Was will der Horst?
Nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern heizt die CSU mit Forderungen zur Flüchtlingspolitik den Streit in der Union weiter an. CSU-Chef Horst Seehofer möchte sich damit so weit wie möglich von der CDU lösen - um nicht in deren Abwärtsstrudel gerissen zu werden, meint Michael Watzke.
Wie gut, dass es Horst Seehofer gibt. Der CSU-Chef ist, entgegen anderslautender Gerüchte, keine Kopie der AfD, der "Alternative für Deutschland". Seehofer ist eine AfM – eine Alternative für Merkel. Demokratie lebt von Alternativen, und als konservativer Wähler möchte man derzeit weder auf Angela Merkel noch auf die "Alternative für Deutschland" angewiesen sein.
Es gibt einen Platz zwischen Merkels naivem "Wir schaffen das" und dem destruktiven "Wir wollen das gar nicht schaffen" der AfD. Diesen Platz besetzt Seehofer mit der CSU, die – egal was man von ihr hält – seit fünfzig Jahren Regierungsverantwortung in Bayern trägt. Nicht mal die bayerische SPD behauptet heute, der Freistaat habe sich in dieser Zeit zu einem grausligen Unrechtsstaat entwickelt.
Allerdings kann man die CSU außerhalb Bayerns bekanntlich nicht wählen, auch wenn es Umfragen zufolge mehr Wähler in Mecklenburg-Vorpommern getan hätten, als der CDU ihre Stimmen gaben. Auf so etwas weist Horst Seehofer in Hintergrundrunden gern hin. Dabei ist es für ihn völlig unerheblich. Die CSU wird niemals, buchstabiere: NIEMALS außerhalb Bayerns antreten. So sehr sich die Christsozialen derzeit bundespolitisch aufmanteln – sie werden nicht gegen die Unionsschwester antreten.
Die AfD ist die größte Gefahr für die Alleinherrschaft der CSU
Sie wollen die CDU von innen aufbohren, nicht von außen niederreißen. Der Grund ist nicht Mitleid oder Anstand, sondern Selbstschutz. Die CSU kann nur Bayern, sie lebt von und für Bayern. Die Bundestagswahl 2017 ist für die CSU zwar wichtig – weil Einfluss sichernd – aber nicht entscheidend. Entscheidend ist die Landtagswahl 2018 in Bayern. Hier braucht die CSU die absolute Mehrheit, und der gefährlichste Gegner für die christsoziale Alleinherrschaft ist die AfD.
Angela Merkel könnte nach einer Bundestagswahl, bei der die Alternative für Deutschland 15 Prozent erreicht, theoretisch trotzdem Kanzlerin bleiben – solange die CDU stärkste Kraft in einer Großen Koalition ist. Verrückterweise hilft die AfD der Kanzlerin sogar auf Bundesebene, weil die Rechtsausleger ein BreiLiBü verhindern – ein breites Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linken.
Maulkorb für die CDU
Deshalb ist es auch kein Wunder, dass die Kanzlerin nun Horst Seehofers Rhetorik kritisiert und der CSU vorwirft, sie kopiere den aggressiven Stil der AfD. Wenn Merkel die Kontrolle über ihre Partei behalten will, dann kann sie ihr nur den Mund verbieten. Das ist vielleicht nicht undemokratisch, aber es ist schlechter Stil. So darf man nicht mit dem Wähler umspringen. Merkel kann nicht allein entscheiden, worüber geredet wird. Und schon gar nicht, wie geredet wird. Der Ton der Asyldebatte in Deutschland mag rau sein, aber er ist nicht undemokratisch. Die Zeit der asymmetrischen Demobilisierung – zu Deutsch: der Einschläferung des Wählers – ist vorbei. Die erstaunlichen Zuwächse der AfD speisen sich vor allem aus Wählern, die bisher nicht zur Wahl gegangen sind. Es sind sozusagen Schläfer, die aus dem Stadium der asymmetrischen Demobilisierung erwacht sind. Aufgeweckt durch eine Asylpolitik, die sie für gefährlich halten und vor der sie Angst haben. Merkel kann diese Wähler nur gewinnen, wenn sie ihre Politik ändert. Wenn sie eine Obergrenze für Asylbewerber festlegt und durchsetzt. Das aber kann und wird sie nicht tun.
Seehofer macht Merkel Druck. Gut so
Horst Seehofer weiß das. Der CSU-Chef ist längst davon überzeugt, dass eine Kursänderung der CDU in der Asylpolitik nur ohne Merkel geht. Er wird sich – soweit er kann – von der CDU lösen, um nicht in deren Abwärtsstrudel gerissen zu werden. Er wird die Verbindung aber nicht ganz kappen, um weiterhin bundespolitisch Einfluss nehmen zu können. Und so lange Merkel CDU-Chefin und Bundeskanzlerin ist, wird er mit stetig steigendem Druck versuchen, auf anderen Themenfeldern neben der Asylpolitik Maximal-Positionen der CSU zu erzwingen: Erbschaftssteuer, Rente, innere Sicherheit, Steuersenkung.
Insgeheim plant Seehofer schon für die Zeit nach Merkel. Ob er sich selber an gehobener Stelle in der Bundespolitik sieht? Gar als Kanzlerkandidat? Hoffentlich nicht. Seehofer ist kein Mann für ganz Deutschland. Er ist und bleibt ein Bayer. Als solcher macht er der Kanzlerin Druck. Gut so.
Michale Watzke, geboren 1973 im nordrhein-westfälsichen Remscheid, studierte Politik- und Kommunikationswissenschaft in München und Washington (USA). Seit dem Jahr 2010 berichtet Michael Watzke als Landeskorrespondent aus Bayern für das Deutschlandradio.