde. Und es ist einfacher, die dauerhafte Bewahrung eines solchen Objektes gegenüber anderen Interessen durchzusetzen.

Aber es gibt auch bedenkliche Auswirkungen: Der Tourismus nimmt oft rasant zu. Damit sind zwar Einkünfte verbunden, die für den Schutz der Welterbestätten verwandt werden können - doch andererseits wachsen die Gefährdungen.
Die Kulturwissenschaftlerin Professor Marie-Theres Albert nennt Beispiele für dramatische Schäden durch Übernutzung:

Marie-Theres Albert: "Nehmen Sie mal die Pyramiden in Ägypten, die teilweise geschlossen werden müssen, weil die Massen von Touristen Schweiß hinterlassen, weil die atmen. Die Nutzung als solches sorgt dafür, dass beispielsweise die Wandmalereien zerstört werden. Sorgt dafür, dass die Treppen abgetreten werden. Sorgt dafür, dass das Erbe in der Authentizität verloren geht. Oder nehmen Sie die verbotene Stadt in China. Die Chinesen legen inzwischen grüne Teppiche aus, weil der Steinboden, der unglaublich wertvolle Steinboden, abgetreten ist. Das ist auf einer ganz simplen Ebene. Andere Welterbestätten, die durch Nutzung zerstört werden, sind religiöse Stätten. Die Touristen kümmern sich nicht um die Verbindung der Bevölkerung, die mit dem Erbe als solches einher geht. Sondern die latschen da durch, hinterlassen, was denn auch immer, und die lokale Bevölkerung geht nicht mehr rein, weil ihr Erbe entfremdet ist. Es ist nicht mehr als religiöse Stätte zu nutzen und insofern wird es auch nicht mehr gepflegt und wird es auch nicht mehr versorgt."

Marie-Theres Albert ist UNESCO-Mitglied und leitet den von der UNESCO geförderten Studiengang "World Heritage Studies”. Dort lernen Studenten unter anderem, wie sich Weltkulturerbestätten vor Schäden durch Tourismus schützen lassen. So entwickeln sie Strategien, mit deren Hilfe sich Touristenströme lenken und begrenzen lassen.

Natürlich drohen nicht bei allen Kultur- und Naturerbestätten dramatische Schäden durch unbeschränkte Besucherscharen. Doch problemlos verkraften lassen sich die rasant zunehmenden Besucherzahlen selten.

Dieter Offenhäußer: "Das ist ein Problem, das ist von der UNESCO erkannt."

Erklärt Dieter Offenhäußer.

Dieter Offenhäußer: "Dazu gibt es auch je nach Welterbestätte sehr unterschiedliche Maßnahmen. Aber man muss sagen, der Vorteil besteht darin, dass eine Touristendestination, die zum Welterbe erklärt wurde, sich diesem Problem auch ganz offensiv stellen muss. Weil die Weltöffentlichkeit mit ihrer Aufmerksamkeit auf diese Welterbestätte gerichtet ist. Also es geht nicht an, dass Welterbestätten nur weil sie jetzt erst recht von Touristen überrannt werden, sich dann in Disneyländer verwandeln. Da ist die UNESCO dann schon dagegen. Andererseits muss man sagen, das Tourismusproblem wird nicht gelöst durch den Welterbestatus. Es potenziert sich, aber es birgt gleichzeitig auch Momente der Lösung."

Doch nicht die UNESCO, sondern das betroffene Land entscheidet, wie es mit dem Tourismus und anderen Gefährdungen seiner Kulturerbestätten umgeht.

Die UNESCO kann beraten und mahnen. Sieht sie eine Kulturerbestätte nachhaltig bedroht, kann sie diese Stätte auch auf die "Rote Liste des gefährdeten Kulturerbes” setzen - und wenn all dies nicht hilft, den Status als Weltkulturerbe aberkennen. Das allerdings ist bisher noch nie passiert. Auf der "Roten Liste” aber stehen zur Zeit 35 Welterbestätten:

Dazu gehören sieben Naturerbestätten in Afrika, die durch Krieg bedroht, und weitere in Asien und Afrika, in denen Wilderei den Tierbestand dezimiert. Die Altstadt von Jerusalem ist durch politische Unruhen gefährdet, das Tal von Kathmandu in Nepal und die Shalimar-Gärten in Pakistan durch Bauvorhaben, andere Kulturstätten wiederum drohen zu verfallen.

33 der 35 Problemfälle stehen in Afrika, Asien und Südamerika. Dort fehlt oft Geld, um Schutz oder Restaurierung zu sichern. Die UNESCO versucht in diesen Fällen zu helfen. Aber:

Dieter Offenhäußer: "Für die ärmeren Länder, für die das ja in der Regel eine große Herausforderung ist, gibt es einen Welterbefond. Aber mit vier bis zehn Millionen US-Dollar im Jahr, die sich im Welterbefond befinden, können Sie nicht sehr viel anrichten. Aber Sie können, indem Sie eben diesen UNESCO-Schutz oder diese UNESCO-Aura einer gefährdeten Welterbestätte zur Verfügung stellen, können Sie die Weltöffentlichkeit alarmieren und damit auch an Gelder heran kommen, an die Sie sonst nicht heran kommen würden. Als im Balkankrieg z.B. Dubrovnik zerstört war, war es ganz einfach und es ging ganz rasch, auch europäische Gelder zu mobilisieren, um die zerstörten Bauten, Dächer der Altstadt von Dubrovnik wieder her zu richten. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn Dubrovnik nicht auf der Welterbeliste gestanden hätte."

Zwei der 35 gefährdeten Kulturerbestätten aber stehen in westlichen Industrieländern, denen es an Geld für den Schutz nicht mangelt.

Eine ist der Kölner Dom.

Nur zu ganz besonderen Gelegenheiten läuten sie gemeinsam, die acht Glocken des Kölner Doms, eine der höchsten Kathedrale der Welt. Ihr imposantes Turmpaar bestimmt die Silhouette der Stadt. Der Kölner Dom ist das Wahrzeichen Kölns.

Kölner-Dom-Führung: "1248 legt Erzbischof Konrad von Hochstaten den Grundstein zum Bau einer Kirche, die 600 Jahre später vollendet tatsächlich zum Inbegriff einer gotischen Kathedrale werden sollte. So spiegelt sich im Grundriss der Kathedrale der absolute Wille der Bauherren zu Harmonie und Vollkommenheit."

1996 wurde der Kölner Dom Weltkulturerbe: Weil er - so die Begründung - unter den großen Kirchen der Welt den Typus der hochgotischen Kathedrale am reinsten und vollkommensten verkörpere. Und mit seinem monumentalen Turmpaar Stadt und Umland in unvergleichlichem Maße beherrsche.

Der Kölner Dom steht auf der "Roten Liste” des gefährdeten Weltkulturerbes, weil in seiner Nähe ein ganzer Kranz von Hochhäusern entstehen soll - das erste steht bereits. Werden auch die übrigen gebaut, würde der Dom nicht mehr die Silhouette der Stadt bestimmen. Bereits Ende 2003 warnte ICOMOS in einer Resolution:

"Sollte auf dem rechtsrheinischen Ufer durch den vorgesehenen Hochhauskranz aus vergleichsweise banalen Büro- und Hoteltürmen eine Art Pendant zum Kölner Dom realisiert werden, wird dies nachhaltige Konsequenzen für die Beurteilung des Doms als Weltkulturerbe haben."

Das heißt: Der Kölner Dom könnte seinen Status als Weltkulturerbe verlieren.
Professor Jörg Haspel von ICOMOS erklärt:

Jörg Haspel: "ICOMOS ist ja gewissermaßen zu Hilfe geholt worden von den Bürgerinnen und Bürgern, von engagierten Heimatschützern auch und Denkmalpflegern, die gesagt haben, ... das, was dort passiert, würde die Silhouette der Stadt und damit die Wirkungsmöglichkeiten des Kölner Doms ganz entscheidend und teilweise auch an einer zentralen Stelle der Annäherung an die Stadt verändern. Es gab dann Besprechungen vor Ort mit Abgesandten von ICOMOS, wo dieser kritische Eindruck bestätigt wurde und wo vor allem darüber hinaus ja auch noch die Sorge aufkam, dass möglicher Weise diese Entwicklung Schule machen und sich fortsetzen könnte, woraufhin gesagt wurde, das ist eigentlich eine Entwicklung bei Welterbestätten, die darf man nicht hin nehmen, zumindest nicht bei solchen Welterbestätten, die gerade durch ihre singuläre Stellung in der Silhouette einer Stadt das besondere Gepräge ausmachen."

Weltkulturerbestätten umgibt ein besonderer Nimbus, der auch der Region oder sogar dem ganzen Land mehr Glanz verleiht - und Besucher aus aller Welt anzieht. Viele - vor allem westliche Länder - sind auch deshalb bestrebt, ihre Kulturgüter als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen.

Jedes Jahr im Juli tagt das international zusammen gesetzte Kulturerbekomitée und benennt weitere Welterbestätten. Und so wächst und wächst die Liste. Wie zukunftsfähig also ist das bisherige Konzept?
UNESCO-Mitglied Marie-Theres Albert kritisiert:

Marie-Theres Albert: "Meine Kritik im Moment, die äußere ich insbesondere in unseren Ländern hier, den europäischen Ländern, ist, wir sind inflationär mit diesem Weltkulturerbe: 788 Erbestätten, das muss man sich mal vorstellen. Wo ist denn da noch die universale Gültigkeit? Die Frage muss man sich stellen. Und interessanter Weise sind es die westeuropäischen Länder - wir allein in Deutschland haben 30! - die zwei Drittel aller Erbestätten auf der Liste haben. Ein Drittel sind nur die ärmeren Länder. Das hat was mit dem ganzen Nominierungsverfahren zu tun. Das hat auch was mit den Kosten zu tun. Das hat auch was mit nachhaltigen Kosten zu tun."

Dieter Offenhäußer: "Das Problem ist bei der UNESCO erkannt, und man hat jetzt zu verschiedenen Maßnahmen gegriffen, eine dieser Maßnahmen ist die, dass man sagt, pro Jahr dürfen nur noch maximal 30 Welterbestätten aufgenommen werden, und von den Staaten, die ohnehin schon gut vertreten sind auf der Welterbeliste, darf pro Jahr nur eine einzige Welterbestätte als Kandidat eingereicht werden. Man ist auch etwas strenger in der Anwendung der Kriterien, das wichtigste, das Hauptkriterium ist ja, dass eine Welterbestätte von außergewöhnlichem, universellem Wert sein muss, das wird also sehr genau geprüft, und man ist bei 788 Welterbestätten also durchaus auch an eine gewisse Grenze der Belastbarkeit gelangt."

Entgegen der eigenen Empfehlung benannte das Welterbekomitée aber auch im letzten Jahr jeweils zwei neue Kulturerbestätten in Italien und in Deutschland: Bei uns wurde neben dem Dresdner Elbtal das Bremer Rathaus benannt, hinzu kam noch das grenzüberschreitende, von Deutschland und Polen gemeinsam beantragte, Welterbe Muskauer Park.

Marie-Theres Albert: "Es ist gut, dass der Kölner Dom inzwischen auf der Roten Liste ist. Wenn man ein Weltkulturerbe hat und man kümmert sich überhaupt nicht darum, dass es rundherum Bauten gibt, die schlichtweg die grundlegenden Kategorien zerstören, dann muss man einfach auch in Deutschland mit den Folgen leben können. Oder: ich finde auch nicht, dass Bremen, was jetzt gerade das Rathaus - nach meinem Dafürhalten ist da die universale Gültigkeit in vielen vielen anderen Erbestätten im Norden, die Aspekte davon genau so gut berücksichtigt. Man muss jetzt nicht dieses Erbe auch noch haben. "

Zwar hat die UNESCO beschlossen, die Zahl der jährlichen Neuaufnahmen zu begrenzen - doch damit kommen immer noch etwa 30 Welterbestätten jedes Jahr neu hinzu. Bei allen will und muss die UNESCO wie bisher regelmäßig überprüfen, ob sie auch ausreichend geschützt werden. Ist das noch zu leisten?

Marie-Theres Albert: "Meine Position dazu ist: Wir sollten Schluss machen. Wir sollten erstmal für die nächsten fünf Jahre diese Liste schließen. Und zwar weltweit. Und dann mal gucken in den fünf Jahren, ob wir nicht wirklich neue Kriterien brauchen, ob wir nicht wirklich auch eine Umverteilung brauchen. "

Denn das ist ein weiteres Problem: Die ärmeren Länder sind auf der Welterbeliste erheblich weniger vertreten als die westlichen Industriestaaten. Die Gründe: Manches arme Land scheut die Kosten und Verpflichtungen, die mit der Ernennung von Welterbestätten verbunden sind. Aber auch die bisherige Auswahlpraxis der UNESCO mit ihrem Fokus auf ganz spezifischen Kulturgütern wie historischen Monumenten und mittelalterlichen Stadtzentren hat dieses Ungleichgewicht begünstigt. Nun versucht die UNESCO gegenzusteuern.
Professor Jörg Haspel berichtet:

Jörg Haspel: "Es ist im Jahr 2000 ICOMOS, also der internationale Denkmalrat, gebeten worden, die Welterbeliste und die Anmeldelisten darauf hin zu überprüfen, welche Lücken es dort gibt. Und das sowohl in regionaler Hinsicht, also wie über den Globus verteilt sind diese Welterbestätten eingetragen, als auch in historischer Hinsicht: Welche Phasen sind besonders stark vertreten und welche Gattungen, welche Objekte. Und diese Analyse hat ja unter anderem dazu geführt, dass man festgestellt hat, dass bestimmte Regionen auf der Welt unterrepräsentiert sind, nicht deshalb, weil sie sozusagen menschenleer wären und nur in Anführungsstrichen als Naturerbestätten in Frage kommen, sondern die auch als Kulturregionen anzusprechen sind, und dass die privilegiert werden müssen in der künftigen Antragspolitik, und dass es gilt, ein erhöhtes Augenmerk darauf zu richten."

Auch bisher unterrepräsentierte Arten von Kulturgütern werden nun stärker berücksichtigt: Das betrifft zum einen Industriedenkmäler als Zeugen unserer jüngeren Vergangenheit, außerdem Kulturlandschaften, vor allem aber grenzüberschreitende Kulturstätten.

Im Muskauer Park, einer kunstvoll gestalteten Gartenlandschaft. Die weitläufige Anlage liegt beiderseits der Lausitzer Neiße mit ihren Hangterrassen. Künstliche gewundene Wasserläufe plätschern zwischen sattgrünen Wiesen, an den Ufern stehen dekorativ verteilt Bäume und Büsche. Auf weiten Rasenflächen sind einzelne Bäume mit ausladender Krone und kleine Baumgruppen als Blickfang sorgsam platziert.

Fürst Pückler hat diesen Park gestaltet. Vor 190 Jahren begann er mit der Arbeit, die ihn Jahrzehnte in Anspruch nahm - und ihn finanziell an den Rand des Ruins brachte. "Naturmalerei” nannte Pückler seine Art, eine Landschaft zu formen und erklärte in seinen "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei”:

"Der höchste Grad der landschaftlichen Gartenkunst ist nur da erreicht, wo sie wieder freie Natur, jedoch in ihrer edelsten Form, zu sein scheint. Es ist dies eine eigentümliche Affinität, welche die Naturmalerei mit der dramatischen ausübenden Kunst hat, da beide die Natur selbst zum Material und zugleich zum Gegenstande ihrer Darstellung wählen, der Schauspieler, indem er mit seiner eigenen Person ideale Menschen von neuem zu verwirklichen sucht, der Gartenkünstler, indem er die rohen ungeregelten Naturstoffe und Bilder zu einer poetischen Landschaft vereinigt und erhebt."

Der Muskauer Park, in Deutschland und Polen gelegen wurde bei der letzten Sitzung des Welterbekomitées zum Weltkulturerbe erklärt. Er ist damit eine von inzwischen über einem Dutzend grenzüberschreitender Weltkulturerbestätten.
Dieter Offenhäußer kommentiert:

Dieter Offenhäußer: "Das kommt eigentlich dem Sinn und Zweck und dem Ziel der Welterbeliste am nächsten, dass man grenzüberschreitende Welterbestätten besonders anerkennen möchte. Es handelt sich ja im Grunde genommen um ein Völker verständigendes Instrument. Es geht um eine Vorstufe von einer Weltkulturpolitik, bei der es letztlich ja darauf ankommt, dass Verantwortung für ein grenzüberschreitendes, universelles Welterbe übernommen wird von bislang immer nur partikularistisch in Einzelinteressen denkenden Unterzeichnerstätten."

Doch mit der Förderung grenzüberschreitender Erbestätten hat sich die UNESCO ein Türchen zur weiteren Expansion offen gelassen: Sie nimmt solche Kulturerbe-Stätten von der Begrenzung bei den Neuaufnahmen aus.
Marie-Theres Albert:

Marie-Theres Albert: "Das ist nicht sinnvoll. Es ist sinnvoll, die grenzüberschreitende Initiative voran zu treiben, aber es ist nicht sinnvoll, sie auszunehmen. Und was wir jetzt mit Muskau auf der Liste haben, dieser Park ist wunderschön, und ich finde auch, er gehört auf die Liste. Aber dieses hat eine Entwicklung, die genau so schnell voran getrieben wird wie alles andere, und insofern haben wir dann nur noch Ausnahmefälle. Also die Idee, dass man grenzüberschreitende Erbestätten nominiert, finde ich gut. Aber sie sollten eingeordnet werden in das gesamte Regularium, denn ansonsten hat man nur noch die Ausnahmefälle."

Die UNESCO schützt Kultur- und Naturgüber, die einen "außergewöhnlichen universellen Wert” besitzen. Und so wirbt bei uns auch der Verein der UNESCO-Welterbestätten, ein Zusammenschluss von UNESCO Deutschland, Tourismusverbänden und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, mit der Einzigartigkeit der Welterbe-Stätten:

"Es sind die heraus ragenden Zeugnisse der Geschichte der Menschheit und der Natur, die mit dem Emblem des UNESCO-Welterbes ausgezeichnet werden: stumme und doch beredte Zeugen großartiger Kulturleistungen und Naturphänomene.
Die Reise zu den UNESCO-Welterbestätten ist eine ganz besondere Reise in die Geschichte: Es ist das Erlebnis der Einmaligkeit."

Wie viele Welterbestätten aber können als "einmalig” gelten? Bei derzeit 788 Kultur - und Naturerbestätten - und jährlich weiteren Neuaufnahmen - ist zu befürchten, dass dieser ganz besondere Nimbus langsam schwindet.
Machu Picchu in Peru
Machu Picchu in Peru© AP
Kölner Dom und Museum Ludwig
Kölner Dom und Museum Ludwig© dradio.de/Andreas Diel